Nürnberg in der Krise:Der Fußball lässt sich nichts befehlen

Borussia Mönchengladbach - 1. FC Nürnberg

Ratlos: Nürnbergs Hiroshi Kiyotake (li.) und Daniel Ginczek

(Foto: dpa)

Umstrittene Entscheidungen der Schiedsrichter, Schüsse an Pfosten und Latte, Gegentore, die jeder Mannschaft das Herz brechen: In kaum einer anderen Sportart wie dem Fußball kann ein überlegenes Team zweimal hintereinander so klar verlieren wie der 1. FC Nürnberg. Das gefährdet die zuletzt solide Politik der Vereinsführung.

Ein Kommentar von Christof Kneer

Ein paar Synonyme für "Depp": Blödmann, Idiot, Trottel, Hohlkopf, Hampelmann, Vollpfosten, Amateur, Nichtfachmann. Dies ist natürlich nur eine winzige Auswahl, zumal sie mundartliche Kostbarkeiten außer Acht lässt. Im Fränkischen - das nur als Beispiel - würde der Trottel Droddel heißen und der Depp natürlich 1. Fußball-Club Nürnberg Verein für Leibesübungen e.V.

Der Glubb is a Depp, so lautet der Geheimcode, den jeder draufhaben muss, der zur heiligen Gemeinde der Glubberer gehören will. Der Code bezeichnet den ebenso bitteren wie selbstironischen Stolz über die Einzigartigkeit eines Vereins, der 1969 als deutscher Meister abstieg und 30 Jahre später mutig alle mathematischen Gesetze widerlegte. Der Club stieg ab, obwohl es rechnerisch eigentlich gar nicht möglich war.

Dass es im Fußball eine Art von Leid gibt, die der Club-Anhänger noch nicht kennengelernt hat, wurde rechnerisch ebenfalls für unmöglich gehalten, aber selbst für die Gemeinde der Glubberer gilt: Man lernt nie aus. Was dem Club an den vergangenen beiden Wochenenden widerfuhr, weist zudem weit über Nürnberg hinaus; es ist ein schwerer Schlag für alle Trainer, die mit modernster Methodik daran arbeiten, Kategorien wie Glück und Pech aus diesem schönen Spiel zu verbannen. Am Club zeigt der Fußball gerade, dass er sich immer noch nichts befehlen lässt und dass er - wenn er will - immer noch all jene verhöhnen kann, die ihn berechnen wollen.

Die Wahrheit über Fußball: In kaum einer anderen Sportart kann ein überlegenes Team zweimal hintereinander so klar verlieren. Die Nürnberger waren die bessere Elf gegen Freiburg, sie hatten den besseren Plan in Mönchengladbach, sie hatten beide Male deutlich mehr Torchancen. Dem Spiel hat man zweimal angesehen, dass es da einen neuen Trainer gibt, der eine optimistische, schlüssige Idee vom Spiel besitzt. Aber dem Ergebnis hat man nur angesehen, dass sie einmal 0:3 und einmal 1:3 verloren haben.

Selten hat sich so viel Schicksal in zwei Spielen versammelt: ein verweigerter (umstrittener) Elfmeter, ein verweigertes (umstrittenes) Tor, Schüsse an Vollpfosten und Volllatte, ein Schlüsselspieler (Nilsson), der in einer Schlüsselphase verletzt vom Feld muss, zwei gegnerische Keeper, die erbarmungslos Bälle halten, und Gegentore, die jeder Mannschaft das Herz brechen (wie die boshaft einschlagenden Schüsse von Darida/Freiburg und Arango/Gladbach).

Dank professioneller Vereinsführung und solide betriebenen Sports hatte sich der Club zuletzt so weit wie möglich vom Depp entfernt, aber nun muss man gespannt sein, was diese gemeine Verkettung aus Unvermögen und viel Pech mit der immer noch sieglosen Elf anrichtet. Dass im nächsten Spiel ausgerechnet der entlaufene Nürnberger Lieblingstrainer Dieter Hecking mit seinen frisch erblühten Wolfsburgern vorbeischaut, das kann auch nur dem Club passieren.

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