VfL Wolfsburg in der Champions League:Eine Wucht namens Oberdorf

VfL Wolfsburg in der Champions League: Unnachgiebig wie immer: Auch mit verstauchtem, verbundenen rechten Knie entfaltete Wolfsburgs Lena Oberdorf (rechts) gegen Grace Geyoro und Paris Saint-Germain ihre Wucht im Mittelfeld.

Unnachgiebig wie immer: Auch mit verstauchtem, verbundenen rechten Knie entfaltete Wolfsburgs Lena Oberdorf (rechts) gegen Grace Geyoro und Paris Saint-Germain ihre Wucht im Mittelfeld.

(Foto: Franck Fife/AFP)

Dass Wolfsburgs Mittelfeldspielerin nach einer Knieverletzung ein überraschendes Comeback gelingt, ist gegen Paris Saint-Germain entscheidend - und könnte sich auch auf den Titelkampf gegen den FC Bayern auswirken.

Von Anna Dreher

Noch bevor die Spielerinnen den Rasen im Parc des Princes zur Hymne der Champions League betreten hatten, war dem VfL Wolfsburg ein Coup gelungen. Damit hatte das Team selbst nicht gerechnet, vor allem aber war Paris Saint-Germain überrascht worden. Auf dem Meldebogen der Startelf stand ein Name, der nicht vorgesehen war. Dass er dort stand, veränderte die Ausgangslage entscheidend, zu Ungunsten der Gastgeberinnen: Lena Oberdorf.

Vergangenen Freitag hatte sich die deutsche Nationalspielerin in der Bundesliga gegen den 1. FFC Turbine Potsdam das rechte Knie verdreht und musste ausgewechselt werden. Am Sonntag gab der VfL in einer Mitteilung zwar Entwarnung, das Gelenk sei lediglich verstaucht, aber: "Fest steht, dass die 21-Jährige für das Viertelfinal-Hinspiel (...) ausfallen wird. Wann Oberdorf wieder zur Verfügung stehen kann, hängt vom Heilungsverlauf ab."

Und dann? War Oberdorf zwar deutlich sichtbar bandagiert, wirkte am Mittwochabend aber keinesfalls eingeschränkt, bis sie in der 79. Minute ausgewechselt wurde. "Uns war klar, dass Obi gegen Ende etwas merkt. Das hat auch mit ihrer Gangart zu tun, wie sie sich in alles reinwuchtet. Das ist ja Wahnsinn, wenn man weiß, wie die Situation vorher war", sagte VfL-Trainer Tommy Stroot. Am Montag habe Oberdorf wieder erste Runden gedreht, am Dienstag das gesamte Abschlusstraining absolviert, und sie sei sehr überzeugt gewesen von einem Einsatz in Paris.

Publik gemacht hatte der Verein das nicht, man habe nichts forcieren oder Oberdorf gar stressen wollen, falls ihr Knie am Ende doch nicht mitgemacht hätte. Aber natürlich hatte das Schweigen einen willkommenen Nebeneffekt für den zweimaligen Champions-League-Sieger: "PSG musste über Alternativen nachdenken, wenn zum Beispiel Poppi (Alexandra Popp, Anm. d. Red.) diese Position übernimmt", sagte Stroot. "Und dann macht das schon was mit einem Gegner, wenn Obi doch da steht - noch dazu in so einer Form."

In der Bundesliga stellt Wolfsburg mit 52 Toren die beste Offensive, München mit nur vier Gegentreffern die beste Defensive

Es macht nun mal einen spürbaren Unterschied, ob Oberdorf spielt oder nicht, selbst bei einem starken Kader wie jenem der Wolfsburgerinnen. Oberdorf gilt auf der Sechs bereits als eine der Besten der Welt. Gegen Paris entfaltete sie in bewährter Manier ihre Wucht im Mittelfeld, ging in die Zweikämpfe, als wäre nie etwas gewesen - und war schließlich entscheidend beteiligt an jener Szene, die zum einzigen Tor dieser Partie führte und den VfL in eine gute Ausgangslage für das Rückspiel kommenden Donnerstag (18.45 Uhr, DAZN) in der Wolfsburger Arena bringt.

Nach einer Ecke sprang Oberdorf zum Kopfball hoch, dicht neben ihr Elisa de Almeida. Von deren ausgestrecktem rechten Arm prallte der Ball ab. Schiedsrichterin Rebecca Welch kommunizierte, schaute sich die Szene am Bildschirm an, zeigte auf den Punkt - und de Almeida die gelb-rote Karte. Den Strafstoß verwandelte die Verteidigerin Dominique Janssen (62. Minute) souverän.

VfL Wolfsburg in der Champions League: Erst in Zeitlupe und aus verschiedenen Winkeln war genau zu sehen, dass Marina Hegering im Duell mit Sakina Karchaoui den Ball berührt hatte.

Erst in Zeitlupe und aus verschiedenen Winkeln war genau zu sehen, dass Marina Hegering im Duell mit Sakina Karchaoui den Ball berührt hatte.

(Foto: JB Autissier/Panoramic/Imago)

Bereits das zweite Mal profitierten die Wolfsburgerinnen in diesem chancenarmen Spiel vom Videoassistenten. In der 54. Minute hatte Welch nach einem vermeintlichen Foul von Marina Hegering an Sakina Karchaoui zunächst auf Elfmeter für die Gastgeberinnen entschieden, dann meldete sich der VAR, der eine Ballberührung Hegerings erkannte - die Entscheidung wurde korrigiert. Noch am Abend zuvor hatte Arsenal-Coach Jonas Eidevall den Umgang mit der Technik kritisiert: "Offensichtlich funktioniert der VAR in der Arena heute Abend nicht, oder jemand hat sich die Bilder nicht angeschaut." Stroot vermutete, dass die Uefa das vor der zweiten Viertelfinalrunde intern thematisiert haben könnte.

Dieses 1:0 fügte sich in eine Reihe gleichlautender Ergebnisse in den Partien AS Rom gegen Barcelona, Bayern gegen Arsenal, Lyon gegen Chelsea. Und es machte ein mögliches deutsches Halbfinale wahrscheinlicher: Setzen sich Wolfsburg und Bayern in ihren Rückspielen durch, treffen die beiden Dauerrivalen auch in der Königsklasse aufeinander, wie am 15. April im Pokal-Halbfinale - und am Samstag im Bundesliga-Spitzenspiel (17.55 Uhr, ARD) im ausverkauften Münchner Campus-Stadion.

Nach 15 von 22 Spieltagen liegen die Wolfsburgerinnen mit 42 Punkten knapp vor den Münchnerinnen (40), das Duell könnte vorentscheidend im Titelrennen sein. Das Hinspiel im Oktober gewann der VfL 2:1. Eigentlich galt die Meisterschaft bereits als entschieden, doch nach der ersten Wolfsburger Saisonniederlage Anfang März gegen Hoffenheim glauben sie beim FC Bayern wieder an ihre Chance. Wolfsburg stellt mit 52 Toren die beste Offensive, München mit nur vier Gegentreffern die beste Defensive - die Hälfte davon ging aufs Konto des VfL.

Nicht zuletzt deshalb war die unerwartet schnelle Rückkehr von Lena Oberdorf so eine gute Nachricht. Trainer Stroot ging am Donnerstag davon aus, dass sie in München von Anfang an einsetzbar sein wird. Daraus ließ sich nun kaum ein weiteres Geheimnis machen. Auf eine seiner wichtigsten Spielerinnen dürfte sich der VfL Wolfsburg am Wochenende also verlassen können - auf den VAR hingegen weniger: Den gibt es in der Frauen-Bundesliga noch nicht.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusFußballerinnen des FC Bayern
:"Der Druck auf die Vereine sollte erhöht werden"

Bianca Rech, Sportliche Leiterin beim FC Bayern, spricht vor dem Champions-League-Viertelfinale über die Entwicklung des Frauenfußballs, die Auswirkungen des EM-Hypes - und sie fordert mehr Zug bei der Professionalisierung.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: