Ô Cólùmnãò:Der 34er ist jetzt weg

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In Rio ballt sich alles an der Kreuzung Bandeirantes/Palme, der Einfahrt ins Herz Olympias. Ausgerechnet hier dürfen keine Autos fahren - ohne Ausnahme, selbst, wenn es um Gold geht.

Von Volker Kreisl

Taxi- und Busgeschichten sind alt. Überall, wo Olympia ausgerichtet wird, passiert etwas Lustiges mit überforderten Shuttle-Chauffeuren. Letztlich ist es immer dasselbe, auch in Rio. Was vielleicht noch geht, sind Kreuzungsgeschichten, zum Beispiel über die Kreuzung Estrada dos Bandeirantes/Avenida Olof Palme.

Die Bandeirantes/Palme ist eine Schlüsselstelle in Rio-Barra. Über sie verläuft eine der wichtigsten Zufahrten ins Herz Olympias, zum Haupt-Pressezentrum, zum Athletendorf, zum Busbahnhof - alles allerdings noch vier Kilometer von der Kreuzung entfernt. Und: Die Einfahrt ist seit Beginn der Spiele für Autos und Taxis gesperrt, warum, weiß keiner; manche sagen Verkehrslenkung, manche Sicherheit.

Wer in einem Presse-Bus mit Durchfahrtsschein sitzt, kommt deshalb aber auch nicht glatt durch, denn an der Bandeirantes/Palme geschieht eins nach dem anderen, und es ist egal, ob man ein sehr wichtiger, eiliger Reporter ist. Die Sperre besteht aus zehn rot-weißen Kegeln und einigen Menschen: Polizisten, Helfer, ausgestiegene aufgebrachte Autofahrer und ältere Herren, die gerne dort stehen, wo was los ist. Der Bus muss anhalten, weil vor ihm ein Autofahrer ohne Lizenz die Durchfahrt verstopft und diskutiert. Der 34er zum Hockeyspiel geht in fünf Minuten am Busbahnhof, das wäre noch zu schaffen. Einer der Polizisten unterhält sich freundlich mit dem Fahrer ohne Lizenz.

Neben dem Polizisten ist durch die Absperrkegel eine künstliche Haltebucht entstanden, darin stoppen gerne abrupt Taxifahrer, die ihren Gästen versprochen hatten, zum Pressezentrum zu kommen, nun aber nicht mehr weiter wissen und sofort ihr Geld verlangen, wie neulich nach einer Fahrt vom Deutschen Haus. Man steht dann blöd herum auf der Bandeirantes/Palme.

Zwei Minuten sind vorbei, die beiden da vorne sind weiter ins Gespräch vertieft. Im Bus wird es nun lauter, schnell auf und zu klappende Finger werden gezeigt, einer ruft ein böses einsilbiges englisches Wort. Der Busfahrer macht keine Regung zu hupen. Beim Hockey geht's um den Einzug ins Finale, um Gold.

Brasilien ist halt anders. Man redet noch miteinander, statt nur an die Arbeit zu denken, und das ist eigentlich schön. Der Blick links aus dem Fenster fällt auf eine kleine Baustelle auf einer von zwei Spuren der Bandeirantes, die den Stau aus dem Westen noch verschärft. Zwei Arbeiter verteilen frischen Teer in ein Schlagloch, das wohl von bremsenden und abfahrenden Lkw-Reifen gegraben wurde. Betreut werden sie von drei im Lärm plauschenden Aufpassern. Der 34er ist jetzt weg.

Ein Arbeiter zieht den Teer mit einem Rechen und viel Liebe glatt, der andere kratzt die übrig gebliebenen schwarzen Steinchen zusammen, Bahn für Bahn. Stein für Stein. Teer statt Gold. Die Sonne scheint durchs Fenster, die Augen fallen zu. Was soll's. Kratz. Kratz.

Dann ein Ruck, der Bus fährt an. Schade, war gerade so gemütlich auf der Bandeirantes/Palme.

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