Djokovic mit Coronavirus infiziert:Eine erschreckend naive Erklärung

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Novak Djokovic: Seine Adria Tour wurde zum Corona-Desaster (Foto: Marko Dimic/imago)

Mehrere positive Corona-Fälle, darunter er selbst: Novak Djokovic verteidigt trotzdem die Durchführung seiner Adria Tour, bei der Hygiene- und Abstandsregeln systematisch missachtet wurden.

Von Gerald Kleffmann, Belgrad/München

Die umstrittene und am Dienstag vollständig abgebrochene Adria-Tour im Tennis zieht immer weitere Corona-Fälle nach sich. Am Montag war bekannt geworden, dass der serbische Profi Viktor Troicki und dessen schwangere Frau positiv getestet wurden. Der 34-Jährige hatte beim Auftakt der vom Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic veranstalteten Schaukampf-Serie in Belgrad vergangene Woche teilgenommen. Bei einem Fünfjährigen, dem Enkel eines Restaurantbetreibers in Zadar, sei das Coronavirus ebenfalls nachgewiesen worden; die Spieler hätten sich laut kroatischen Medien dort am zweiten Turnierstandort aufgehalten.

Zuvor hatten die Profis Grigor Dimitrow und Borna Coric mitgeteilt, positiv zu sein. Auch zwei weitere Teambetreuer waren betroffen; ebenso wie wohl eine kroatische Fernsehmoderatorin, wie am Dienstag durchsickerte. Schließlich, am Nachmittag, folgte der prominenteste Corona-Angesteckte: Gastgeber Djokovic verkündete in einem Schreiben, dass er und seine Ehefrau Jelena positiv getestet worden seien. Seine beiden Kinder seien nicht infiziert.

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Kommentar von Gerald Kleffmann

Djokovic zeige bislang keine Symptome. Der 17-malige Grand-Slam-Gewinner kündigte an, sich in 14-tägige Isolation zu begeben, in fünf Tagen wolle er den Test wiederholen. Andere Spieler, die an seiner Turnierserie teilgenommen hatten, haben bereits am Sonntagabend Tests durchgeführt. Der deutsche Profi Alexander Zverev, 23, etwa entschuldigte sich für sein Verhalten auf der Tour und teilte dazu mit, negativ getestet worden zu sein. Das Finale der Adria-Tour am Sonntag in Zadar zwischen Djokovic und dem Russen Andrej Rubljow war abgesagt worden, nachdem Grigor Dimitrow als Erster seinen Positivbefund öffentlich gemacht hatte. Der Bulgare war an beiden Spielorten im Einsatz gewesen; auch bei den wilden Feierlichkeiten in einem Belgrader Club, als die Spieler halb nackt tanzten, war er engagiert dabei.

Djokovic entschuldigt sich "für jeden einzelnen Infektionsfall"

Heftige Kritik war daraufhin weltweit an Djokovic aufgekommen, da bei seiner Veranstaltung nun mal systematisch Hygiene- und Abstandsregeln von Spielern, Zuschauern und Personal missachtet worden waren. Der 33-Jährige hatte in einer ersten Reaktion vergangene Woche sein Event verteidigt und darauf verwiesen, alle hätten sich an die entsprechenden Corona-Regeln in Serbien gehalten und würden diese auch in Kroatien befolgen. Auch in seiner Erklärung am Dienstag, nach fast zwei Tagen des Schweigens, rechtfertigte er die Durchführung der Adria-Tour.

"Alles, was wir im letzten Monat gemacht haben, machten wir aus ganzem Herzen und ernsten Absichten", schrieb er. Mit seinem Turnier wollte er, so Djokovic weiter, eine "Botschaft der Solidarität und des Mitgefühls in der ganzen Region" vermitteln. Die Erlöse sollen an karitative Zwecke gehen. "Wir haben das Turnier organisiert, als sich das Virus abschwächte", erklärte Djokovic, "wir dachten, die entsprechenden Bedingungen für die Tour geschaffen zu haben." Auf unzähligen Fotos und Videos im Internet waren allerdings Szenen abgebildet, bei denen sich die Beteiligten zu nahe kamen, umarmten, abklatschten. "Leider ist dieses Virus immer noch präsent, und es ist eine neue Realität, dass wir immer noch lernen, damit umzugehen und damit zu leben." Ein Satz, der angesichts der global bekannten Faktenlage doch erschreckend naiv und schönrednerisch wirkt. Djokovic entschuldigte sich indes "für jeden einzelnen Infektionsfall".

Die Vorfälle bei der Adria-Tour sind für den gesamten Tennissport eine große Belastung. Im Gegensatz zu anderen Sportarten wie Fußball oder Golf bemühen sich die Organisationen der Männertour (ATP), der Frauentour (WTA) und des Weltverbandes (ITF) um eine Wiederaufnahme der Tour - ohne Zuschauer. Erst vergangene Woche war verkündet worden, dass im August offizielles Turniertennis stattfinden soll; so auch die US Open ab dem 31. August. Djokovic hatte sich lange eher gegen eine Teilnahme ausgesprochen, war jüngst aber zurückgerudert und wollte in New York starten. Kritik musste er auch hier einstecken, da Kollegen fanden, Djokovic als Präsident des ATP-Spielerrats hätte sich für den Wiederbeginn der Grand-Slam-Saison in den USA einsetzen müssen.

Der Serbe war in den vergangenen Wochen überhaupt mehrmals in Schlagzeilen geraten, die weniger mit seinen Tenniskünsten zu tun hatten. In einer Talkrunde hatte er sich ablehnend gegenüber einem Corona-Impfstoff zu erkennen gegeben. Sogar in Serbien, wo er fast uneingeschränkte Bewunderung genießt, wurde er von Fachleuten für diese Haltung in Zeiten einer Pandemie kritisiert.

© SZ vom 24.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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