Süddeutsche Zeitung

Drohungen gegen Nürnberg-Profis:"Wahnsinn, in welcher Welt wir leben"

  • Zwei Spielern des 1. FC Nürnberg wird vor dem Spiel gegen Hannover indirekt mit Erschießung gedroht.
  • Auf Droh-Plakaten wird gefragt, ob es einen "zweiten Fall Escobar" geben müsse.
  • Der Kolumbianer Andres Escobar wurde 1994 nach einem Eigentor erschossen.

Von Sebastian Fischer

Beim 1. FC Nürnberg wird in diesen Tagen unter besonders vorsichtigen Bedingungen gearbeitet. Der Zweitligist hält seine Trainingseinheiten seit Freitag aus Sorge vor dem Coronavirus unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab, die Spieler nehmen vorerst keine Sponsorentermine mehr wahr. Doch es war nicht die Gefahr durch das Virus, wegen der Nürnbergs Sportvorstand Robert Palikuca am Samstagmorgen mit ernster Miene in die Mikrofone der Reporter sprach. Es ging auch nicht in erster Linie um das 0:3 am Vorabend gegen Hannover 96. Es ging um massive Bedrohungen zweier Profis.

Nach dem Spiel am Freitag hatte der Verein publik gemacht, dass am Morgen vor dem Spiel am Max-Morlock-Stadion und am Trainingsgelände am Valznerweiher rund 50 Droh-Plakate als Zettel und Aufkleber in DIN-A-4-Größe angebracht worden waren. Eines der Motive tauchte später im Internet auf, darauf werden Verteidiger Lukas Mühl und Hanno Behrens als "Anti-Fußballer" bezeichnet, es wird gefragt, wann sich der Verein endlich von ihnen trenne, und zum Schluss heißt es: "Muss es denn einen zweiten Fall Escobar geben?" Der Kolumbianer Andres Escobar wurde 1994 nach einem Eigentor bei der Weltmeisterschaft ermordet. Der Verein erstatte Anzeige, die Polizei ermittelt gegen Unbekannt.

"Es ist schon Wahnsinn, in welcher Welt wir mittlerweile leben, was man alles mitmachen muss, wenn man in der Öffentlichkeit steht", hatte Nürnbergs Trainer Jens Keller nach dem Spiel gesagt: Wir machen die schönste Nebensache der Welt, das ist Fußball. Aber da wird Fußball eine ganz kleine Nebensache." Keller setzte den Fall auch in den Kontext der Geschehnisse vergangenen Bundesliga-Spieltag, den Beleidigungen von Dietmar Hopp. "Was mit Hopp alles passiert ist, und mit den Fadenkreuzen - und dann passiert so etwas", sagte er. Palikuca bemühte sich allerdings, eben diesen Kontext nicht herzustellen. Er betonte, dass die Nürnberger Ultras geholfen hatten, die Plakate am Freitag zu entfernen, bevor die Stadionbesucher sie am Abend hätten sehen können. Und er sagte: "Jemand, der so eine Aktion gemacht hat, das kann kein Fan sein, das kann einfach nur ein verwirrter Vollidiot sein."

Verteidiger Mühl fehlte gegen Hannover mit einer Oberschenkelverletzung, Behrens spielte. Der Kapitän wurde am Freitagmittag informiert. Sportvorstand, Trainer Keller, auch ein Sicherheitsbeauftragter sprachen mit dem Mittelfeldspieler, der sich danach trotzdem bereit erklärte, aufzulaufen. Die Mannschaft wusste vor dem Spiel laut Palikuca nichts davon.

Es soll nun mit Sport weitergehen beim Vorjahres-Absteiger aus der Bundesliga, der vier Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge hat. "Unser Thema bleibt der Fußball", sagte Palikuca. Die Spieler würden in Zusammenarbeit mit der Polizei geschützt. Die Mannschaft war am Samstag zum Auslaufen am Trainingsgelände. Hanno Behrens lief voran.

Mit Material von DPA und SID

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SZ vom 08.03.2020 / SZ/schm
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