Süddeutsche Zeitung

Nürnbergs Gegner?:Defensivrekord

Der FC Ingolstadt belegt nach stabilen Auftritten den Relegationsplatz der dritten Liga - und sieht sich dennoch weiter in der Rolle des Jägers.

Von Johannes Kirchmeier

Mit der Hand Gottes von Diego Maradona haben Marco Knallers Hände eigentlich wenig gemein. Knaller, 33, ist Ersatztorwart beim FC Ingolstadt in der dritten Fußball-Liga - und wird wohl eher kein WM-Viertelfinale mehr in seinem Leben bestreiten. Anders als Maradona - einer der weltbesten Fußballer überhaupt -, der vor etwas mehr als 34 Jahren die linke Hand zu Hilfe nahm, um ein Tor gegen England zu erzielen. Und so seine Argentinier ins Halbfinale und später zum Titelgewinn führte. Der Schiedsrichter übersah damals den Regelverstoß.

Keine Frage, Knaller und Maradona - das sind zwei unterschiedliche Fußball-Kaliber. Und doch war die linke Hand Knallers am Sonntag beim 2:0 (1:0) seines Klubs beim SV Meppen ähnlich bedeutend wie einst die zur Gotteshand verklärte Maradonas: Meppens Steffen Puttkammer köpfte den Ball in der 29. Minute aus wenigen Metern aussichtsreich aufs Tor, dann schnellte Knallers Pranke nach oben. Der Österreicher bewahrte sein Team - als Torwart natürlich regelkonform! - damit vor dem fixen Ausgleich. Seit drei Jahren spielt er in Ingolstadt, er war nicht immer frei von Fehlern, starke Reflexe hat er aber im Repertoire: "Die verliert man ja auch nicht so schnell", sagte er bei Magenta Sport.

35 Spiele begann er ja zuletzt auf der Bank. In Meppen rückte er für Fabijan Buntic ins Tor, weil der sich vor einer Woche eine Schädelprellung zugezogen hatte und noch nicht spielen konnte. Aber auch Knaller ist in Form - so wie derzeit die gesamte Mannschaft. Sie blieb im sechsten Spiel in Serie ohne Gegentor (Vereinsrekord) und ist seit acht Partien ungeschlagen.

In dieser Zeit waren nur der nicht aufstiegsberechtigte Tabellenführer FC Bayern II und der Zweite Würzburg stärker. Ingolstadt lauert mit 60 Punkten hinter Braunschweig (61) auf dem Relegationsplatz, zwei Zähler liegt der FCI wiederum vor Duisburg. Trainer Tomas Oral sieht sich im Endspurt weiter "als Jäger" statt als Gejagter. Zwei Spieltage vor dem Ende wären die Ingolstädter aber nun trotzdem das Team, das den 1. FC Nürnberg in einer Saisonverlängerung um den letzten Zweitliga-Platz (zwei Partien am 7. und 11. Juli) fordern würde. Die Oberbayern haben ja noch eine Rechnung in der Relegation offen: Vor einem Jahr waren sie als Zweitliga-Absteiger dem SV Wehen Wiesbaden eben dort knapp unterlegen. Aber so solide, wie sie sich präsentieren, wären sie jetzt wohl selbst ein ebenbürtiger Herausforderer.

Dass Ingolstadt nach einer schwachen Zeit zu Jahresbeginn wieder in Schuss ist, hat viel mit dem neuen Trainer Oral zu tun, der sein Team wenige Tage vor der virusbedingten Pause übernahm. In den Wochen des Lockdowns weckte er die lange vermisste defensive Stabilität und zudem einen Kampfgeist, der die Mannschaft auch in Meppen auszeichnete. Die spielstarken Gastgeber bestimmten die Partie zwar, hatten Chancen, um nach Stefan Kutschkes Führungstor (17. Minute) zurückzukommen. Doch die Treffer machte am Sonntag Ingolstadt - bezeichnenderweise jeweils nach einem Ballgewinn in der Defensive und folgenden starken Steilpässen von Maximilian Beister sowie Marcel Gaus im Konter. Seine Mannschaft habe sich "mit Haut und Haaren für dieses Ergebnis zerrissen", fand Oral. Immer wieder schmissen sich seine Spieler in die Angriffsbälle der Meppener. Das 2:0 von Dennis Eckert Ayensa feierte Oral dann mit Maximilian Wolfram und Gaus stürmisch auf dem Feld (90.). Eckert Ayensa traf nach sechs Partien ohne Tor wieder und kommt wie Kutschke, der mit muskulären Problemen ausgewechselt werden musste, auf 13 Saisontreffer.

Trotz der Erfolge warnt Oral - in seiner wohlbekannten Art als Psychologe und Taktiker - vor dem letzten Liga-Heimspiel gegen den abstiegsbedrohten 1. FC Magdeburg am Mittwoch (19 Uhr): "Wenn wir bestehen wollen, müssen wir in allen Bereichen eine Schippe drauflegen. Von der Konzentration her und von der Art, wie wir Fußball spielen, noch einen Tick zulegen." Das liegt daran, dass in der engen Tabelle nur Siege weiterhelfen, um nicht wieder vom Relegationsplatz zu purzeln und auch, um ein Endspiel beim fünf Punkte schlechteren TSV 1860 München am letzten Spieltag zu vermeiden. Zudem weiß Oral: Daheim im Sportpark tut sich das auswärtsstärkste Team der Liga fast schon traditionell schwer mit dem Punkten. Das 2:0 gegen Mannheim vor einer Woche war der erste Erfolg seit dem 1. Februar, soll aber nicht der letzte der Saison gewesen sein. Ob die Hand Knallers gegen Magdeburg wieder eine Rolle spielt, ist jedoch fraglich. Kollege Buntic trainiert bereits wieder voll mit.

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SZ vom 30.06.2020
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