Österreich-Kolumne:Hoffen auf Arnautovic

Österreich-Kolumne: Marko Arnautovic (Mitte) darf nach einer Spiel-Sperre am Montag gegen die Ukraine wieder auflaufen.

Marko Arnautovic (Mitte) darf nach einer Spiel-Sperre am Montag gegen die Ukraine wieder auflaufen.

(Foto: Koen van Weel/AP)

Nach der ersten EM-Woche zeigt sich: Österreichs hochbegabte Fußballer mit Kapitän David Alaba schöpfen ihr Potenzial nicht aus. Eine Chance bleibt ihnen noch, um sich zu beweisen.

Kolumne von Felix Haselsteiner

Am Donnerstagabend saß Andreas Ivanschitz als Experte im Studio des Fernsehsenders ZDF, um das zweite EM-Spiel der Österreicher gegen die Niederlande zu kommentieren. Ivanschitz, 37, war zwischen 2003 und 2009 Kapitän der österreichischen Nationalmannschaft, also auch bei der Heim-EM 2008. Vielleicht erinnern sich noch manche, Österreich wurde damals als sehr, sehr kleine Fußballmannschaft (zu Recht) belächelt. Aber man war Gastgeber, also durfte man mitspielen.

Ivica Vastic, mit damals 38 Jahren immer noch als Stürmer tätig, erzielte im Spiel gegen Polen in der Nachspielzeit den Ausgleich per Elfmeter - das 1:1 glich einer Sensation, ein Punkt für Österreich, bei einer EM, wer hätte damit rechnen können. Gegen Deutschland war dann nach dem dritten Gruppenspiel Schluss.

Eine Mannschaft, die vor großartigen Spielern nur so strotzt

Ein Rückblick kann manchmal die Augen öffnen: Ivanschitz war damals das Aushängeschild einer Mannschaft, die zu großen Teilen aus Spielern der österreichischen Bundesliga bestand, und über deren Chancenlosigkeit bei einem hochkarätigen internationalen Turnier damit eigentlich fast alles gesagt ist. Es ist schon immer wieder verblüffend zu sehen, dass ein gutes Jahrzehnt später eine österreichische Mannschaft bei der Europameisterschaft spielt, die vor großartigen Fußballspielern nur so strotzt. Die meisten von ihnen spielen in der deutschen Bundesliga, viele in der Champions League. Angeführt wird die Mannschaft von Kapitän David Alaba, der nach dem Turnier vom FC Bayern München zu Real Madrid wechseln wird. Ivanschitz wechselte 2008 von Salzburg zu Panathinaikos Athen.

Das also ist die grundsätzliche Ausgangssituation des österreichischen Fußballs, sie könnte wesentlich schlechter sein. Sie könnte nach der ersten Woche der Europameisterschaft aber auch noch deutlich besser sein.

Bestimmt wurde die erste Turnierwoche nämlich von einer sehr positiven Nachricht, einem 3:1-Sieg gegen Nordmazedonien, dem ersten EM-Sieg in der österreichischen Geschichte. Weil aber Stürmer Marko Arnautovic nach seinem Tor eine im Jubel versteckte Schimpftirade gegen die Nordmazedonen losließ, wurde die Woche auch bestimmt von einem Verfahren der Uefa gegen Arnautovic. Er wurde nicht des Rassismus schuldig befunden, sondern nur der Gegnerbeleidigung, ein Spiel Sperre war die Folge - und einige Tage Debatte um seine Person.

Ohne Arnautovic, der sich in seiner Karriere bereits eine lange Liste an Peinlichkeiten leistete, für seine Worte zu sehr in Schutz nehmen zu wollen: Solch eine Beleidigung, wie sie am Montag wohl fiel, gehört zum Fußball (leider) weiter dazu - und zwar nicht nur auf der internationalen Bühne, sondern auch in der Wiener Stadtliga. Arnautovic konnte man vor allem vorwerfen, Beleidigungen ausgerechnet im Moment des Jubels in die Kamera zu brüllen, womit er seine Vorbildwirkung komplett verfehlte und die Uefa geradezu dazu einlud, an ihm mit einer Sperre ein Exempel zu statuieren. Er entschuldigte sich mehrfach, zahlte 25 000 Euro in seine Stiftung ein, rein rechtlich gesehen war das Verfahren damit erledigt. Lesen Sie hier mehr dazu.

Sportlich allerdings fehlte Arnautovic am Donnerstagabend, Ivanschitz sah im ZDF darin eines der Hauptprobleme der 0:2-Niederlage gegen die Niederlande, über die mein Kollege Uli Hartmann hier aus dem Stadion in Amsterdam geschrieben hat. In Wahrheit scheint das Hauptproblem aber vor allem darin zu liegen, dass die Österreicher ihr Potenzial nicht ausschöpfen.

Dem Trainer fehlt es an Mut für offensiven, mitreißenden Fußball

Vor zwei Wochen sagte mir Alfred Dorfer in einem Interview (hier mit SZ Plus lesen), man habe bei früheren Turnieren - etwa 2008 - aus einer positiven Verklärung heraus daran geglaubt, dass die kleine Fußballnation Österreich doch mal was reißen könnte. Diesmal brauche es keine Verklärung, sondern nur Realismus, um festzustellen, dass mit dieser Mannschaft was geht. Und es bräuchte einen Trainer, der im Team wie auch im Land etwas auslöst.

Franco Foda mag ein guter Verwalter sein, aber ihm fehlt ganz offensichtlich der Mut, einen offensiven, mitreißenden Fußball spielen zu lassen. Gerade den aber bräuchte es, um ein Land zu begeistern, das seit der schwachen EM 2016 nicht mehr so recht an die Nationalmannschaft glaubt.

Es sagt einiges aus, dass die Fans bei den Spielen Marko Arnautovic noch am lautesten zujubeln und sich auf seine Rückkehr im dritten Gruppenspiel gegen die Ukraine (Montag, 18 Uhr) freuen. Er ist einer, der aneckt, dem man öfter mal etwas verzeihen muss, der aber in den entscheidenden Momenten den Unterschied machen kann, weil er ein unbestritten grandioser Fußballspieler ist. Auf Arnautovic - und das ist das Fazit dieser ersten EM-Woche, in der so viel passiert ist - ruhen in vielerlei Hinsicht die Hoffnungen des österreichischen Fußballs.

Diese Kolumne erscheint am 18. Juni 2021 auch im Österreich-Newsletter, der die Berichterstattung zu Österreich in der SZ bündelt. Gleich kostenlos anmelden.

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