Österreich gegen DFB:Selbst Mourinho findet's leiwand

Österreich gegen DFB: Wladimir Granat (li.), der Mann mit dem besten Namen der WM, im Duell mit Marko Arnautovic, den besten Mann ohne WM.

Wladimir Granat (li.), der Mann mit dem besten Namen der WM, im Duell mit Marko Arnautovic, den besten Mann ohne WM.

(Foto: AFP)
  • Beim deutschen Testspielgegner Österreich herrscht erstaunlich gute Stimmung - obwohl die WM wieder einmal ohne das ÖFB-Team stattfindet.
  • Der neue Team-Coach Franco Foda hat eine interessante Mannschaft zur Verfügung, aus der Marko Arnautovic, der frühere Bremer, herausragt.

Von Sebastian Fischer

Marko Arnautovic scheint ein entspanntes Verhältnis zu dem entwickelt zu haben, was die Welt über ihn zu wissen glaubt. Er wird es nicht ändern, er wird die Geschichten ja eh nicht los. Jene zum Beispiel, ohne die kein Text über den Stürmer auskommt: dass er mit seinem Porsche in seiner Geburtsstadt Wien in eine Polizeikontrolle geriet, "Lecken's mich am Arsch" sagte und in Richtung des Beamten hinzufügte: "Ich verdiene so viel, ich kann dein Leben kaufen."

Arnautovic, ehemals Werder Bremen, ist inzwischen 29 Jahre alt und ein erfolgreicher, sogar seriöser Angreifer bei West Ham United, wo er in der vergangenen Premier-League-Saison elf Tore schoss, sechs auflegte und von den Fans zum besten Spieler gewählt wurde. Das stellt ihn ins Zentrum von Transfergerüchten. Manchester United soll angeblich eine Summe zahlen wollen, die so hoch ist, als hieße er immer noch Astronautovic ( wegen seiner optimistischen Selbsteinschätzung war das mal sein Spitzname).

Doch Arnautovic sagte zu den Berichten: "Da schreibt ein Hans Franz was in die Zeitung - und die ganze Welt übernimmt das. Deswegen muss man da ein bisschen aufpassen." Das klang fast so wie ein Satz, den sein Landsmann, der große Trainer Ernst Happel, mal über Gespräche mit Journalisten sagte: "Ist doch sowieso alles für Arsch und Friedrich."

Es klang nach: jetzt kein Drama draus machen! Und so hätte der zurzeit auffälligste österreichische Kicker nicht besser den Zustand des ganzen österreichischen Fußballs im Sommer 2018 illustrieren können.

Österreich, vor zwei Jahren noch Zehnter der Weltrangliste und von Euphorie getragen, danach in der Gruppenphase der EM 2016 ausgeschieden, wird bei der WM in Russland nur zuschauen; in der Qualifikationsgruppe waren Serbien, Irland und Wales stärker. Doch statt nun zu Tode betrübt zu sein, wie es Tradition wäre, sind die Österreicher eigentlich ganz zufrieden. Sie haben in Franco Foda seit vergangenem Herbst einen deutschen Trainer, der von vier Spielen als Teamchef vier gewonnen hat, die zweitbeste Startbilanz der Geschichte. Und gerade tragen sie eine Testspielserie aus, die sie "Mini-WM" nennen. Am Mittwoch schlugen sie Russland 1:0, am Samstag ist Deutschland zu Gast, am 10. Juni spielen sie gegen Brasilien.

Gegen den WM-Gastgeber bereitete Arnautovic das Tor des Schalkers Alessandro Schöpf (28.) wunderbar vor, er spielte erst einen Russen schwindlig und legte den Ball dann im richtigen Moment quer. Auf der Tribüne beobachtete dies José Mourinho, der Trainer von ManUnited. Foda lobte die Variabilität des Teams - er hatte von Vierer- wieder auf Dreierkette in der Abwehr umgestellt - und er pries "riesige Umschaltmomente" seines Teams. Über Arnautovic sagte er: "Ich glaube, er kann auch bei Manchester United spielen."

Wer die Gründe verstehen möchte für Österreichs Selbstbewusstsein, die Deppenrolle diesmal zu ignorieren, der kann bei einem nachfragen, der beruflich mit Zukunftsoptimismus betraut ist: Werner Gregoritsch ist seit mehr als sechs Jahren Trainer der U 21, er ist der Vater von Nationalspieler Michael Gregoritsch (FC Augsburg). Werner Gregoritsch sagt: "Wir haben keine Untergangsstimmung."

Natürlich, sagt er, sei die enttäuschende EM 2016 "ein schwerer Schlag" gewesen. Doch der 60-Jährige, früher selbst Profi, hat einen Mentalitätswandel ausgemacht. Früher, sagt er, hätte man über die Österreicher gesagt: "Wenn's nicht läuft, gehen sie Kaffee trinken." Inzwischen habe sich das umgekehrt, vor allem wegen Spielern wie Arnautovic oder David Alaba, die im Ausland erfolgreich sind und ihr Selbstverständnis an die Jungen weitergeben.

"Kind der österreichischen Bundesliga"

Aus der alten Generation haben Martin Harnik, Zlatko Junuzovic und Christian Fuchs ihre Länderspielkarrieren beendet, zur neuen zählen auch Spieler aus der eigenen Liga. Spieler wie Peter Zulj, 24, von Sturm Graz, der gegen Russland erstmals in der Startelf stand und im zentralen Mittelfeld überzeugte. Es trägt zu Fodas gutem Image bei, dass er, wenn auch in Mainz geboren, als "Kind der österreichischen Bundesliga" gelte, sagt Gregoritsch.

Foda, 52, war als Spieler und in zwei Episoden als Trainer insgesamt rund 20 Jahre bei Sturm Graz. Über Zulj sagte er nach dem Russland-Spiel: "Seine Leistung bestätigt mich in der These, dass Spieler, die in Österreich gut spielen können, auch im Nationalteam gut spielen können." Ein Satz wie Balsam auf die Seelen der Österreicher, deren Liga ob ihrer Größe international nie richtig ernst genommen wird, zur neuen Saison jedoch von zehn auf zwölf Mannschaften aufgestockt wird - und Serienmeister Salzburg stand vor ein paar Wochen im Europa-League-Halbfinale.

Nun ist es nicht so, dass es in den vergangenen zwei Jahren nur sportliche Enttäuschungen gab. Die Suche nach einem Nachfolger für Teamchef Marcel Koller, die letztlich bei Foda endete, hatte viele Seifenoper-Klischees bestätigt, die man dem Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB) gemeinhin nachsagt. Peter Stöger, damals noch Trainer beim 1. FC Köln, hatte bekannt, nach seiner Verfügbarkeit gefragt worden zu sein - und gleich noch dazu erklärt, dass der Verband seines Wissens nach auch bei Ralph Hasenhüttl und Niko Kovac angefragt habe. Außerdem hießen die selbstverständlich öffentlich kommentierten Kandidaten: Weiler (früher Nürnberg), Weinzierl (früher Schalke), Hütter (bisher Bern, jetzt Frankfurt), Fink (damals Austria Wien) - und Herzog (Rekordnationalspieler).

"Dass es bei der Trainerablöse zu suboptimalen Auftritten gekommen ist, ist bekannt, aber Geschichte", sagt ÖFB-Chef Leo Windtner, gegen den - apropos Image - im Januar die Staatsanwaltschaft Wien wegen eines Korruptionsverdachts Ermittlungen einleitete; Windtner wies jeglichen Verdacht eines Fehlverhaltens in einer Erklärung von sich. Wenn man ihn nach der Selbstwahrnehmung des österreichischen Fußballs fragt, spricht er gut gelaunt von einem "Startup" unter Foda.

Marko Arnautovic, der ehemals schlecht beleumundete Stürmer, sagte nach dem 1:0 gegen Russland noch: "Der Sieg ist das Wichtigste. Das ist das, was wir derzeit brauchen."

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