Österreich:Schöner Sommerfußball im neuen Format

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Die Spieler von RB Salzburg im Mai bei der fünften Meisterfeier in Serie - den goldenen Teller hält der deutsche Trainer Marco Rose. (Foto: Christian Walgram/imago)

Mehr Klubs - mehr Spannung? Die Bundesliga wird in zwei Gruppen geteilt. Salzburg gilt trotzdem als entrückt.

Von Felix Haselsteiner

Der erste Spieltag in Österreichs Fußball-Bundesliga war ein guter für die Favoriten: Dauermeister Salzburg, zuletzt ins Halbfinale der Europa League vorgedrungen, siegte 3:1 gegen Linz. Die roten Bullen haben zwar zwei Topspieler verloren - den kroatischen WM-Zweiten Duje Caleta-Car an Marseille und Valon Berisha an Lazio Rom. Aber viele Leistungsträger sind geblieben, auch der von der RB-Filiale Leipzig umworbene Amadou Haidara. So konnte es sich Salzburgs deutscher Trainer Marco Rose erlauben, zum Auftakt seinen Königstransfer des Sommers auf die Bank zu setzen: den aus Bremen geholten Freistoßexperten Zlatko Junuzovic.

Sturm Graz, Zweiter der Vorsaison und ebenfalls unter deutscher Trainerregie (Heiko Vogel), gewann das Steiermark-Derby gegen Aufsteiger Hartberg 3:2. Und auch die Großklubs aus der Kapitale, Austria und Rapid Wien, die eher zähe Jahre hinter sich haben, holten die ersten Dreier. Vor allem aber wurde zum Auftakt sehenswert offensiv gespielt: "Wenn wir das unter Sommerfußball verstehen", sagte der philosophisch angehauchte TV-Experte und Ex-Trainer Alfred Tatar, "dann mag ich ab jetzt Sommerfußball": 27 Tore fielen zum Start - in sechs Spielen.

Sechs Spiele! Das war die eigentliche Hauptnachricht. Denn Österreichs Liga hat sich, wie oft zu lesen war, "revolutioniert". Mehr Spannung, mehr Zuschauer und mehr Chancen für die kleineren Klubs - das soll ein neues Format der Bundesliga bringen. Zwölf Vereine treten jetzt an, zwei mehr als bisher. Zunächst läuft in einem "Grunddurchgang" alles wie gewohnt ab: Jeder spielt gegen jeden in Hin- und Rückspiel. Aber eben nur noch einmal - nicht, wie bisher, in einer Doppelrunde, in der jeder viermal gegen jeden anderen Verein spielte.

Nach dem 22. Spieltag wird das Feld durch den Tabellenstand in zwei Gruppen mit je sechs Teams aufgeteilt. Dabei werden die zuvor erzielten Punkte halbiert, um das Feld enger zusammenzuhalten. Die "Meistergruppe" spielt an weiteren zehn Spieltagen die Spitzenplätze aus. In der "Qualifikationsgruppe" steigt der Letzte in die zweite Liga ab, der Erste erhält indes die Chance, in Playoffs gegen den Vierten und Fünften der Meistergruppe einen Startplatz für die Europa League zu bekommen. Das alles ist alles andere als unkompliziert, aber unkompliziert sind Revolutionen selten.

Entwickelt wurde die neue Liga in Zusammenarbeit mit der niederländischen Agentur Hypercube, die vor einigen Jahren bereits die belgische Pro League überarbeitet hatte. Auf der Webseite der Firma liest man von "Business-Innovationen" und der "Ausschöpfung von Markenpotenzial". Das alles klingt nach revolutionären Veränderungen - im sonst so traditionsverliebten Österreich, wo es als Credo gilt, dass der beste Fußball in der Vergangenheit gespielt wurde. Kein Wunder also, dass Herbert Prohaska - Spitzname "Schneckerl", Mitglied der legendären 1978-er-WM-Wlf (Cordoba !) und heute Österreichs Fußballchefkritiker - die Reformpläne schon nach ihrer Verkündung 2016 scharf analysiert hatte: Das könne doch alles nichts werden, denn das Kernproblem sei nicht das sportliche Niveau der Liga, sondern die Basis, die kein Geld und keine Perspektive habe.

Der österreichische Fußball hat dasselbe Problem wie viele andere Ligen in Europa, in denen sich einzelne Vereine oben abgesetzt haben: Red Bull Salzburg bewegt sich finanziell und fußballerisch in eigenen Sphären, die jüngsten fünf Meistertitel gingen alle an RB. Das führt zwar zu internationalen Erfolgen der Salzburger, die nun ihren elften (!) Versuch unternehmen, um endlich erstmals in die Champions League einzuziehen. Der Preis ist allerdings, dass die Salzburger eine Liga ohne Spannung dominieren, in der niemand konkurrenzfähig ist. Das lässt sich auch am internationalen Abschneiden der restlichen Klubs ablesen, die alle ohne Geld eines Getränkekonzerns haushalten müssen: Als bisher letzter Vertreter aus der Alpenrepublik nahm Austria Wien 2013/14 an der Champions League teil.

Graz, Austria und Rapid werden versuchen, oben dranzubleiben - die Kleinen sehen sich noch öfter

Dass sich daran allein durch die Ligareform etwas ändert, glauben die wenigsten. "Die Chance, an Salzburg ranzukommen, ist vielleicht um fünf oder zehn Prozent höher", glaubt Goran Djuricin, Trainer von Rapid Wien. Dennoch überwiegt die Freude darüber, dass überhaupt etwas passiert im österreichischen Fußball, der seit Jahren über Zuschauerschwund klagt. Der Bundesliga-Schnitt lag zuletzt bei mageren 6386 Besuchern. Das soll nun durch den spannungsfördernden Modus besser werden: durch die Playoff-Runden am Ende und dadurch, dass sich bereits in der Saisonmitte entscheidet, wer oben mitspielt oder unten reinrutscht.

Die Reform könnte aber auch umgekehrte Effekte haben: "Für kleinere Vereine wäre es besser gewesen, das alte Format beizubehalten. Die spielen jetzt halt nur noch zweimal pro Saison gegen Rapid oder Salzburg", gibt Dietmar Kühbauer zu bedenken, früher Profi beim VfL Wolfsburg, jetzt Trainer in St. Pölten.

Sein Klub aus Niederösterreich stieg wegen der Aufstockung der Liga sogar als Stockletzter der Vorsaison nicht ab - ist jetzt aber womöglich eines jener Teams, die in der Zusatzrunde der Liga-Hinterbänkler zwei weitere Male auf Innsbruck, Mattersburg, Wolfsberg oder Altach treffen werden. Oben werden wohl die Großen wie Austria, Rapid und Graz versuchen, an Salzburg dranzubleiben.

Die wahre Diskussion im österreichischen Fußball dreht sich aber um die Basis, an der ebenfalls gerüttelt wird. In der noch stärker umgebauten zweiten Liga treten nun 16 statt bisher zehn Klubs an - und die zweite Liga hat keinen reinen Profistatus mehr. Auch Amateure sind dabei und junge zweite Mannschaften von Bundesligisten, wie die Young Violets von Austria Wien oder das Salzburger Farmteam FC Liefering.felix haselsteiner

© SZ vom 31.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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