Novak Djokovic in ParisEr will jetzt Rekordmensch werden

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24 Grand-Slam-Siege – aber das muss noch nicht das Ende sein: Novak Djokovic bei seinem Zweitrundensieg in Paris gegen den Franzosen Corentin Moutet.
24 Grand-Slam-Siege – aber das muss noch nicht das Ende sein: Novak Djokovic bei seinem Zweitrundensieg in Paris gegen den Franzosen Corentin Moutet. (Foto: Lisi Niesner/Reuters)

Seine alten Tennisrivalen Roger Federer, Rafael Nadal und Andy Murray sind abgetreten. Deshalb wählt Novak Djokovic eben Statistiken als Gegner. Bei den French Open verfolgt er eines seiner größten Lebensziele.

Von Barbara Klimke, Paris

An einem spielfreien Abend in Paris hat Novak Djokovic diese Woche eine Einheit auf dem Rad eingelegt. Nur saß er nicht auf dem Ergometer, sondern auf einem Velo und schlängelte sich durch den Feierabendverkehr. Auf diese Route, in den Kreisverkehr am Arc de Triomphe, links und rechts überholt von Autos mit Menschen, die es eilig haben, würde er sich allerdings vielleicht nicht noch einmal stürzen, sagte Djokovic amüsiert. „Es war eine adrenalinreiche Erfahrung.“

Dass er sich während der French Open unter die Leute mischt, ist nichts Neues. Voriges Jahr wurde er beim Boule im Bois de Boulogne gesichtet, wo er eine eher ruhige Kugel schob. Der Ausflug in Tour-de-France-Manier rund um den Place Charles de Gaulle diese Woche legt jetzt nahe, dass Novak Djokovic sich auf den Schlussetappen seiner Karriere im Zweifelsfall immer noch lieber für den Nervenkitzel entscheidet.

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Die letzten Runden: Das ist das Thema, dem er in Roland Garros, wo er nach einem Sieg gegen den Franzosen Corentin Moutet (6:3, 6:2, 7:6) an diesem Samstag um den Achtelfinaleinzug spielen wird, nicht entkommt. Am vergangenen Sonntag stand er bei der offiziellen Abschiedsgala für den spanischen Weggefährten Rafael Nadal neben den alten Rivalen Roger Federer und Andy Murray auf dem Platz: Die Großen Vier des Tennis, die seit 2003 insgesamt 69 Grand-Slam-Titel abgeräumt hatten, waren für einen Moment noch einmal vereint. Djokovic, im Mai 38 Jahre alt geworden, ist knapp der Jüngste aus dem Quartett und der Einzige, der noch berufsmäßig den Schläger schwingt. Nadal gab zum allgemeinen Erstaunen bekannt, dass er seit seinem Rücktritt vor sieben Monaten kein Tennisracket mehr berührt hat. Stattdessen beschäftigt er sich jetzt lieber mit seiner Akademie, Hotels, diversen Unternehmungen und geht golfen.

Selbstverständlich hat Djokovic bei dieser Feier und am Rande, während der üblichen Plaudereien und Sticheleien mit den Jung-Pensionären, auch an das Ende des eigenen Weges gedacht: „Ein Teil von mir ist stolz, dass ich noch durchhalte“, sagte er, „aber ich bin auch traurig, dass sie alle abgetreten sind. Denn diese Kerle waren meine größte Motivation und der Grund, weshalb ich mich so lange und so intensiv in die Matches gestürzt habe.“ Bevor es zu wilden Spekulationen komme, fügte er grinsend an, müsse er aber leider mitteilen, dass er sich bis jetzt nicht auf den exakten Renteneintrittstermin festgelegt habe.

Elegien über die Vergänglichkeit der Brillanz der eingesprungenen Vorhand müssen also bis auf Weiteres nicht verfasst werden. Auch eine Ode an den Mythos des Tennis-Spagats wäre noch verfrüht. Obwohl der serbische Fitnessfreund kürzlich in Madrid einem Abschied vom spanischen Publikum schon relativ nahegekommen ist. Nach der zweiten für ihn frustrierenden Auftaktniederlage bei einem Sandplatzturnier antwortete er auf die Frage, ob er 2026 wiederkomme: „Könnte sein. Ich bin mir noch nicht sicher.“ Nicht als der Favorit auf dem Platz zu stehen, früh zu verlieren, die eigene Unzulänglichkeit – nicht, wie früher, die des Gegners – zu spüren, stellte eine „neue Realität“ für den Sieger von 24 Grand-Slam-Turnieren dar, an die sich nur schwer gewöhnte.

Die Stimmung und möglicherweise die Perspektive änderten sich für Djokovic am vergangenen Samstag in Genf, wo er den 100. Tennistitel seiner Karriere gewann. Zur Wettbewerbsteilnahme hatte er sich kurzfristig entschieden, weil er seine Vorbereitung auf die French Open unzureichend fand und, wie er zugab, tatsächlich an seinen Fähigkeiten zu zweifeln begann. Vor derlei Ängsten ist erstaunlicherweise auch der unbestritten erfolgreichste Tennisspieler nicht gefeit. Ein Foto mit einer goldenen „100“ aus Luftballons im Hintergrund kann in dieser Lage Energien freisetzen, erklärte Djokovic in Paris. Es gebe nämlich dankenswerterweise noch genug Motivationshilfen für ihn: „Historie, Rekorde und großartige Leistungen gehören für mich dazu, das will ich gar nicht verschweigen.“

Die Arbeit mit Andy Murray ist wegen Titellosigkeit beendet

Spieler seinesgleichen, mit denen er sich maß und die er schließlich übertrumpfte, wie Federer und Nadal sind abgetreten. Nun wählt er eben Rekorde und Statistiken als adäquate Konkurrenten. Im vergangenen Jahr eroberte er Olympiagold, das ihm noch gefehlt hatte. Und er strebt weiter nach dem  25. Grand-Slam-Titel, um die Australierin Margaret Court, eine Spielerin der 1960er und 1970er, die wie er bei 24 Titeln steht, als alleiniger Rekordmensch zu übertreffen.

Deshalb steht er, voller Adrenalin und wild entschlossen, jetzt wieder auf den Sandplätzen von Paris. Noch einmal hat er sein Trainerteam durchgemischt und alte Wegbegleiter, Dusan Vemic und Boris Bosnjakovic, zurückgeholt. Die Arbeit mit Andy Murray, der in Australien an seiner Seite stand, als er im Halbfinale gegen Alexander Zverev verletzt aufgab, ist wegen Titellosigkeit beendet. 2023 hatte Djokovic zuletzt in Paris gewonnen, 2024 beendete er das Turnier vorzeitig wegen eines Meniskusschadens. Jetzt plagt ihn vor der dritten Runde gegen den Qualifikanten Filip Misolic, 23, nur eine Blutblase am Zeh. „Ich bin im Moment ziemlich fit“, verkündete er. Das Match gegen den Österreicher ist als Night Session an diesem Samstag angesetzt. Für die Pariser eine schöne Gelegenheit, den Doyen des Tennis noch einmal im Abendlicht zu sehen.

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