DEL-Topscorer Patrick Reimer hört auf:"Da geht ein ganz, ganz großer Spieler und noch viel größerer Mensch"

DEL-Topscorer Patrick Reimer hört auf: Tränen zum Adieu: Patrick Reimer (rechts) verabschiedet sich von Ice-Tigers-Geschäftsführer Wolfgang Gastner.

Tränen zum Adieu: Patrick Reimer (rechts) verabschiedet sich von Ice-Tigers-Geschäftsführer Wolfgang Gastner.

(Foto: Thomas Hahn/Sportfoto Zink/Imago)

394 Tore, 859 Scorerpunkte: Für Patrick Reimer, 40, bedeutet die 2:4-Niederlage der Nürnberg Ice Tigers gegen Bremerhaven nicht nur das Aus in den Playoffs, sondern auch das Ende seiner herausragenden Eishockey-Karriere.

Von Christian Bernhard

Die ersten Momente waren so wie immer, wenn eine Saison in den Playoffs abrupt zu Ende geht. "Da war diese Leere, die sicherlich auch noch eine Weile anhalten wird", erklärte Patrick Reimer am Freitagabend. Doch schnell war klar, dass es diesmal ganz anders sein würde, als sonst. Spätestens dann, als der 40-jährige Kapitän der Nürnberg Ice Tigers in der Kabine ein paar Worte an seine Mannschaftskameraden richten wollte, was aber "nicht ganz so gut funktioniert" habe, wie er lächelnd auf dem Eis der Nürnberger Arena erklärte.

Für Reimer bedeutete die 2:4-Heimniederlage gegen die Fischtown Pinguins aus Bremerhaven nicht nur das Ende der diesjährigen Playoffs in der Deutschen Eishockey Liga (DEL), sondern auch das Ende seiner Karriere, die man getrost als herausragend bezeichnen kann. Mit seinen 394 Toren und 859 Scorerpunkten ist er in der ewigen DEL-Bestenliste sowohl in Sachen Tore als auch bei den Scorerpunkten die Nummer eins, zudem wurde Reimer dreimal zum Spieler des Jahres gekürt. Auch das ist keinem Spieler vor ihm gelungen. Den DEL-Verantwortlichen ist klar, dass der Liga eine ganz besondere Figur fehlen wird. Reimer sei "ohne Frage ein Gesicht des deutschen Eishockeys der letzten Jahrzehnte", betonte DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke.

Begonnen hatte alles im Dezember 2003, als der Allgäuer im Trikot der Düsseldorfer EG sein DEL-Debüt feierte. Dass er ein Händchen für spezielle Momente haben würde, deutete sich schon früh an, denn bereits 2006 gelang ihm ein besonderes Tor: das letzte im legendären Düsseldorfer Eisstadion an der Brehmstraße. Mehr als acht Jahre lang trug er das Trikot der Rheinländer, ehe er 2012 nach Nürnberg wechselte - und dort bis zum seinem Karriereende blieb. Nur zwei Vereine in mehr als 19 Jahren DEL: Auch das trägt zum Mythos Patrick Reimer bei.

Der Stürmer, dessen sportlich größter Erfolg der Gewinn der olympischen Silbermedaille 2018 in Pyeongchang war, dient auch deshalb als ideales Eishockey-Vorbild, weil ihm nichts geschenkt wurde. Reimer war kein Supertalent, das von Anfang an im Fokus stand. Als er im Kaufbeurer Nachwuchs spielte, wurde er nicht einmal für die Bayern-Auswahl nominiert, für eine der deutschen U-Nationalmannschaften lief er nie auf. Sein Weltmeisterschaftsdebüt gab er im Alter von 29 Jahren. Doch der Spätstarter hinterließ Spuren - speziell in Nürnberg. "Wahnsinn" sei das, sagte der sichtlich gerührte Reimer, als er nach seinem 1069. und letzten DEL-Spiel auf die vollen Ränge blickte und einen besonders liebevollen Blick in Richtung seiner Familie warf, "ohne die das alles nicht möglich gewesen" wäre. Die tiefe Zuneigung der Ice-Tigers-Fans zeige, "dass ich die Jahre hier vieles richtig gemacht habe".

"Da geht ein ganz, ganz großer Spieler und noch viel größerer Mensch", sagt Oliver Mebus

Oliver Mebus, der sieben Spielzeiten mit Reimer in Nürnberg zusammengespielt hat und eng mit ihm befreundet ist, musste während eines TV-Interviews kurz innehalten, weil ihn die Emotionen übermannten. Eine "sehr, sehr emotionale Kiste" sei das, sagte er, "da geht ein ganz, ganz großer Spieler und noch viel größerer Mensch". Als Reimer seine letzten Ehrenrunden drehte, weinte der 2,06-Meter-Hüne hemmungslos. Getröstet wurde er von Marcus Weber, seinem wahrscheinlichen Nachfolger als Ice-Tigers-Kapitän.

Die Saison bewertete Reimer trotz des Pre-Playoff-Ausscheidens positiv, weil "viele Experten uns vor den Saison als Abstiegskandidat gesehen haben - und das haben wir widerlegt". Nun aber müssen die Nürnberger ohne die Führungsqualität und Erfahrung von Reimer auskommen. Sportdirektor Stefan Ustorf ist sich darüber bewusst, dass eine Figur wie Reimer "nicht eins zu eins" ersetzt werden kann, "weder auf dem Eis, noch in der Kabine". Solch ein Verlust könne nur im Kollektiv aufgefangen werden, "in der kommenden Saison und wahrscheinlich auch in den nächsten paar Jahren".

Wichtige Spieler wie MacLeod, Sheehy und Welsh können die Nürnberger nicht halten

Den Ice Tigers steht nicht nur wegen Reimer ein größerer Umbruch bevor als erwünscht, einige Leistungsträger haben das Interesse von finanzkräftigeren DEL-Klubs auf sich gezogen. Nach SZ-Informationen können die Franken wichtige Spieler wie Gregor MacLeod, Tyler Sheehy und Nick Welsh nicht halten, auch Mebus wird die Franken verlassen - in diesem Fall aber eher aus privaten Gründen. Trainer Tom Rowe erhofft sich kommende Saison mehr Tiefe im Kader - und mehr erfahrene Spieler.

Verständlich, denn ab dem Sommer wird er ohne den erfahrensten schlechthin auskommen müssen. Für den beginnt nun ein Leben, dass er so noch nicht kennt. Eishockey habe ihm "bis dato alles" gegeben, sagte Reimer, "größtenteils zumindest" habe es in seinem bisherigen Leben nur Eishockey gegeben. Umso mehr wird er erst einmal die Zeit mit seiner Familie genießen, aber er ist sich sicher, dass er seinen Sport "ziemlich schnell vermissen" wird.

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