Dirk Nowitzki in der NBA:Der alte Mann hat noch Bock

Dallas Mavericks - Denver Nuggets

Dirk Nowitzki könne auch "Sport treiben, bis er 70 ist", findet sein Mentor. Wenn er den Muskelabbau nach der Karriere vernünftig hinbekommt.

(Foto: Tony Gutierrez/dpa)
  • Dirk Nowitzki geht mit den Dallas Mavericks in seine 21. Saison in der NBA.
  • So lange war kein anderer Basketballer jemals beim selben Verein.
  • Wer sich in seinem Umfeld umhört, findet Antworten darauf, warum der Würzburger so ein loyaler Typ ist.

Von Jonas Beckenkamp

Mit den Rekorden ist es bei Dirk Nowitzki ja so, dass Laien mitunter nicht recht unterscheiden können zwischen wirklich großen Rekorden und eher beiläufigen. Dieser Mann hat so viele Bestleistungen vollbracht und es kommen immer wieder welche dazu. Ein Novum ist nun, dass er eine wirklich sehr große Marke übertroffen hat, ohne dabei überhaupt Basketball zu spielen. Nowitzki, inzwischen 40-jähriger Halb-Texaner, geht bei den Dallas Mavericks in seine 21. Saison. Nie zuvor in der NBA-Geschichte war ein Basketball-Profi einem Verein so lange treu - selbst der ewige LA Laker Kobe Bryant (20 Spielzeiten) nicht.

Nowitzki tut sich die Strapazen nochmal an

In der Phase der sogenannten "Offseason", in der die Liga pausiert, sich Teams neu strukturieren und Spieler von ihren Klubs verschachert werden, ist die Nachricht von Nowitzkis Vertragsverlängerung um ein weiteres Jahr die Konstante des Sommers. Das klingt einerseits nach Vollzug, zumal Nowitzki nie ernsthafte Ambitionen auf einen Umzug geäußert hatte. Anderseits enthält seine Entscheidung für ein weiteres Jahr NBA-Strapazen mit den Dallas Mavericks genügend Feel-good-Potential, um im Profitum generell ein paar Dinge gerade zu rücken. Der Würzburger betreibt seinen Sport in erster Linie des Sports wegen - nicht zur Show und auch nicht nur zum Geldverdienen.

Nur mal zum Vergleich: Cristiano Ronaldo fühlte sich bei Real Madrid mit 25 Millionen Euro Jahressalär zuletzt arg unterbezahlt - Nowitzki dagegen verzichtet einmal mehr auf Gehalt. Ein erstaunlicher Akt des Altruismus seitens des Würzburgers führte dazu, dass die Mavs eine Ausstiegsklausel seines laufenden Kontraktes nutzten, um ihn zu "entlassen" und postwendend mit einem neuen Arbeitspapier zu geringeren Bezügen wieder einzustellen. Dazu war der Verein nur in der Lage, weil Nowitzki von sich aus kooperierte, um mit dem gesparten Geld Gehälter für neue Profis frei zu schaufeln -die Dallas nach zwei Durchhänger-Jahren dringend braucht. Ein solch wohltätiges Manöver eines alternden Multimillionärs wäre etwa Kobe Bryant kaum zuzutrauen gewesen. Er ließ sich auch in seiner letzten Saison 2015/16, in der er den Lakers zumeist keine Hilfe mehr war, mit 25 Millionen Dollar entlohnen und riss den Klub damit in die sportliche Bedeutungslosigkeit.

Die Mavs nutzten die Einsparungen insbesondere dazu, Center DeAndre Jordan von den LA Clippers mit einem stattlichen Honorar nach Texas zu locken. Glaubt man anerkannten NBA-Klauselkennern, wird Nowitzki in der kommenden Saison 4,4 statt bislang fünf Millionen Dollar verdienen. Für Holger Geschwindner, Nowitzkis Mentor, Privattrainer und Berater, ist das keine große Sache: "In Amerika gibt es häufig diese Wahrnehmung, dass sich einer 'unter Wert verkauft', aber das entspricht nicht Dirks Denke. Irgendwann ist ja genug Geld verdient, er ist wirklich kein armer Mann!"

Natürlich lebt es sich auch mit 4,4 Millionen recht gut. Trotzdem hat es solche Beschreibungen von Nowitzkis Charakter über die Jahre immer wieder gegeben - und man darf sich auch jetzt wieder wundern, wie ein Sportler, der alle Möglichkeiten aufs große Absahnen hätte, sich solche Integrität bewahrt. Für seinen Klub, sein Umfeld und im Grunde eine ganze Sportart ist Nowitzki ein Glücksfall, eine riesige Ausnahme, ein Phänomen. Er bringt Loyalität, Arbeitsethos, Hingabe für die Mannschaft und den Standort und das auch noch zum Sparpreis, wenn man seine Gehaltsschecks mit denen anderer NBA-Größen wie LeBron James (154 Millionen Dollar für vier Jahre bei den Lakers) vergleicht. Um Geld geht es dem großen Blonden nicht mehr - vielleicht ging es ihm sogar nie vordergründig darum.

Holger Geschwindner findet diese Loyalität normal, er spricht darüber mit einem fast schon hörbaren Schultzerzucken. "Loyal kann man sein, wenn Verein und Spieler eine vereinende Idee haben. Dirk hat sich Ziele immer so gesetzt, dass er sie gemeinsam mit dem Klub erreichen wollte", sagt der Mann, der dem jungen Dirk einst in einer miefigen Schulturnhalle in Rattelsdorf das Werfen beibrachte. Es sei für Nowitzki nicht sehr schwierig, sich so zu verhalten, und überhaupt: "Er ist bei den Mavericks einfach eine sehr integrative Figur".

Diese Eigenschaft führt zur zweiten Besonderheit bei diesem Ausnahmesportler: Aufhören ist für Nowitzki auch mit 40 und reichlich knarzenden Knochen im Körper keine Option. "Es ist natürlich eine Herausforderung, sich zu motivieren. Und jeden Tag in der Halle zu stehen", sagte er zuletzt. Die vielen Jahre auf höchstem Niveau, die Ellbögen unter den Körben, all die Flugreisen und Stunden auf Gymnastikmatten, die Muskelkater, Schrammen und Verletzungen stecken dem 2,13-Meter-Mann im Nacken. "Ich habe Schmerzen in jedem Gelenk meines Körpers. Aber das ist nach 20 Jahren wohl normal." Der "Grind", wie die Amerikaner sagen, dieser unerbittliche Abnutzungskampf von jährlich über 80 Basketballspielen, er hat Nowitzki immer noch nicht den Spaß verdorben.

"Da geht ja nix voran"

Karriereende? Aber wieso denn? Geschwindner, der mit ihm im Juni den 40. Geburtstag feierte, sagt: "Dirk ist gut drauf, er hat seine Fußverletzung aus der letzten Saison auskuriert. Das sind ja alles keine lebensbedrohlichen Dinge und er hat jetzt genug Zeit, um bis zum Saisonstart richtig fit zu werden." Außerdem: Welche Alternativen hätte er denn, wenn er in Rente gehen würde? "Langweilige Pflichtveranstaltungen besuchen mit Funktionären und Zigarre rauchen? Da geht ja nix voran."

Das sagt viel über den Menschen Nowitzki aus - und über seine Liebe zum Sport. Bei den Mavericks äußert sich diese Lust auf den Wettbewerb nicht mehr in reinen Zahlen. Längst erzielt er in NBA-Partien nur noch höchst selten 26 Punkte. Oder 35. Oder 40. Auch in der kommenden Spielzeit wird sein Punkteschnitt (zuletzt 12,0) wohl weiter sinken, weil er seltener auf den Korb wirft. Weil andere übernehmen, wie im Oktober dann die Dunking-Maschine Jordan. Oder der junge slowenische Überflieger Luka Doncic oder der deutsche Nationalspieler Maxi Kleber mit seinen Krakenarmen und seinen Dreiern.

Nowitzki will spielen und gewinnen, er hat Bock auf Basketball. Passend dazu haben die Mavericks erstmals seit zwei, drei Jahren wieder eine playofftaugliche Mannschaft beisammen. Auch das dürfte ihn ermutigt haben, sich nochmal ins Getümmel zu stürzen, vielleicht noch ein letzter Run auf ein paar Heldentaten auf dem Parkett.

Der alte Nowitzki wird dabei sein, so wie er auch 1999 schon dabei war, als alles anfing. Er wird sich seine Momente auf andere Art erkämpfen als mit Dunks und Juwelen um den Hals. "Es geht darum, ob er noch einen Beitrag leisten kann. Ob er das Gefühl hat, den Jüngeren helfen zu können, ihnen was weiterzugeben", erklärt Geschwindner die Ambitionen seines Schützlings. "Dirk versteht das Spiel gut. Er kann sich anpassen und weiß, wann er gefragt ist. Ein physisches Monster war er ohnehin nie." Eine monströse Karriere hat er trotzdem hingelegt - und sie geht noch weiter. "Ein bisschen anschieben" beim Umbruch der Mavericks, wie Geschwindner sagt.

Mindestens bis zur nächsten Bestmarke. Mit bisher 31.187 Punkten ist Nowitzki der sechsterfolgreichste Werfer der NBA-Geschichte. Vor ihm liegen nur noch absolute Legenden: Kareem Abdul-Jabbar, Karl Malone, Kobe Bryant, Michael Jordan und Wilt Chamberlain. Chamberlain (31.419) dürfte er schon bald einholen, vermutlich sogar noch in diesem Jahr.

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