Süddeutsche Zeitung

1. FC Nürnberg:Hecking ändert seinen Lebensplan

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Nach dem 0:5 in Heidenheim trennt sich der Club von Markus Weinzierl. Sportvorstand Dieter Hecking übernimmt nun selbst, obwohl er gar nicht mehr als Trainer arbeiten wollte. Damit geht er persönlich ins Risiko - und will etwas beweisen.

Von Christoph Ruf, Nürnberg/München

Irgendwo zwischen den östlichen Ausläufern der Schwäbischen Alb und dem Mittelfränkischen muss Dieter Hecking die Ahnung beschlichen haben, dass das, was in den darauffolgenden Stunden passieren würde, auch für ihn selbst unangenehme Konsequenzen haben würde. Denn eigentlich wollte der Nürnberger Sportvorstand partout in diesem Leben nicht mehr als Trainer arbeiten, wie er bei einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz am Montag betonte: "Mein Lebensplan hatte es nicht vorgesehen, dass ich noch mal auf die Trainerbank zurückkehre." Nun, nach der Entlassung von Markus Weinzierl, wird er genau das tun.

Und das auch noch aus eigenem Verschulden. Schließlich hat Heckings eigener Sinneswandel Weinzierl ja erst den Job gekostet. Auf der Rückfahrt von der Zweitligapartie in Heidenheim hatte Hecking, der dem Niederbayern kurz nach der 0:5-Niederlage noch branchenüblich den Rücken gestärkt hatte, noch einmal Bilanz gezogen. Und die fiel nicht gut, aber immerhin wirklichkeitsgetreu aus: "Es war wirklich wenig, was ich gesehen habe. In dem Spiel und in den Spielen zuvor hat die Mannschaft relativ mutlos agiert. Ein Weiter-so hätte da keinem geholfen", vermutet Hecking, der das noch einmal mit einem plakativen Vergleich unterstrich: "Ich sehe es so, dass wir in einem Auto gegen die Wand fahren, und die Wand ist schon kurz vorm Auto."

Im Gegensatz zu Weinzierl, der unter vier Augen argumentierte, der Kader gebe nicht mehr her als den derzeitigen Tabellenplatz, traut Hecking selbst der Mannschaft vor allem spielerisch mehr zu. Vorausgesetzt allerdings, sie wird anders ein- und aufgestellt: "In Heidenheim haben wir mit vier Sechsern gespielt. Ich finde: Offensivspieler sollten auch auf dem Platz stehen." Das war im Übrigen nur eine von vielen Stellen, an denen Hecking überraschend deutliche Kritik an seinem Vorgänger übte.

Künftig, unter Hecking, soll die Mannschaft nun also aktiver spielen, mit mehr Mut nach vorne und mit den Instrumenten, die auch hoch veranlagten Spielern wie Mats Möller-Daehli erlauben, aus einem nun schon lange andauernden Formtief heraus zu kommen. Überhaupt konnte Hecking, der den FCN von 2009 bis 2012 in der ersten Liga etabliert hatte, nur schwer verbergen, dass er meist anders aufgestellt hätte als der Fußball-Konservative Weinzierl.

Vom bisherigen U23-Trainer Christian Fiél als Assistent erhofft sich Hecking "frische Energie"

In dem muss allerdings auch Hecking selbst mehr gesehen haben, als er ihn im Oktober anheuerte. Doch von elf Zweitligaspielen unter der Leitung des langjährigen Augsburger Coachs gewann der Club nur drei. Die meisten Spiele waren zudem passiv und unansehnlich, nie hatte man den Eindruck, als könne der von ihm verordnete Fußball das notorisch harmlose Offensivspiel aktivieren. Zuletzt reihte Weinzierl zudem ein hilfloses Statement an das andere. "Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass du dich hier mit allem, was du hast, wehren musst", sagte er beispielsweise in Heidenheim. Und: "So ein Spiel darfst du nicht abliefern."

Dass man das kaum anders sehen konnte, hat Weinzierl den Job gekostet. Hecking wird das Traineramt nun zusammen mit Christian Fiél übernehmen, dem temperamentvollen Coach der U23-Mannschaft, die in der Regionalliga Bayern durch mutigen, attraktiven und erfolgreichen Fußball überzeugt. Von Fiél erhofft sich Hecking "frische Energie", "eine andere Ansprache" und dass "er die Mannschaft mit seiner enthusiastischen Art mitreißen kann".

Offenbar ist Fiél, dessen Fußball-Philosophie Hecking teilt, im Idealfall auch als künftiger Cheftrainer eine Möglichkeit. Hecking jedenfalls soll definitiv nur bis Sommer die Doppelfunktion innehaben. Und geht damit offenbar für sich selbst ein höheres Risiko ein, als wenn er einen dritten externen Coach berufen hätte. Zumindest dementierte Aufsichtsratschef Thomas Grethlein diese Interpretation demonstrativ nicht: "Er stellt seinen Job damit auch zur Disposition, das muss man schon offen sagen."

Finanzielle Gründe waren offenbar nicht ausschlaggebend für die Entscheidung, nun nicht nach dem dritten externen Trainer in dieser Spielzeit zu fahnden. Dabei müssen nun sowohl der im Oktober freigestellte Robert Klauß als auch Weinzierl bis 2024 weiterbezahlt werden. Der Aufsichtsratsvorsitzende Grethlein betonte indes am Montag, dank des Weiterkommens im Pokal hätte man auch eine Lösung von außerhalb finanzieren können. Doch dem Gremium, das am Sonntagabend zwei Stunden tagte, habe imponiert, dass Hecking die Bereitschaft gezeigt habe, aus dem auch von ihm selbst zusammengestellten Kader mehr herauszuholen, als das seine Vorgänger geschafft haben. "Wir begrüßen es, dass er den Mut hat und Vertrauen in seinen Kader hat."

Die Kontrolleure hätten sich am Sonntag aber auch einige grundsätzliche Fragen gestellt. Auch nach der eigenen Verantwortung und dem Betriebsklima im Fränkischen. Junge Spieler würden nach Fehlpässen "relativ schnell ausgepfiffen. Da sind wir schon ein bisschen ungnädig im Umfeld. Da steigt der Druck schnell". Dieter Hecking ist nun umfassend gefordert.

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