Sonntagsspiele der Bundesliga:Geheilt von der Wutrede

Bruno Labbadia braucht diesmal nicht sauer zu sein: Sein VfB Stuttgart gewinnt dank einer disziplinierten Vorstellung mit 1:0 beim Hamburger SV. Die fahrigen Norddeutschen können die Partie nach dem Rückstand durch Ibisevic nicht mehr drehen. Im Bayernderby zwischen Nürnberg und Augsburg quälen beide Teams die Zuschauer mit fadem Herbstfußball.

Hamburger SV v VfB Stuttgart - Bundesliga

Fröhliche Stuttgarter, frustrierter HSV: Der Sonntagabend brachte unterschiedliche Gefühle zum Ausdruck. 

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Es war ja zuletzt wieder alles besser geworden an der Waterkant: Rafael van der Vaart kehrte als Stadtheiliger zurück, das Wetter präsentierte sich herbstlich mild und der HSV schickte sich an, endlich aus den unteren Tabellengefilden herauszukriechen. Doch dieses kurze Hoch scheint nun auch wieder schnell verflogen. Der VfB Stuttgart hat den Aufwärtstrend des Hamburger SV durch einen 1:0 (1:0)-Auswärtssieg beendet. Die Mannschaft von Trainer Bruno Labbadia kam durch das Tor von Vedad Ibisevic (30.) zu ihrem völlig verdienten zweiten Saisonsieg und verbesserte sich dadurch auf den zwölften Tabellenplatz.

Die Norddeutschen verpassten dagegen durch die zweite Heimniederlage den möglichen Sprung auf Platz vier und landeten schmerzhaft in einer erneuten Frustphase. "Das holt den einen oder anderen wieder runter, der schon wieder an die Europa League denkt. Wir wollen realistisch bleiben. Unser Ziel sind die Top Ten", meinte HSV-Trainer Thorsten Fink. "Der Sieg tut uns sehr gut. Das war heute eine sensationelle Leistung. Wir haben in allen Belangen den HSV beherrscht", lobte VfB-Coach Bruno Labbadia seine Elf.

Schon vor der Partie hatte Stuttgarts Sportdirektor Fredi Bobic eine baldige Vertragsverlängerung mit Labbadia angekündigt, der nach dem holprigen Saisonstart und seiner Wutrede vor zwei Wochen in die Kritik geraten war. "Ich habe mich frühzeitig mit ihm zusammengesetzt. Die Gespräche werden zu einem positiven Ausgang kommen", sagte Bobic beim TV-Sender Sky: "Für uns ist das auch kein großes Thema, weil wir uns vertrauen und ich auch sehe, was er für eine gute Arbeit leistet."

Das bewies Labbadia auch beim Spiel in Hamburg, wo er mit seiner Taktik den Gegner vor große Probleme stellte. Der VfB attackierte früh den Spielaufbau, war zupackender in den Zweikämpfen und ließ die Hamburger im ersten Durchgang so gut wie überhaupt nicht ins Spiel kommen. Die Aussicht, durch einen Sieg in der Tabelle ganz nach vorne zu rücken, lähmte die Gastgeber anscheinend zusätzlich, statt sie nach vorne zu treiben. Die Schwaben, die zuvor erst einmal gewonnen hatten, wirkten selbstbewusster und spritziger als die Hamburger, die vor der Länderspielpause aus vier Spielen ohne Niederlage zehn Punkte gesammelt hatten.

Der Däne William Kvist schränkte außerdem durch konsequente Deckung die Krise von HSV-Spielmacher Rafael van der Vaart ein. Schon nach 1:12 Minuten konnte sich der HSV bei Torwart Rene Adler bedanken, dass er nicht ganz früh in Rückstand geriet. Der Schlussmann behielt gegen den frei vor ihm aufgetauchten Martin Harnik die Ruhe und klärte im direkten Duell. Nach einer Viertelstunde hatte dann erstmals Ibisevic die Chance zu einem Tor, er zögerte aber frei stehend nach einem Querpass von Christian Gentner etwas zu lange und schoss schließlich aus zwölf Metern vorbei.

Die Gäste-Führung nach einer halben Stunde war deshalb völlig verdient. Ausgangspunkt war ein Ballverlust von Artjoms Rudnevs, Christian Gentner spielte rechts außen Harnik an, dessen Querpass Ibisevic vor Verteidiger Michael Mancienne erreichte. Adler war beim Schuss des Stürmers chancenlos. Erst in der 45. Minute wurde es vor dem VfB-Tor gefährlich, als Milan Badelj aus 20 Metern nur die Latte traf. Der anschließende Kopfball-Treffer von Rudnevs wurde wegen Abseitsstellung zu Recht nicht anerkannt. Nach der Pause brachte HSV-Trainer Thorsten Fink den schnellen Maximilian Beister, dessen Einwechselung sich in der 58. Minute fast schon ausgezahlt hätte. Seinen Schuss konnte Sven Ulreich nur mit Mühe klären, den anschließenden Kopfball platzierte Marcell Jansen auf dem Tornetz.

Die Hamburger wirkten insgesamt nun etwas zielstrebiger auf dem Weg nach vorne, klare Chancen konnten sie sich aber zunächst nicht herausspielen. Dafür verpasste Raphael Holzhäuser (65.) die mögliche Vorentscheidung, als sein Schuss nur um Zentimeter am HSV-Tor vorbeistrich. In der 81. Minute hatten Rudnevs und Heung-Min Son noch einmal den Ausgleich auf dem Fuß, doch Ulreich parierte zweimal in Folge klasse.

Tristesse im Bayernderby

Nach vier Niederlagen in Serie bezog der 1. FC Nürnberg vor dem Heimspiel gegen den FC Augsburg seine Hoffnung vor allem aus der Statistik. In der vergangenen Spielzeit (1:0, 0:0) und auch in der Relegation der Saison 2010/11 (1:0, 2:0) hatte der Club gegen den FCA nie verloren. Dabei blieb es am Sonntagnachmittag - es kam im Nürnberger Lager allerdings kaum einer auf die Idee, das 0:0 im fränkisch-schwäbischen Derby als Erfolg zu werten.

1. FC Nuernberg - FC Augsburg

Fußball der weniger genussvollen Sorte: Zwischen Nürnberg und Augsburg passierte kaum etwas.

(Foto: dapd)

"Wir wollen euch kämpfen seh'n", der Gassenhauer der Enttäuschten, hallte unmissverständlich durchs Stadion, was allerdings wenig nachvollziehbar war; nicht zufrieden konnte eigentlich nur sein, wer die Nürnberger spielen sehen wollte.

"Ich glaube, die Mannschaft hat gekämpft", sagte Nürnbergs Kapitän und Torwart Raphael Schäfer, der zur Pause mit erneut aufgetretenen Achillessehnenproblemen ausgewechselt worden war und an diesem Montag zur Kernspintomografie muss: "Dass die Fans diese Meinung haben, müssen wir akzeptieren." Trainer Dieter Hecking hingegen stellte fest, man müsse die Anhänger "eigentlich sogar loben, dass sie so lange durchgehalten haben".

Der Wille sei schon da gewesen, "aber dann hatten wir wieder viele kleine Fehler, keine Sicherheit im Spiel und in der zweiten Halbzeit zwei Mal Riesenglück". Er sei "zufrieden, dass die Innenverteidigung heute im Großen und Ganzen gut" gestanden sei, "alles andere müssen wir uns neu erarbeiten". Die Krisenstimmung rund ums Frankenstadion wird nach diesem Spiel nicht abklingen.

In der ersten Hälfte war lange gar nichts geboten. Dass sich die freche Augsburger Ankündigung, auf Auswärtssieg spielen zu wollen, nicht umgehend in fröhlichem Offensivfußball äußerte, war keine besonders große Überraschung. Doch wie schwer sich die Nürnberger taten, ihr Spiel aufzubauen, war dann doch deprimierend.

Die Niederlagenserie steckte ihnen spürbar in den Knochen. Timm Klose und Per Nilsson war bei der Spieleröffnung die Verunsicherung deutlich anzumerken - kein Wunder angesichts der vielen Patzer, die sich verschiedene Nürnberger Innenverteidiger in den vergangenen Spielen geleistet hatten.

Und die Sechser Timmy Simons und Hanno Balitsch wurden von den nachsetzenden Augsburgern immer wieder aus dem Spiel genommen. Das Resultat war ein zähes Gekicke voller Ballverluste, Sicherheits- und Fehlpässe, weiter Schläge und Spielunterbrechungen. Den ersten sehenswerten Spielzug boten nach einer halben Stunde die Augsburger: Der wiedergenesene Torsten Oehrl, für Jan Moravek ins Team gekommen, setzte Knowledge Musona ein, dessen Schuss parierte Schäfer.

Nach der Pause stand für ihn der 19-jährige Patrick Rakovsky im Club-Tor. Die Partie wurde nun spielerisch besser - und aufgrund einiger Tormöglichkeiten vor allem deutlich unterhaltsamer. Timo Gebhart (52.) und Hiroshi Kiyotake (55.) hatten Gelegenheiten für Nürnberg. Für die aufregendste Szene sorgte allerdings Rakovsky nach einer Stunde.

Nach einem Eckstoß bekam er den Ball nicht zu fassen und verursachte so eine Dreifachchance. Erst scheiterte der eingewechselte Aristide Bancé am Bein von Simons, dann wurde Oehrls Schuss von Klose geblockt, dann Tobias Werners Versuch von Nilsson.

Nach dieser Szene wurden die Augsburger plötzlich deutlich mutiger und zeigten endlich, dass sie ihren Wunsch nach einem Sieg doch mit Taten unterstreichen wollten. Ratkovsky machte seinen Fehlgriff wieder gut, als er einen Kopfball von Bancé aus kürzester Distanz akrobatisch auf der Linie parierte (67.). Diesen Szenen trauerte der FCA ausgiebig nach. "Wenn wir in Führung gehen, gewinnen wir", meinte Oehrl, der nach fünf Zählern aus drei Partien aber meinte: "Unser Weg zeigt nach oben." Und Trainer Markus Weinzierl fand es "schade, dass wir große Chancen liegengelassen haben".

Heckings Versuch, mit den Einwechslungen von Alexander Esswein und Sebastian Polter noch einmal für offensive Akzente zu sorgen, misslang; ohne auf Sieg zu spielen, machten die Augsburger weiter den gefährlicheren Eindruck. Von ihrer Ankündigung, gewinnen zu wollen, bleib allerdings auch wenig übrig: Kurz vor Schluss brachte Augsburgs Trainer Markus Weinzierl noch den defensiveren Jan-Ingwer Callsen-Bracker für Oehrl.

Es war bereits das dritte torlose Remis der Augsburger in dieser Spielzeit. Ein letzter Aufschrei ging bei einer Einzelaktion von Polter durchs Stadion, doch als es ernst wurde, legte er sich das Spielgerät zu weit vor. Das passte bestens zu diesem Nachmittag, den Schäfer kompakt und ernüchternd zusammenfasste: "Uns fehlt diese gemeinsame Spielidee."

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