Österreich:Karl Kahr scheitert vor Gericht

Erstes Urteil im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen in Österreichs Skisport.

Von Claudio Catuogno, Bludenz

Im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen im österreichischen Skisport der 1960er und 70er-Jahre ist am Donnerstag nach über achtstündiger Verhandlung ein erstes Urteil gefallen. Der ehemalige Skitrainer Karl "Charly" Kahr, 86, scheiterte am Bezirksgericht Bludenz in Vorarlberg mit einer Klage gegen eine ehemalige Rennläuferin und ihren Mann, die Kahr in privaten Whatsapp-Nachrichten Missbrauch von Schutzbefohlenen vorgeworfen hatten. Beide wurden freigesprochen. Kahrs Anwalt Manfred Ainedter kündigte an, in Berufung zu gehen.

Kahr bestreitet jedes Fehlverhalten und hat deshalb auch die SZ verklagt, die im Februar 2018 über das Thema berichtet hatte. Besagte Rennläuferin aus Vorarlberg hatte damals - noch anonym - über zwei Missbrauchsversuche durch Kahr berichtet. Eine weitere ehemalige Sportlerin gab an, von Kahr 16-jährig vergewaltigt worden zu sein. Das Verfahren gegen die SZ wird am 24. Januar in Wien fortgesetzt.

Die Whatsapp-Nachrichten der in Bludenz Beklagten aus dem Jahr 2017 waren eigentlich nur an die Olympiasiegerin Annemarie Moser-Pröll, 65, gerichtet. Nachdem Nicola Werdenigg im Herbst 2017 über ein Klima sexualisierter Gewalt zu ihrer aktiven Zeit als Rennfahrerin gesprochen hatte, hatte Moser-Pröll in einem Interview gesagt, zu einer Vergewaltigung gehörten "immer zwei". Sie selbst habe niemals etwas in der Art mitbekommen. Die nun beklagte Rennläuferin hatte Moser-Pröll daraufhin daran erinnert, dass doch sie selbst, Moser-Pröll, 15-jährig von Kahr entjungfert worden sei. Der ebenfalls beklagte Ehemann hatte geschrieben, Kahr habe "zusammen mit Toni Sailer", einem weiteren Ski-Idol des Landes und damals Sportlicher Leiter, viele junge Frauen "missbraucht und gebrochen". Moser-Pröll leitete die Nachrichten an Kahr weiter, der klagte. Moser-Pröll bestritt in der ersten Verhandlung im April jeden sexuellen Kontakt zu Kahr.

Formal ging es vor Gericht um diese beiden Nachrichten - tatsächlich ging es um die viel größere Frage: Muss die Geschichte der Skination neu geschrieben werden?

Am Donnerstag war Werdenigg als Zeugin geladen. Sie bestätigte unter anderem, von einem Vergewaltigungsversuch Kahrs 1976 unmittelbar erfahren zu haben. Und sie berichtete, dass sich weitere Opfer bei ihr gemeldet hätten: Zwei hätten konkrete Angaben zu Sailer gemacht, drei zu Kahr. Zu einem Eklat kam es, als Kahrs Anwalt Ainedter begann, aus privaten Nachrichten von Werdenigg vorzulesen, die angeblich ihre "Glaubwürdigkeit erschüttern" könnten, und auch dann nicht aufhörte, als die Richterin das Verlesen schon untersagt hatte und Werdenigg sich durch "Stopp"-Rufen dagegen verwahrte, dass intimste Familiendetails vor Gericht ausgebreitet werden. Die Verhandlung wurde unterbrochen, die Öffentlichkeit ausgeschlossen - die Richterin lehnte danach alle weiteren Beweisanträge Ainedters ab. Auch jenen, erneut Moser-Pröll als Zeugin zu hören.

Weiterer Zeuge war der ehemalige Stern-Journalist Bernd Dörler, der von Alkoholexzessen von Sailer und Kahr berichtete. Sogar Kahrs Bruder, berichtete Dörler, habe sich seinerzeit für dessen übergriffiges Verhalten geschämt.

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