Nürnberg:Bittere Botschaft aus dem Keller

Der früheste Platzverweis in der Liga-Historie der Franken ist wegweisend für die 1:2-Niederlage bei den fast schon geretteten Düsseldorfern.

Von Philipp Selldorf, Düsseldorf

Der Held des Abends wehrte sich, so gut er konnte, aber es gab kein Entkommen. Kaan Ayhan musste singen. Ganz allein mit Mikrofon vor der Fankurve. Er tat das laut und leidenschaftlich, aber es hat schon seine Gründe, warum Ayhan Fußballer geworden ist und nicht Künstler. Weshalb der Düsseldorfer Abwehrspieler nach diesem Abend im Rheinstadion als Schütze des Siegtores zum 2:1 gegen den 1. FC Nürnberg in Erinnerung bleibt und nicht als Sänger.

Die Spieler des 1. FC Nürnberg bekamen von der Zugabe nichts mehr mit, sie hatten den Rasen bereits verlassen, auf dem sich ein weiteres Unglück dieser an Unglücken reichen Saison ereignet hatte. Im Duell der Aufsteiger hatten die Clubberer eine ehrenwerte Leistung geboten und alle Energie geopfert, die sie besaßen, trotzdem waren sie die hoffnungslos unterlegene Elf. Und nach dem Abpfiff bilden sie nun doch wieder das Schlusslicht der Liga.

Keine vier Minuten waren gespielt, da geriet Nürnberg bereits in Rückstand. Mittelfeldspieler Matheus Pereira hatte sich beim Düsseldorfer Linksverteidiger Niko Gießelmann auf unfeine Art für ein hartes Foul revanchiert - indem er ihm einen Hieb unter die Gürtellinie versetzte. Schiedsrichter Sascha Stegemann hatte den Vorfall nicht beobachtet, allerdings informierte ihn seine Kollegin Bibiana Steinhaus via Funk aus dem Kölner Videokeller. Prompt zog Stegemann die rote Karte, und die Nürnberger mussten das nahezu noch komplette Spiel in Unterzahl bestreiten. Ein Akt der Selbstverstümmelung. Das interne Echo auf den frühesten Platzverweis in Nürnbergs Bundesliga-Historie fiel später anklagend aus: "Du schwächst damit dein Team", stellte Kapitän Hanno Behrens fest: "Das konnte man sich vielleicht mal früher erlauben, doch heutzutage ist doch auf Video alles zu sehen."

"Gegen neun Mann anzulaufen, ist für uns nicht so leicht, weil wir fußballerisch limitiert sind."

Die Fortuna, von Trainer Friedhelm Funkel betont offensiv formiert, nahm mit dem Platzverweis die Favoritenrolle an. Dominant und selbstbewusst wie ein Spitzenteam traten die Düsseldorfer auf, ließen den Ball gut laufen, die letzte Konsequenz allerdings vermissen. Mitunter richteten sich die belagerten Nürnberger mehrheitlich am Fünf-Meter-Raum ein, um ihr Tor zu schützen, es sah fast aus, als ob ihnen der Festungsfußball Erfüllung bieten würde. Der nötige Spaß kam plötzlich dazu, als Eduard Löwen einen von Torwart Christian Mathenia eingeleiteten Zufallsangriff mit einem wunderbaren Treffer krönte. Seinem 20-Meter-Schuss konnte Jaroslav Drobny nur hinterher schauen (41.). Den Ball hätte niemand, auch nicht der kurzfristig erkrankt ausgefallene Michael Rensing gehalten. Nun muss Rensing schnellstmöglich wieder ran, der 39-jährige Drobny beendete sein Intermezzo mit bitterer Diagnose - Bruch der linken Mittelhand.

In der zweiten Hälfte setzte sich die Inszenierung im Kern auf gleiche Weise fort: Der Club verteidigte, die Fortuna kreiselte um den Strafraum. David Kownacki kam frei zum Schuss, doch Mathenia wehrte ab (48.). Mit seiner Zuverlässigkeit war der Torwart die zentrale Figur im Nürnberger Bollwerk, das durchaus stabil stand. Warum das so war, erklärte Düsseldorfs Trainer Funkel nach Abpfiff mit realistischer Selbstironie: "Gegen neun Mann anzulaufen, das ist für uns nicht so leicht, weil wir fußballerisch limitiert sind."

Es hatte dann auch erst ein Nürnberger kommen müssen, um das eigene Bollwerk zu knacken. Innenverteidiger Ewerton hieß der Unglückliche, der einen Kopfball mit faszinierender Genauigkeit über Mathenia hinweg zum 1:1 in die Ecke verlängerte (61.). Auch von diesem Schicksalsschlag ließen sich die Clubberer unter der Regie ihres Interimstrainers Boris Schommers zunächst nicht umwerfen. Sie wahrten Haltung und verteidigten mit der gleichen Intensität wie zuvor. Umso ärgerlicher, dass das 1:2 aus einem Standard hervorging. Eine Flanke von links nahm Ayhan am ersten Pfosten entgegen, im nächsten Moment schlug der Ball im Toreck ein, dagegen wusste auch Mathenia keine Mittel (84.).

Die Fans der Fortuna bejubelten den Abpfiff, als sei der Klassenerhalt bereits besiegelt. Der mit Friedhelm-Funkel-Sprechchören gefeierte Trainer gab hingegen den Mahner: "Es war ein Schritt, aber wir sind noch nicht durch." Funkel, 65, kennt sich aus: Es war sein 802. Spiel als Profi oder Trainer in der Liga.

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