Österreich in der WM-Qualifikation:Fußballer im Starthäuserl

Sweden's Wendt fights for the ball with Austria's Harnik and Weimann during their 2014 World Cup qualifying soccer match at the Ernst Happel stadium in Vienna

Im Anflug: Östereichs Stürmer Andreas Weinmann (rechts)

(Foto: REUTERS)

"Die Österreicher kommen ständig einen Schritt näher": In der Heimat des Skifahrens emanzipiert sich der Fußball, es gibt viele junge und vielversprechende Spieler. Bei manchen Experten gelten Österreichs Kicker sogar als Geheimtipp für die Zukunft.

Von Christof Kneer

Natürlich geht es immer erstmal ums Skifahren. Wie jedes Kind weiß, ist das Land Österreich extra wegen der Männer-Abfahrt erfunden worden, und eine Menge Berge wurden erfunden, um steil in Österreich herumzustehen. Als der nicht unbekannte Fußballverein Austria Wien vor kurzem ein nicht unwichtiges Fußballspiel bestreiten musste, wurde in den österreichischen Zeitungen angemessen berichtet. Angemessen hieß in diesem Fall, dass die Skifahrer Marcel Hirscher, Elisabeth Görgl und Marlies Schild befragt wurden, die dem Fußballverein kompetent viel Glück wünschten und darüber hinaus erklärten, wie sie ihrerseits mit Druck umgehen, wenn sie in Kitzbühel oder Schladming im Starthäuserl stehen.

Der Fußballverein Austria Wien hat übrigens sehr profitiert von den fachmännischen Hinweisen der drei Experten. In Hin- und Rückspiel wurde der Fußballverein Dinamo Zagreb ausgeschaltet. Austria Wien darf deshalb jetzt an der nicht unbekannten Champions League teilnehmen.

Der Fußball in Österreich muss immer noch damit leben, dass der Wintersport auch mitten im August noch eine Sportseite abbekommt, aber er emanzipiert sich immer mehr. Die Fragen und Antworten, die in den Pressekonferenzen vor dem Spiel in München gestellt wurden, waren weitgehend cordobafrei. Das hängt zum einen damit zusammen, dass Österreich und Deutschland zuletzt fast so regelmäßig aufeinandergetroffen sind, wie die Abfahrt in Kitzbühel stattfindet. Auch Folklore nutzt sich ab. Es hängt aber auch damit zusammen, dass der österreichische Fußball immer weniger Grund hat, sich hinter den alten G'schichten zu verstecken.

"Die Österreicher kommen ständig einen Schritt näher", hat der deutsche Nationalspieler Thomas Müller am Donnerstag gesagt. Zwar stecken die Österreicher in der Fifa-Weltrangliste auf Platz 55 immer noch irgendwo im Pulk zwischen Wales, Australien, Burkina Faso und Usbekistan fest, aber diese Rangliste kann man etwa so ernst nehmen, wie Österreicher zum Beispiel deutsche Abfahrer ernst nehmen.

Griechenland steht in dieser Rangliste auf Platz 11. Und Österreich hat zurzeit sicher bessere, jüngere und vielversprechendere Fußballspieler.

Er sehe zwei Nationen in Europa, die man als Geheimtipp für die Zukunft veranschlagen könne, hat Ralf Rangnick vor kurzem gesagt, und neben den zu erwartenden Belgiern hat der Sportdirektor von RB Salzburg tatsächlich die Österreicher gemeint. Die tingeln seit geraumer Zeit als Bundesliga All Stars durch Europa, jeder in Deutschland kennt Alaba, Harnik, Fuchs, Prödl und natürlich diesen Arnautovic, einen schrägen Dribblanski (österreichisch für: Dribbelkünstler), der an guten Tagen Gurkerl ( = Beinschuss), Schupferl (= Heber) sowie natürlich den Stangerlpass beherrscht. Aber Kenner wie Rangnick haben längst die Generation hinter den All Stars im Blick, sie sehen in den Akademien Talente wachsen, von denen die deutsche Bundesliga noch gar nicht weiß, dass sie sie in drei Jahren verpflichten wird.

"In Österreich hat sich im Nachwuchsbereich viel getan", sagt Peter Stöger, der Trainer des 1. FC Köln, der in der vorigen Saison mit einer jungen Wiener Austria Meister wurde. "Es gibt neue Jugendakademien, und ich habe auch das Gefühl, dass die neue Trainergeneration in Österreich bereit ist, in Entwicklungsarbeit zu investieren." Die tipp3-Bundesliga powered by T-Mobile (österreichisch für: höchste Spielklasse im Fußball) ist nicht mehr das Austragsstüberl für Alt-Internationale, die mehr "alt" als "international" sind.

Österreich ist ein Beispiel dafür, wie eine Großveranstaltung ein Land verändern kann. Die gemeinsam mit der Schweiz ausgetragene EM 2008 mussten die Österreicher zwar schon nach der Vorrunde verlassen, "aber die speziellen Förderprogramme, die damals aufgelegt wurden, machen sich heute bemerkbar", sagt Andreas Herzog, der lange die Dribblanskis in Österreichs U21 trainierte und heute US-Coach Jürgen Klinsmann assistiert. Der österreichische Fußball steht im Starthäuserl, und wie lange es dauert, bis er die Griechen auch in der Fifa-Rangliste überholt hat, müsste man mal Marcel Hirscher fragen.

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