Österreich nach der Niederlage:"Die haben wieder nur mit Glück gewonnen"

Österreichs Nationalelf hat alles, was ein erfolgreiches Team braucht: Talent, Willen und Kampfgeist. Mit einem Sieg gegen Deutschland hat es für die Mannschaft von Nationaltrainer Koller dennoch nicht geklappt. Dabei hätte die Elf aus dem historischen "Cordoba 1978" so gern ein "Wien 2012" gemacht.

Jürgen Schmieder, Wien

Wir schreiben das Jahr 2046. Die österreichische Nationalelf absolviert in Salzburg ein EM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland, die Fans tragen Shirts mit der Aufschrift: "Macht's wie damals in Wien, Burschen." Martin Harnik und Zlatko Junuzovic haben in ihren Kolumnen im Kurier und in der Kronenzeitung bereits erklärt, wie diese Deutschen zu besiegen sind. Am Spielfeldrand steht Marko Arnautovic, Experte des österreichischen Fernsehens, und erzählt noch mal, wie das war. Damals, 2012 in Wien.

Österreich nach der Niederlage: Enttäuschung nach der Niederlage gegen Deutschland: Österreichs Kapitän Christian Fuchs.

Enttäuschung nach der Niederlage gegen Deutschland: Österreichs Kapitän Christian Fuchs.

(Foto: AFP)

"Da hob i den Boii erst dem Piefke durch die Hosnträger gschobn und dann aufn Zlatko glegt - wann ma heid beim Schmöözer nochfrogt, dann draht der si immer no", holt Arnautovic staatstragend aus, "und dann hob i draa Minuten vor Schluss den Boim ins Kroizeck zimmert! Wann der Neuer net ausgwichen wär, dann wär er afoch mit ins Tor gflogn. Seitdem muss Gottseidank koana mehr vu Cordoba redn - woas ja eh koana, wo des liegt. Wien kennt eh jeda!"

Von Cordoba spricht niemand mehr im Jahr 2046, in Österreich redet man über 2012. Über dieses grandiose Spiel der österreichischen Elf, über das Unentschieden oder gar den Sieg über den Rivalen.

Die Geschichte ist freilich nur fiktiv, denn so war es nicht an diesem Abend - weil erst Martin Harnik Chancen vergab, dann Andreas Ivanschitz, später Zlatko Junuzovic und ganz am Ende Marko Arnautovic. Die österreichische Nationalelf hatte die Chance, Deutschland zu besiegen an diesem Abend in Wien - und es wäre kein glücklicher Erfolg gewesen, sondern ein überaus verdienter. "Deutschland hatte drei Chancen und wir die doppelte Anzahl", sagte Harnik danach.

Die Österreicher führten ihrem Gegner aggressives und harmonisches Pressing vor, mit ihrer Leidenschaft und taktischen Disziplin überforderten sie die deutsche Elf, sie erspielten sich zahlreiche Gelegenheiten. "Von der Partie her waren wir sehr nah dran an einem Erfolg", sagte Junuzovic nach dem Spiel, "wir hätten schon sehr früh führen müssen. Wir haben umgesetzt, was wir die ganze Woche trainiert haben, haben den Deutschen ganz wenig Luft gegeben. Wir haben alles gemacht, nur nicht die Tore. Jetzt stehen wir wieder mit leeren Händen da." Kurz: Sie verpassten die Chance, dieses Cordoba endlich aus dem kollektiven Fußball-Gedächtnis Österreichs zu löschen.

In Österreich sprechen sie ja immer noch gerne über diesen 3:2-Erfolg über die deutsche Elf bei der WM 1978, was natürlich eine schöne Erinnerung ist, mittlerweile aber das Scheitern seitdem (das 4:1 im Jahr 1986 einmal ausgenommen) noch deutlicher, noch schmerzhafter erscheinen lässt - und die der Kurier mit einem vergammelten Knödel verglich. In österreichischen Zeitungen und im Fernsehen sieht man immer noch jene Protagonisten wie Herbert Prohaska und Hans Krankl, die seit nunmehr 34 Jahren davon zehren, dieses eine Spiel gewonnen zu haben.

"Cordoba reloaded"

Die Österreicher lechzen danach, endlich wieder einen prägenden Erfolg zu erreichen gegen den großen Bruder aus dem Norden - und schon vor Beginn des Spiels war zu spüren gewesen, dass sie diesen Abend zu einem besonderen auserkoren hatten. 15 Minuten vor Beginn der Partie wurde der Radetzky-Marsch gespielt. Die Zuschauer klatschen rhythmisch, sie schwenkten Fähnchen - und als der Stadionsprecher etwas von "unseren Burschen" sagte, da jubelten sie. Viele trugen ein rotes oder weißes Trikot, einige auch T-Shirts, auf denen an Cordoba erinnert wurde. Favorit: "Cordoba reloaded". Und man spürte, wie sich diese Menschen gerne dieses Shirt vom Leib reißen und es durch ein "Wien 2012"-Leibchen ersetzen würden. Doch so weit kam es nicht.

"Ich will Entschuldigung sagen ans ganze Land. Das war mein Fehler bei dieser Chance am Schluss", sagte Marko Arnautovic über seine Gelegenheit zum Ausgleich, "ich habe den Ball super hereinbekommen, da gibt es keine Entschuldigung." Über das Spiel selbst sagte er: "Wir waren klar überlegen. Die Deutschen haben einen Elfer bekommen, ich weiß nicht, ob er gerecht war oder nicht, die haben wieder nur mit Glück gewonnen."

Arnautovic' Kollegen schlichen ebenso traurig über den Platz, vom Publikum wurden sie begeistert empfangen. Noch zwei Stunden nach der Partie warteten etwa 300 Fans am Ausgang, sie skandierten die Namen der Spieler, sie besangen die Farben der Nationalflagge und die Fähigkeit des Österreichers, immer wieder zurückzukehren.

Die österreichischen Journalisten dagegen hatten schon zuvor gelästert (Reporter A: "Aufstellung schon da?" - Reporter B: "Ja!" - A: "Wie spül ma?" - B: "Mit elf Mann spülns!") - und nun lästerten sie darüber, dass alles so sei wie immer: Gut gespielt gegen Deutschland - und doch verloren. Und natürlich werde es nun eine schwere Qualifikation für die WM 2014 in Brasilien, weil man eben gegen Irland und Schweden nicht genügend Punkte sammeln würde.

Doch genau da könnte der Unterschied liegen zu den vergangenen Jahren. Die Österreicher verfügen nämlich über eine überaus talentierte Nationalelf - das zeigte nicht nur dieser Auftritt gegen Deutschland. Sie beklagen im Gegensatz zu vielen anderen Nationen (auch Deutschland gehört dazu) keine Vakanz auf der Position der Außenverteidiger, weil sie Christian Fuchs und den am Dienstag verletzten David Alaba haben. In der Offensive sind sie mit Arnautovic, Junuzovic und Harnik überdurchschnittlich besetzt und auch im zentralen Mittelfeld wirken sie recht stabil.

"Natürlich bin ich enttäuscht über die Niederlage", sagte Trainer Marcel Koller nach der Partie, "aber wir haben ein sehr gutes Spiel gezeigt, wie die Spieler versucht haben, alles umzusetzen, diesen Weg müssen wir weitergehen." Dieses Weitergehen, das war in der Vergangenheit häufiger das Problem der Österreicher, doch wird man derzeit den Eindruck nicht los, dass diese Mannschaft in der Lage ist, auf diesem Weg zu bleiben.

Es fehlt nun nur noch dieser prägende Erfolg, dieser Sieg gegen eine Nation, die als bedeutendes Fußballland gilt. Verfolgt diese Mannschaft den eingeschlagenen Weg weiter, dann sollte ihnen dieser Erfolg gelingen. Und dann darf Arnautovic als Fernsehexperte erzählen, wie er das entscheidende Tor erzielt hat. Er wird jede Erzählung schließen mit dem Satz: "Ganz Österreich hod gjubelt damals."

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