Österreich bei der EM:Der fröhlichste Viertelfinalist

Österreich bei der EM: Österreich schlägt Norwegen mit 1:0 und trifft nun im Viertelfinale am kommenden Donnerstag auf Deutschland.

Österreich schlägt Norwegen mit 1:0 und trifft nun im Viertelfinale am kommenden Donnerstag auf Deutschland.

(Foto: Daniela Porcelli/Sports Press Photo/Imago)

Die Österreicherinnen schlagen Norwegen und treffen nun auf Deutschland. Für das ÖFB-Team ist der erneute Einzug in die Runde der letzten Acht ein großer Erfolg - der schon jetzt ausgelassen gefeiert wird.

Von Frank Hellmann, Brighton

Die erste Polonaise auf dem Rasen des Falmer Stadium war am späten Freitagabend gerade absolviert, als sich die österreichische Nationalspielerin Lisa Makas eine riesige Jukebox griff und direkt an den Spielfeldrand stellte. Ihre Teamgefährtin Barbara Dunst packte schnell einen Stuhl dazu, dann wischten die beiden ein bisschen am Handy herum - und dann ertönte auch schon der Song, auf den alle warteten: Eine lange Reihe von Spielerinnen, Trainerinnen und Trainern, Betreuerinnen und Betreuern nahm sich vor den Angehörigen und Unterstützern auf der Haupttribüne in den Arm, um die inoffizielle Nationalhymne "I am from Austria" von Rainhard Fendrich zu schmettern. Die mitgebrachte Musikeinrichtung übertönte sogar die Lautsprecheranlage eines Premier-League-Klubs.

Dass ihre Mannschaft gerade Besonderes geleistet hatte, daran bestand für Österreichs Teamchefin Irene Fuhrmann nach dem 1:0 gegen Norwegen kein Zweifel: "Absolut fantastisch. Es ist sensationell, dass wir wieder unter den besten Acht in Europa sind und uns in einer so starken Gruppe durchgesetzt haben." Die mit einem bewundernswerten Pragmatismus gesegnete Wienerin hatte noch vergleichsweise zurückhaltend gejubelt, als rundherum bereits alle Dämme brachen. Eine Titelsause könnte kaum ausgelassener sein - so bejubelte die rot-weiß-rote Delegation ihren "Aufstieg", wie sie in der Alpenrepublik zum Weiterkommen nach der Gruppenphase sagen.

"So eine EM ist nur einmal, gut vielleicht auch zwei- oder dreimal im Leben. Aber wir haben uns vorgenommen, diese Momente zu genießen. Jede soll nachher sagen: Es war eine geile Zeit mit den Mädels", erklärte Torschützin Nicole Billa von der TSG Hoffenheim. Ihr Team hat das zweite Mal hintereinander ein EM-Viertelfinale erreicht - und nun spielt es endlich gegen Deutschland, nachdem es dieses Duell eigentlich schon 2017 im Halbfinale gegeben hätte, wenn nicht das DFB-Team im Regen von Rotterdam gegen Dänemark ausgerutscht wäre.

"Wir wollen die gesamte Euro als absolute Belohnung sehen", sagt Trainerin Fuhrmann

"Hochverdient" fand auch die deutsche Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg das Weiterkommen des Nachbarn, sie übermittelte sofort eine Gratulation an die österreichische Teammanagerin Isabel Hochstöger. Wobei Voss-Tecklenburg aus der Ferne ja nicht mitbekommen konnte, welche Emotionen sich in der Heimstätte des englischen Erstligisten Brighton& Hove Albion entfalteten.

Österreich bei der EM: "Nicht kampflos ergeben": Österreichs Nationaltrainerin Irene Fuhrmann blickt auf das Spiel gegen Deutschland.

"Nicht kampflos ergeben": Österreichs Nationaltrainerin Irene Fuhrmann blickt auf das Spiel gegen Deutschland.

(Foto: Alessandra Tarantino/AP)

Fuhrmann sprach in der Pressekonferenz noch davon, "dass unsere Spielerinnen für das Spiel gegen Deutschland brennen und sich nicht kampflos ergeben werden"; und Billa kündigte noch an, man wolle "kämpfen bis zum Schluss und uns als kleines Land aufopfern", als sich eine Seitentür öffnete: Hinein stürmte eine fröhliche Meute, die zu den Stimmungsliedern noch Kunststoff-Warnschilder als Klatschinstrumente nutzte. "Strong Enough" von Cher dröhnte aus den Lautsprechern.

Es hätte wahrlich keinen besseren Ort für derlei Ausgelassenheit geben können als Brighton. In diesen Sommertagen pulsiert das Nachtleben im "London am Meer" mit seiner berühmten Seebrücke und seiner riesigen Strandpromenade. Insofern waren die Österreicherinnen also genau am richtigen Fleckchen Erde - wobei sie ihre Freude ohne jeden Tropfen Alkohol auslebten, was nicht ganz unwichtig ist. "Wir haben für uns ein klares Motto: Wir wollen die gesamte Euro als absolute Belohnung sehen. Wenn wir verkrampft wären, dann könnte nicht solch eine Leistung herauskommen", sagte Fuhrmann.

"Es ist eine große Freude, jetzt gegen die halbe Bayern-Mannschaft anzutreten", sagt Wenninger

Sportlich hat sich unter dem Zutun der 41-Jährigen einiges getan. Die ÖFB-Auswahl ist im Spiel nach vorne deutlich variabler geworden. Gleichwohl bleibt die Defensive das Prunkstück: In acht EM-Partien 2017 und 2022 nur zwei Gegentore kassiert zu haben, spricht für eine exzellente Organisation und enorme Disziplin im Spiel gegen den Ball. Und in letzter Instanz ist da noch die Torhüterin Manuela Zinsberger, die nur allzu gerne zum unüberwindbaren Hindernis für die Deutschen werden möchte, wie sie feixend ankündigt. "Das wird spannend", meinte die für Arsenal FC spielende Keeperin, die genau wie Abwehrchefin Carina Wenninger (Leihe AS Rom) durch ihre lange Vergangenheit beim FC Bayern eine besondere Beziehung zum nächsten Gegner hat. "Es ist eine große Freude, jetzt gegen die halbe Bayern-Mannschaft anzutreten", sagte Wenninger. "Wir haben uns gegenüber 2017 vor allem in der Breite extrem weiterentwickelt."

Österreich bei der EM: Gefordert gegen Norwegen: Carina Wenninger (Mitte) bekam es gegen Norwegen mit Top-Spielerinnen wie Ingrid Engen (links) vom FC Barcelona und Ada Hegerberg von Champions-League-Sieger Olympique Lyon zu tun.

Gefordert gegen Norwegen: Carina Wenninger (Mitte) bekam es gegen Norwegen mit Top-Spielerinnen wie Ingrid Engen (links) vom FC Barcelona und Ada Hegerberg von Champions-League-Sieger Olympique Lyon zu tun.

(Foto: Damien Meyer/AFP)

16 der 23 österreichischen EM-Spielerinnen stehen mittlerweile in deutschen Bundesliga unter Vertrag. Laura Feiersinger, Barbara Dunst und Verena Hanshaw haben bei Eintracht Frankfurt zwar mitgeholfen, die Champions-League-Qualifikation zu erreichen, aber in der Nationalmannschaft erreichen alle noch mal ein höheres Niveau.

Dass dabei Stimmung und Sport zwingend zusammengehören, unterstrich mit Viktoria Schnaderbeck (Tottenham Hotspurs WFC) eine weitere Ex-Spielerin vom FC Bayern: "Auf dem Platz sind wir immer professionell. Aber neben dem Platz sind wir eben so. Wenn du Spaß hast, wirst du happy. Und wenn du happy bist, wirst du leistungsstärker." Sprach's und wurde von den Mitspielerinnen an den Haaren gezogen. Rüber zur nächsten Polonaise. Keine Frage: Es wird stimmungsvoll, nächsten Donnerstag im Community Stadium von Brentford, wenn die fröhlichste EM-Truppe die deutschen Fußballerinnen fordert. Die leistungsstärkere Jukebox als der große Nachbar bringen sie auf jeden Fall wieder mit.

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