Dirk Nowitzki:Ein Basketball-Leben in 21 Saisons

Sept 21 2018 Dallas Mavericks center Dirk Nowitzki 41 enters his 21st year in the NBA Basketball H

Karriereende nach 21 Jahren in der NBA: Dirk Nowitzki blickt auf eine außergewöhnliche Karriere zurück.

(Foto: imago/ZUMA Press)

Die einzigartige Karriere von Dirk Nowitzki - vom Kapitän MacWhirr über eine Hochstaplerin mit acht Namen bis hin zum Triumph im Fieber - erzählt in 21 Episoden.

Von Joachim Mölter

Prolog - März 1998: In San Antonio wird der Hoop Summit ausgetragen, ein jährliches Treffen junger Basketballer aus den USA und dem Rest der Welt; sie spielen den Talentscouts von Colleges und Profiklubs vor. Holger Geschwindner, früher Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, hat Dirk Nowitzki, 19, in der Welt-Auswahl untergebracht; er will sehen, wo sein Schützling steht im Vergleich mit den besten Amis. Nowitzki mischt sie auf, 33 Punkte, 14 Rebounds. Im Mutterland des Basketballs nehmen sie erstmals Notiz von dem Jungen, von dem sie nicht mal wissen, wie sie seinen Namen aussprechen sollen.

Juni 1998: Die Dallas Mavericks sichern sich die Transferrechte an Nowitzki, doch der zweifelt, ob er gut genug ist für die NBA, die beste Liga der Welt; ob er nicht nur gegen die Jungs aus Amerika bestehen kann, sondern auch gegen die Männer. Die Texaner wollen den Würzburger vom Wechsel überzeugen, beim Grillen im Garten von Chefcoach Don Nelson, im Norden von Dallas. Bis in die Nacht hinein sitzt Nowitzki mit Geschwindner, seinem Entdecker, Trainer, Mentor, Berater, am Pool und überlegt: Er kann's ja mal probieren.

Die harte Tour - 1998/99: Wegen eines Tarifstreits beginnt Nowitzkis erste NBA-Saison mit drei Monaten Verspätung, im Februar '99. Um noch möglichst viel Geld einzuspielen, setzt die Liga noch 50 der normalerweise 82 Partien an. Manche Teams treten an drei Tagen nacheinander in drei verschiedenen Städten an, dann haben sie einen Tag Pause, danach wieder drei Auftritte an drei Tagen in drei Städten. "Ich bin manchmal im Hotel aufgewacht und wusste nicht, wo ich war", erzählt Nowitzki. Er will heim, Geschwindner lässt es nicht zu. Er gibt dem Bub was zu lesen, Joseph Conrad, Taifun, die Geschichte vom Kapitän MacWhirr, der sich mit seinem Schiff durch schwere See ans Ziel kämpft.

VORSCHAU / BASKETBALL : DIRK NOWITZKI STEHT MIT DEN DALLAS MAVERICKS IM PLAY OFF HALBFINALE 00/01 DER NBA.

Der helfende Neuling: Mit Dirk Nowitzki schaffen es die Dallas Mavericks wieder regelmäßig in die Playoffs.

(Foto: BONGARTS)

Es läuft - 1999/2000: Nowitzki hat sich eingewöhnt, in der Liste der "Most Improved Players", der am meisten verbesserten Spieler, landet er am Saisonende auf Platz zwei. Auch mit den Mavericks geht es voran, nachdem der Internet-Milliardär Mark Cuban den Klub gekauft hat.

Der Durchbruch - 2000/01: In den Neunzigern waren die Mavericks die schlechteste Mannschaft des gesamten amerikanischen Profisports - dank Nowitzki stehen sie wieder in den Playoffs. Unter seiner Führung wird Dallas diese K.-o.- Runden um den Titel in den folgenden 16 Jahren nur noch einmal verpassen.

Neue Heimat - 2001/02: In Dallas wird das American Airlines Center eröffnet, inoffiziell "The House that Dirk built" - das Haus, das Dirk gebaut hat. Als die Mavericks ihn 1998 nach Dallas holen, zeigen sie ihm ein Loch im Boden, inmitten eines brachen Landstrichs südlich der City: Dort soll eine neue Halle errichtet werden und Nowitzki mit seinem Handwerk als Basketballer dazu beitragen, sie zu füllen. Seit Dezember 2001 melden die Mavericks nach jedem Heimspiel: ausverkauft!

In jener Saison wird Dirk Nowitzki auch zum ersten Mal ins prestigeträchtige All-Star-Team eingeladen. Wie bei den 13 Berufungen, die noch folgen werden, wählen ihn nicht die Fans - denen ist seine Spielweise nicht spektakulär genug. Nowitzki wird stets von den Trainern nominiert; die Experten wissen zu schätzen, was er kann. Den restlichen Amerikanern demonstriert er es nach der NBA-Saison noch einmal: Bei der WM in Indianapolis feiert er mit der Nationalmannschaft seinen ersten greifbaren Erfolg - die Bronzemedaille.

Belohnung - 2002/03: Nowitzkis neuer Vertrag tritt in Kraft, er wird ihm in den kommenden sechs Jahren 80 Millionen Dollar einbringen. Der Basketballer hat zwar immer noch keinen Titel gewonnen, aber er ist nun der am zweitbesten entlohnte deutsche Sportler nach Formel-1-Pilot Michael Schumacher. Und der ist schon auf dem Weg zum Rekord-Weltmeister.

Dirk Nowitzki Dallas Mavericks und sein Mentor Holger Geschwindner beide Deutschland

Wichtiger Begleiter: Holger Geschwindner bleibt auch in den USA Dirk Nowitzkis Mentor.

(Foto: imago)

So ist das Geschäft - 2003/04: Der erste Rückschlag, die Mavericks scheiden schon zu Beginn der Playoffs aus - und Steve Nash muss gehen, Nowitzkis bester Freund im Team. Die beiden kennen sich seit ihrem ersten Tag in Dallas, sie wurden gemeinsam vorgestellt. Klubbesitzer Cuban glaubt, dass Nash seine beste Zeit hinter sich hat und lässt den 30-Jährigen gehen, als dessen Vertrag ausläuft. Business as usual, so ist das Geschäft in der NBA. Und doch ist Nowitzki "fast schockiert", wie er sagt: "Ich dachte, dass wir gemeinsam mal einen NBA-Titel holen und unsere Karrieren in Dallas beenden würden." Nun ist sich auch Nowitzki seines Platzes in Dallas nicht mehr sicher. Er zweifelt wieder.

Familienrekord - 2004/05: Im Dezember 2004 kommt Nowitzki gegen die Houston Rockets auf 53 Punkte - seine persönliche Höchstmarke, ein Punkt mehr als einst seine Mutter Helga, eine frühere Nationalspielerin. Nur einen beeindruckt das nicht. "50 Punkte sind keine Kunst", findet Holger Geschwindner, "das kann jeder, wenn er gerade einen Lauf hat. Die Kunst ist, 20 Punkte zu machen, wenn's mal nicht so läuft." In den Playoffs läuft's nicht so für die Mavericks, sie scheiden aus, gegen die Phoenix Suns. Für die spielt Steve Nash so groß auf, dass er nach dieser und nach der folgenden Saison zum MVP gekürt wird, zum wertvollsten Spieler der Liga. Nowitzki mag gar nicht daran denken, was hätte werden können, wenn er geblieben wäre.

Mavericks' Nowitzki drives against Suns' Thomas in Phoenix

Unangenehmer Gegner: Nowitzki (hier gegen Tim Thomas von den Phoenix Suns) hat seinen Sport mit seiner Spielweise geprägt.

(Foto: Jeff Topping / Reuters)

Die Steuergeschichte - 2005/06: Im Juli 2005 wird Holger Geschwindner verhaftet, er soll Steuern in Millionenhöhe hinterzogen haben. Die Sache ist kompliziert, die Beweislage dünn, die Kaution für eine Freilassung umso höher - 15 Millionen Euro. Nowitzki hinterlegt das Geld, um wieder mit seinem Freund und Mentor trainieren zu können; der wird später eine vergleichsweise geringe Bewährungsstrafe akzeptieren, um den Ärger zu beenden. Für Nowitzki ist es ein "prägendes Ereignis", "eine fast beängstigende Situation", wie er sagt. Er fühlt sich hilflos und ohnmächtig gegenüber den deutschen Behörden, von denen er als Zeuge vernommen wird. Auf dem Parkett spielt er zunächst mit einem Furor, den man nicht kennt von ihm. Im September 2005 treibt er die Nationalmannschaft ins EM-Endspiel gegen Griechenland, im Juni 2006 die Mavericks in die NBA-Finals gegen Miami Heat. Beide Male geht er geschlagen vom Feld. Es treibt ihn nur an, weiter zu kämpfen.

Gemischte Gefühle - 2006/07: Den Dallas Mavericks gelingt eine der besten Spielzeiten, die es je gegeben hat - mit 67 Siegen bei nur 15 Niederlagen sind sie mit Abstand die beste Mannschaft in der Hauptrunde. Und Nowitzki ist der mit Abstand beste Spieler. Doch noch bevor er als erster Europäer in der Historie der NBA die Auszeichnung als MVP erhält, geht er mit den Mavericks auf andere Weise in die Geschichte ein: Der Titelfavorit scheitert sang-, klang- und chancenlos los bereits am ersten Playoff-Gegner - den Golden State Warriors. Deren Coach Don Nelson weiß ja aus eigener Anschauung, wie man den Rechtshänder Nowitzki zähmt: Indem man ihn nicht losdribbeln lässt, wie er es am liebsten tut - nämlich mit links.

Dirk Nowitzki: Besondere Frisur für ein besonderes Turnier: Nowitzki bei der Eröffnung des Deutschen Hauses anläßlich der Olympischen Spiele 2008 in Peking.

Besondere Frisur für ein besonderes Turnier: Nowitzki bei der Eröffnung des Deutschen Hauses anläßlich der Olympischen Spiele 2008 in Peking.

(Foto: Regina Schmeken)

Erst mal runterkommen - 2007/08: In der NBA nimmt Nowitzki den nächsten vergeblichen Anlauf auf den ersehnten Titel, doch mit der Nationalmannschaft erfüllt er sich einen Jugendtraum - bei Olympia mitzumachen. Er trägt sogar die Fahne zur Eröffnungsfeier ins Pekinger Stadion, eine Ehre, die bis dahin nur Goldmedaillengewinnern vorbehalten war.

Tiefschlag - 2008/09: Bis ins Frühjahr 2009 hinein gelingt es Dirk Nowitzki, sein Privatleben privat zu halten - dann verhaftet das FBI die Frau, die er heiraten will, in seinem Haus. Als Betrügerin und Hochstaplerin ist sie unter acht verschiedenen Namen gesucht worden. Nowitzki reagiert so wie bereits im Steuerfall Geschwindner - mit sportlichen Höchstleistungen. In der Playoff-Serie gegen Denver gelingen ihm 34,4 Punkte und 11,6 Rebounds im Schnitt. Zu wenig, um das Aus zu verhindern.

Treuebeweis - 2009/10: Wieder scheitern die Mavericks in den Playoffs am ewigen texanischen Rivalen San Antonio, wieder raten alle Experten Nowitzki, Dallas zu verlassen, wenn er einen Titel gewinnen will. Doch Nowitzki bleibt, er verlängert seinen Vertrag sogar um vier Jahre.

Dallas Mavericks Victory Parade

Revanche im Finale: Im Endspiel trifft Dirk Nowitzki 2011 auf Miami mit Superstar LeBron James und ist nicht mehr aufzuhalten. Dallas gewinnt 4:2, Nowitzki wird als MVP der Finalserie geehrt.

(Foto: Ronald Martinez / AFP)

Die Krönung - 2010/11: Dirk Nowitzki legt mit den Mavericks einen denkwürdigen Playoff-Lauf hin: Sie entthronen Titelverteidiger Los Angeles Lakers glatt mit 4:0 Siegen und werfen auch die aufstrebenden Oklahoma City Thunder aus dem Rennen. Im Finale kommt es zur Revanche gegen Miami. Dorthin ist der Superstar LeBron James vor der Saison gewechselt, weil er den Leuten geglaubt hat, die gesagt haben, er müsse weg aus Cleveland, wenn er einen Titel gewinnen will. Aber Nowitzki ist nicht mehr aufzuhalten, trotz eines Sehnenrisses am Finger und Fiebers führt er seine Mannschaft zum 4:2-Triumph in der Finalserie. Im entscheidenden Spiel läuft's nicht so für ihn, in der ersten Halbzeit trifft er nur einmal bei zwölf Versuchen. Am Ende kommt er trotzdem noch auf 21 Punkte - und wird als MVP des Finales geehrt.

Privates Glück - 2011/12: Es herrscht wieder Arbeitskampf, die NBA-Saison beginnt später, und Nowitzki ist außer Form, weil er nach dem Titelgewinn auch noch die EM für Deutschland gespielt hat. Die Mavericks scheitern als Titelverteidiger in der ersten Playoff-Runde. Immerhin findet Nowitzki sein privates Glück: Im Sommer heiratet er die Schwedin Jessica Olsson, die ihm drei Kinder schenken wird.

Einschnitt - 2012/13: Nach 14 Jahren in der NBA fordert der Hochleistungssport Tribut: Dirk Nowitzki muss den ersten größeren Eingriff seiner Karriere über sich ergehen lassen, nach einer Knie-Operation verpasst er ein Drittel der Saison - und sein Team erstmals seit 2000 die Playoffs.

Würdigung - 2013/14: Dirk Nowitzki ist noch aktiv, aber das gemeinsame Lebenswerk von ihm und Holger Geschwindner ist bereits dokumentiert - im Film "Der perfekte Wurf". Es trifft sich gut, dass der Würzburger in jenem Jahr in die Top Ten der besten NBA-Werfer vorrückt.

Deutschland - Türkei

86 Mal im Nationaltrikot: Dirk Nowitzki, hier bei der Basketball-Europameisterschaft 2015, gewann 2002 WM-Bronze und 2005 WM-Silber.

(Foto: Rainer Jensen / dpa)

Loyalität - 2014/15: Trotz Maximalangeboten anderer Klubs verlängert Nowitzki in Dallas um drei Jahre, zum Schnäppchenpreis von insgesamt 25 Millionen Dollar. Für das eingesparte Geld soll der Klub gute Spieler engagieren, er will noch mal in den Playoffs mitmischen.

Der Anfang vom Ende - 2015/16: Zum letzten Mal in der Ära Nowitzki erreichen die Mavericks die Playoffs, sie kommen nicht mehr über die erste Runde hinaus.

Noch ein Meilenstein - 2016/2017: Als erst sechster Spieler in der NBA-Historie übertrifft Nowitzki die Marke von 30 000 erzielten Punkten.

Noch ein Rekord - 2017/18: Nowitzki geht in seine 20. Saison bei den Mavericks - und zieht mit Kobe Bryant gleich, der genauso solange bei Los Angeles Lakers war.

NBA: Phoenix Suns at Dallas Mavericks

Ein letztes Mal als Spieler der Dallas Mavericks erschöpft nach einem NBA-Spiel: Nach 21 Jahren ist nun Schluss für Dirk Nowitzki.

(Foto: Jerome Miron / USA Today Sports)

Am Ziel - 2018/19: Nach einzigartigen 21 Jahren im Trikot des selben Klubs verkündet Nowitzki das Ende seiner Karriere. Selbst in fremden Arenen hatten ihn gegnerischen Fans für seine Lebensleistung gefeiert. Der Entschluss zum Rücktritt fällt trotzdem erst vor dem letzten Heimspiel, beim Grillen, in seinem Garten, im Norden von Dallas. Sein letztes Spiel bestreitet er in San Antonio. Sein Fuß schmerzt, es läuft nicht rund, aber er macht 20 Punkte.

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