Rangnick in Österreich:Aus dem Austro-Zoo brüllen die Ehemaligen

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Auch als österreichischer Teamchef weiterhin für Manchester United im Einsatz: Ralf Rangnick, den in der Alpenrepublik mancher kritisch sieht. (Foto: David Klein/REUTERS)

Ralf Rangnick teilt Österreich in Kritiker und Fans - beide Lager werden ihn daran messen, wie erfolgreich er seine Doppelrolle gestaltet: als ÖFB-Coach in Wien und als sportlicher Berater in England.

Von Felix Haselsteiner

"Er ist ein Professor", das gilt in Österreich eigentlich als Huldigung. Titel zählen in der Alpenrepublik sehr viel, und zwar nicht nur auf der Skipiste, wo Olympia-Medaillengewinner nur noch von Streif-Sieger übertrumpft wird, sondern auch im Kaffeehaus, wo der Herr Magister bitte aufsteht, wenn der Herr Doktor eintritt, der sich wiederum ein anderes Platzerl sucht, wenn der Herr Professor sich einen Verlängerten bestellt.

Frauen kommen in dieser archaischen Titel-Welt immer noch genauso selten vor wie im Männerfußball, aber das ist eines der wenigen Probleme, mit denen sich Ralf Rangnick, 63, noch nicht befassen muss. Sein eigener Titel hingegen spielt schon jetzt eine Rolle, einen knappen Monat vor seinem ersten Spiel als Österreichs Fußball-Nationaltrainer.

"Er ist ein Professor, der andere belehren will", das sagte am Wochenende Peter Pacult in der Kronen Zeitung über den neuen Teamchef, er spielte auf Rangnicks Ruf als Fußball-Gelehrter an. Respekt wollte Pacult damit nicht ausdrücken, vielmehr begab sich der Trainer des SK Klagenfurt auf argumentativ wackliges Terrain, als er Rangnick bescheinigte, dieser sei "bei sehr vielen Klubs im Streit auseinandergegangen", er habe nur bei finanzstarken Klubs Erfolg gehabt und er sei vor allem eines nicht: Österreicher. Auch für Rangnicks Pionierarbeit einst als Sportchef in Salzburg, wo ab 2012 unter dessen Regie ein Serienmeister entstand, kann sich Pacult nicht erwärmen: "Mir kommt das Kotzen, wenn ich das Wort RB-Stil höre."

Gut gebrüllt: Peter Pacult, einst Co-Trainer vom TSV 1860 München (hier im Jahr 1999), ist skeptisch, was Ralf Rangnick betrifft. (Foto: Frank Leonhardt/DPA)

Nun ist der frühere Stürmer Pacult weder Professor, noch Doktor und auch nicht Magister, sondern eher dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen und zuweilen komplett auf Reflexion seiner Worte zu verzichten. Und er mag Rangnick nicht , seit der ihn beim Amtsantritt als RB-Leipzig-Koordinator nicht als Trainer übernehmen wollte. Andererseits coacht Pacult einen österreichischen Bundesligisten und ist mit seiner Anti-Rangnick-Stimme nicht ganz allein.

Aus dem Zoo der bunten Austro-Fußball-Figuren brüllte auch der Ur-Löwe Hans Krankl: Er hätte "gerne gehabt, dass es Peter Stöger oder Andreas Herzog werden", sagte Österreichs Wunderstürmer von einst und Cordoba-Held beim 3:2-WM-Sieg gegen Deutschland 1978. Um Fußball ging es in Krankls Kolumne auch kurz: "Pressing ist keine Erfindung von Ralf Rangnick", betonte er: "Er wird sicher versuchen, es einzuführen - das werden wir beobachten."

Wer das als Drohung versteht, liegt richtig. Ein paar Tage erst ist Rangnicks Erscheinen in Wien angekündigt, schon ahnt er, dass rote Teppiche in Österreich nur beim Opern-, nicht aber beim Fußball ausgerollt werden. Rangnick kennt das aus Salzburg, wo ihm die Fans bis heute kritisch gegenüberstehen, weil er die Fußball-Brause-Welt derart designte, dass die Filiale Leipzig zum Aushängeschild wurde und Salzburg zum Talente-Zulieferer.

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Und für den Teamchef Rangnick werden die Krankls der Nation ihre Zensuren sicher noch schärfen, nachdem zum dritten Mal in Serie kein Österreicher Trainer geworden ist. Erst recht ist damit zu rechnen, sollte Rangnick in der Nations League Anfang Juni gegen Kroatien, Dänemark und Frankreich nicht schon perfekte Lösungen präsentieren, um aus einer zuletzt defensiv ausgerichteten, hoch talentierten, aber taktisch unreifen Nationalelf einen EM-Favoriten zu machen.

Der unterlegene Kandidat Andi Herzog sagt: "Österreichs Fußball kann von Rangnick nur profitieren."

Dass die Erwartungshaltung an diesen Trainer, von dem viele dachten, dass er sich gar nicht fürs Amt in Österreich interessieren würde, besonders hoch ist, dazu tragen aber nicht nur die Kritiker bei. Sondern auch die Anhänger Rangnicks - und er selbst.

Pacult und Krankl brüllten zwar lautstark, sorgten aber eher für Schlagzeilen im Boulevard, während die Mehrheit der Fußball-Verständigen im Land durchaus angetan war von der Wahl. Herbert Prohaska sieht in Rangnick eine "gute Lösung", Marc Janko sprach von einem "Coup", auch der eigentliche Trainer-Favorit Peter Stöger gratulierte dem Verband und Sportdirektor Peter Schöttel.

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Am lautesten freute sich jedoch der andere schon ewig Wartende, der wieder nicht Nationaltrainer wurde: "Österreichs Fußball kann von Ralf Rangnick nur profitieren", sagte Andreas Herzog, gerade weil dieser der Herr Professor sei. Im Lehrgang für seine Uefa-Lizenz, betonte Herzog, habe er von keinem Dozenten mehr gelernt als von Rangnick: "Wenn ich mal drei Stunden lang vom Anfang bis zum Ende mitschreibe, dann heißt das was."

Das klang schon eher nach einem angemessenen österreichischen Willkommensgruß. Herzog und viele andere hoffen, dass unter Rangnick nicht nur die "goldene Spielergeneration" endlich zeigt, was man ihr zutraut, sondern dass sich der gesamte antiquierte ÖFB reformiert: "Mit ihm ist jetzt einer da, der im Verband alles umdrehen kann - ein Herzog oder Stöger hätten nicht den Namen dafür gehabt", sagte ausgerechnet Herzog selbst.

Bleibt die Frage, ob Rangnick diesen Erwartungen gerecht werden kann - und ob er dafür die Zeit hat. So irrelevant Diskussionen um seine Staatsangehörigkeit sein mögen: Kritik an seiner geplanten Doppelrolle, zugleich als Berater für Manchester United aktiv zu bleiben, war nicht nur in Österreich zu hören, sondern auch in England. Und diese Zweifel muss er selbst entkräften.

"Bundestrainer sollte ein Fulltime-Job sein: jeden Tag zehn Stunden zur Verfügung stehen, jede Woche einen anderen Klub besuchen", das sagte Rangnick noch im Vorjahr im SZ-Interview mit Grüßen an Jogi Löw und Hansi Flick. Nun möchte er das Gegenteil beweisen: Er will eine schwierige Fußball-Nation, die viel Aufmerksamkeit und einen sportlichen Neuanfang benötigt, managen - und zugleich den Wiederaufbau eines englischen Weltvereins als Berater mitgestalten.

"Wo ist die Priorität?", fragte United-Ikone Gary Neville, der in seiner Karriere zwar nicht so viele Tore geschossen hat wie Hans Krankl, heute als TV-Experte aber ähnlich viel redet und zuweilen sinnvolle Fragen aufwirft. Die Prioritäts-Frage wird Rangnick begleiten, er wird sie zwischen Wien und Manchester beantworten müssen. Absehbar ist schon jetzt: Die Antwort wird wohl mindestens eine der beiden Parteien nicht zufriedenstellen.

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