Süddeutsche Zeitung

Dirk Nowitzki:Der Sport bringt noch wahre Vorbilder hervor

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Wer Erfolg haben will, braucht Mut und Disziplin - so war es auch bei Dirk Nowitzki. Die Menschen berührt hat der Basketballer aber mit anderen Eigenschaften.

Kommentar von Holger Gertz

Wer nicht das Glück hatte, den Basketballer Dirk Nowitzki live spielen zu sehen, der kennt ihn wenigstens aus dem Werbefernsehen. Nowitzki wirbt für eine Bank, und tatsächlich scheint die Rolle, die Nowitzki in diesen Spots spielt, abgestimmt zu sein auf den Charakter des Menschen Nowitzki. Mal bekommt der 2,13 Meter-Mann in der Metzgerei eine Scheibe Wurst überreicht, "damit er groß und stark wird". Mal steht er, Stoffschwein in der Hand, im Spielzeugladen rum. Mal hat er im Taxi kein Kleingeld dabei. Die Spots zeigen jemanden, der seine Bedeutung nicht durch eine Inszenierung stützen muss, wie es der Fußballstar Cristiano Ronaldo mit jeder Geste tut. Nowitzki, gesegnet mit einem Gespür für Selbstironie, ist der Lulatsch, der nicht mal vom Taxifahrer erkannt wird. Wer groß ist, darf auch klein sein.

Wie groß dieser Nowitzki tatsächlich ist, erfuhr man gerade bei Nowitzkis allerletztem Heimspiel für die Dallas Mavericks. Da stand er in seinem Trikot mit der berühmten 41, schluckte gegen die Nervosität an, gegen die Tränen. Dann sprach er zu seinem Publikum. Es ist tatsächlich seines: Nowitzki ist 1999 aus seiner Geburtsstadt Würzburg in die amerikanische Profiliga NBA gegangen und hat 21 Spielzeiten für die Mavericks gespielt, nie war er woanders, bis zum Ende der Karriere.

Am Beispiel Nowitzki kann man erkennen, dass der Sport tatsächlich Vorbilder hervorbringen kann, es geschieht nicht oft, aber es geschieht. Nowitzki war vorbildlich diszipliniert im Training, zugleich war er innovativ genug, die Sportart um einen Spezialwurf zu bereichern. 2011 gewann er die NBA-Meisterschaft. Ohne Titel wird niemand zum Helden, mit Titel wird mancher Held dann aber leider größenwahnsinnig.

Zugehörigkeit, Verbundenheit, Treue: So etwas berührt die Leute

In dieser Hinsicht bestand bei Nowitzki, genannt Dirkules, keine Gefahr. Wer Mitspieler, Trainer, Autogrammsammler und sogar Reporter vernünftig behandelt, hebt sich ab von vielen sogenannten Stars. Über dem Eingang zum Centre Court beim Tennisturnier in Wimbledon stehen zwei Zeilen von Kipling: "If you can meet with triumph and disaster / and treat those two impostors just the same." Sehr frei übersetzt: Wenn dir Sieg und Niederlage begegnen und du imstande bist, beide Blender gleich zu behandeln. Das ist der Schlüssel: der Größte sein, aber der Hybris widerstehen.

Viele Größen können es nicht. Verkleinern sich nach der Karriere zu Celebrities. Veredeln fragwürdige Regimes und Politiker mit ihrem Charisma. Der Hochmut lässt sie glauben, dass sie in einer Welt mit eigenen Regeln leben. Aber es geht auch anders: Steffi Graf hat sich nach einer Weltkarriere in die Stille des Privatlebens zurückgezogen. Oder, ein paar Nummern kleiner: Ein Fußballer wie Claudio Pizarro lässt alle Frührentner-Millionen der Scheichtümer und Asiaten links liegen und kehrt, noch einmal, zu seinem Lieblingsverein Werder Bremen zurück. Ewige Liebe ist ihm sicher. Weil es für ihn offenbar etwas gibt, das bedeutsamer ist als Geld: Zugehörigkeit, Verbundenheit, Treue. So etwas berührt die Leute.

Auch Dirk Nowitzki scheint ein treuer Mensch zu sein, gegenüber seinem Verein, seiner Familie, sogar seinem Werbepartner. Als damals der Spot mit der Wurstscheibe rauskam, regten sich die Vegetarier auf, vereinzelt war vom "Wurst-Gate" die Rede. Rückblickend betrachtet war der Wurst-Gate dann zwar ein Schatten, aber kein echter Makel in Nowitzkis Biografie. In jeder Hinsicht: ein Riese.

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Quelle:
SZ vom 12.04.2019
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