Nübel und der FC Bayern:Stammplatz auf der Ersatzbank

FC Schalke 04 - Eintracht Frankfurt

Schalke-Torwart Alexander Nübel ist offenkundig auf dem Weg zum FC Bayern.

(Foto: dpa)
  • Torwart Alexander Nübel verlässt am Saisonende Schalke 04 und wechselt mutmaßlich als Manuel-Neuer-Vertreter zum FC Bayern.
  • Sein aktueller Verein, der beim Transfer finanziell leer ausgeht, reagiert mit Unverständnis.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Alexander Nübel war am Samstag live dabei, als sich Schalke 04 und der SC Freiburg einen spannenden Kampf lieferten, den am Ende keiner gewann. Die Parteien gingen beim Stand von 2:2 (1:0) auseinander, beide Seiten fanden das Ergebnis halbwegs in Ordnung. Schalke habe Möglichkeiten zum Sieg gehabt, gab Freiburgs Trainer Christian Streich zu bedenken, aber sein Team hätte zwischenzeitlich auch gut und gerne das 3:1 schießen können. Sein Schalker Kollege David Wagner stimmte, wenn auch bedauernd, zu: "Es ist nicht immer Walt Disney, dass du immer das kriegst, was du verdienst."

Schalkes Torwart und Kapitän Nübel, der wegen seines aufsehenerregenden Fouls am Frankfurter Mijat Gacinovic am Samstag den zweiten Teil seiner Vier-Spiele-Sperre absaß, durfte die eifrig umkämpfte Partie entspannt verfolgen: Einerseits sah er, dass sein Stellvertreter Markus Schubert im Tor gute Dienste leistete, andererseits hatte er dieser Tage bereits in amtlicher Form Abstand genommen von jenem Klub, dem er seit viereinhalb Jahren angehört. Im Laufe der Woche hatte der 23-Jährige die Schalker Klubführung darüber informiert, dass er das vorliegende Vertragsangebot nicht annehmen und den Verein am Saisonende verlassen werde.

Für Schalke ist das ein schwerer Verlust, sportlich und wirtschaftlich. Der Verein büßt viel Geld ein. Nübels Torwartkünste stecken zwar noch in der Entwicklung, dennoch dürfte sein Marktwert an der inflationären Spielerbörse bei mindestens 20 Millionen Euro liegen. Nutznießer der Situation ist offenkundig der FC Bayern. In den Verhandlungen mit Schalke hatten Nübel und sein Berater erklärt, die Entscheidung werde ausschließlich zwischen den Bewerbern aus Gelsenkirchen oder München fallen. Laut Bild soll Nübel einen Fünf-Jahres-Vertrag beim FC Bayern erhalten, mit einer Bestätigung aus der Säbener Straße ist aber erst im neuen Jahr zu rechnen. Damit wäre den Statuten Genüge getan: Formell dürfen Profis erst ein halbes Jahr vor Ablauf ihres Vertrages von einem anderen Klub abgeworben werden. In der Praxis hält sich daran aber praktisch niemand.

Die Enttäuschung über die Ablehnung ist zu hören

Den Bayern ist im Schalker Management niemand böse, die Bundesliga ist ja kein Walt-Disney-Geschäft. Weniger Nachsicht hat man für Nübel übrig. Im Kommuniqué, das der Verein mit Rücksicht auf das Freiburg-Spiel erst am Sonntag verbreitete, erklärte Schalkes Sportvorstand Jochen Schneider, man respektiere das Votum und sei nach Lage der Dinge auch nicht überrascht davon - "verstehen müssen wir seine Entscheidung indes nicht".

Aus dieser für eine amtliche Mitteilung ungewöhnlichen Kritik ist nicht nur die Schalker Enttäuschung über die Ablehnung heraus zu hören, sondern in der Tat Unverständnis über den Karriereweg, den der junge Torwart gewählt hat. Schalke hatte Nübel außer einem hoch dotierten Vertrag auch die Möglichkeit des vorzeitigen Ausstiegs per Sonderklausel vorgelegt, vor allem aber vermochte der Verein etwas zu bieten, das nicht mal die Bayern offerieren konnten: einen Stammplatz in der ersten Mannschaft und eine Ausbildung unter Praxisbedingungen, nach aktuellem Stand sogar mit Bonusspielen im Europacup. Um dieses Ziel zu erreichen, möchten die Schalker im Winter übrigens auch den Augsburger Angreifer Michael Gregoritsch ausleihen, der Transfer ist in der Entwicklung, aber noch nicht vollzogen.

Neuer wird sehr, sehr wahrscheinlich keine Einsatzzeiten aus Güte abtreten

Beim FC Bayern hat Nübel zwar auch die Aussicht auf einen Stammplatz - allerdings auf der Ersatzbank. Das Münchner Tor hütet bekanntlich Manuel Neuer, 33, von dem man weiß, dass er nicht beabsichtigt, seinen Posten in absehbarer Zeit zu räumen. Neuers Vertrag läuft bis 2021, die Verlängerung bis 2023 steht längst zur Debatte. Zwar möchte Neuer vor der Unterschrift wissen, ob die Vorstellungen des Münchner Klubs mit seinen Ambitionen übereinstimmen - er möchte unbedingt noch mal die Champions League gewinnen -, sein Bleiben gilt aber als wahrscheinlich. Sehr, sehr unwahrscheinlich ist es hingegen, dass er aus purer Güte Einsatzzeiten an den zehn Jahre jüngeren Nübel abtreten wird, und sei es nur in der ersten Runde des DFB-Pokals. Darin ist Manuel Neuer noch unerbittlicher als Robert Lewandowski: Er will jedes Spiel bestreiten, im Verein und in der Nationalelf, aus der er, wie zu hören ist, auch keineswegs nach der EM 2020 zurücktreten möchte. Ob es wirklich in Nübels Interesse liegt, bis 2023 drei Jahre lang im Trainingsbetrieb vom großen Meister zu lernen? Die Schalker bezweifeln es.

Zu Beginn der Saison hatte Trainer Wagner Nübel zum Kapitän ernannt, das war seine Entscheidung, sie war aber natürlich mit der Klubführung abgestimmt. Man hoffte, den aus Paderborn stammenden Torwart emotional enger an den Klub zu binden. Ob Nübel das Kapitäns-Amt nun behält, darüber ist noch keine Entscheidung getroffen worden. Vermutlich hält man es aber für opportun, die Spielführerschleife weiterzureichen, denn Nübel muss mit einem ungemütlichen Empfang rechnen, wenn er künftig als Schalker den Rasen betritt - falls er überhaupt noch mal für den Klub spielen wird.

Dessen Anhängerschaft schätzt es seit jeher nicht, wenn ihre Spitzenspieler zum FC Bayern überlaufen, Manuel Neuer wird in Gelsenkirchen auch acht Jahre nach seinem Wechsel in den Süden noch bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen. Dabei bekamen die Schalker bei der Trennung damals immerhin ein sehr hohes Schmerzensgeld (33 Millionen Euro).

Schalkes aktuelles Management ist schuldlos

Nübel hingegen reiht sich nun in die Phalanx jener Schalke-Profis ein, die durch ihren ablösefreien Weggang schweren wirtschaftlichen Schaden hinterließen: Für Joel Matip, Sead Kolasinac, Max Meyer und Leon Goretzka hätten sie im freien Handel viel Geld erlösen können. Sie bekamen: nichts. Profitiert haben stattdessen die Spieler durch immense Handgelder.

Im jüngsten Fall ist das Management schuldlos. Es war der Manager Christian Heidel, der es versäumte, Nübels Vertrag zu verlängern, als dieser noch dazu bereit war. Bis in den Januar 2019 hinein wäre die Unterschrift für ihn selbstverständlich gewesen. Dann aber stieg Nübel zum Stammkeeper auf und erkannte den Vorteil, der im nahenden Vertragsende lag. Finanziell dürfte der sogenannte nächste Schritt zum größeren Verein nicht sein Schaden sein.

Schalke hat mit U 21-Nationaltorwart Schubert zumindest sportlich vorgesorgt.

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