Novak Djokovic:Sogar besser als Roger Federer

Western & Southern Open - Day 9

Ewige Kontrahenten: Roger Federer (links) und Novak Djokovic.

(Foto: AFP)
  • Novak Djokovic stafft als erster Tennisspieler das Meisterstück, alle neun Masters-Turniere sowie die vier Grand-Slam-Turniere einmal oder öfter zu gewinnen.
  • Dabei steckte der Serbe Anfang des jahres noch in einer tiefen sportlichen Krise.
  • Die hatte er allerdings mit seinem Sieg im Wimbledon-Finale beendet.

Von Jürgen Schmieder, Cincinnati/Los Angeles

Es klingt zunächst einmal verblüffend, wenn einer behauptet, das Tennisturnier in Cincinnati sei der am kniffligsten zu erklimmende Gipfel in diesem Sport. Novak Djokovic hat ja schon ganz andere Berge bestiegen in seiner Karriere, die French Open in Anwesenheit von Rafael Nadel etwa, aber es stimmt schon: Der Hartplatz in Cincinnati ist extrem schnell, noch schneller als zum Beispiel der Rasen in Wimbledon; in Verbindung mit den schweren und harten Bällen sowie der feuchten Hitze im August in Ohio ist es eine Veranstaltung, die für die erlesenen Fähigkeiten von Roger Federer entwickelt zu sein scheint.

"Es ist die größte Herausforderung im Tennis, das Finale in Cincinnati gegen Roger Federer zu spielen", hatte Djokovic also am Samstag gesagt, und einen Tag später gewann er dieses Endspiel nach fünf Niederlagen (davon drei gegen den siebenmaligen Turniersieger Federer) zum ersten Mal in seinem Leben. Er ist damit der erste Spieler der Tennisgeschichte, der alle vier Grand-Slam-Turniere und sämtliche neun Veranstaltungen der Masters-1000-Serie mindestens ein Mal für sich entschieden hat. "Danke, Roger, dass du mich heute hast gewinnen lassen", sagte Djokovic nach dem 6:4, 6:4: "Er ist wahrscheinlich der beste Spieler der Geschichte. Es war heute ein schwieriges Match für ihn, er hat sich nicht gut bewegt und nicht sein bestes Tennis gezeigt."

Djokovics Masterplan, an dem Federer verweifelte

Nun, Federer dürfte auch deshalb nicht sein bestes Tennis gezeigt haben, weil ihn Djokovic kolossal genervt hat mit dieser Spielweise, die einen an den Rand des Wahnsinns treiben kann. Djokovic bewegte sich unfassbar flink an der Grundlinie, er spielte selbst wuchtige Angriffe seines Schweizer Gegners präzise zurück und konterte bisweilen derart trocken, dass Federer immer wieder verwundert den Kopf schüttelte und irgendwann einsehen musste, dass er einen Ballwechsel ganz sicher verlieren würde, wenn er ihn nicht gleichzeitig hochriskant und fehlerfrei zu Ende spielte - und dass es selbst bei Perfektion noch immer knifflig werden würde.

Djokovics Siege bei den neun Masters-Turnieren

Indian Wells (Hartplatz; 2008, 11, 14, 15, 16) 5 Siege

Miami (Hartplatz; 2007, 11, 12, 14, 15, 16) 6 Siege

Monte Carlo (Sand; 2013, 15) 2 Siege

Madrid (Sand; 2011, 16) 2 Siege

Rom (Sand; 2008, 11, 14, 15) 4 Siege

Kanada (Hartplatz; 2007, 11, 12, 16) 4 Siege

Cincinnati (Hartplatz; 2018) 1 Sieg

Schanghai (Hartplatz; 2012, 13, 15) 3 Siege

Paris (Halle; Hartplatz; 2009, 13, 14, 15) 4 Siege Hinzu kommen die 13 Siege bei Grand-Slam-Turnieren:

6 x Australien (2008, 11, 12, 13, 15, 16),

1 x French Open (2016)

4 x Wimbledon (2011, 14, 15, 18)

2 x US Open (2011, 15).

"Das ist eine fantastische Leistung von Novak; nicht nur heute, sondern die komplette Karriere über", sagte Federer danach; und dann, an seinen Rivalen gerichtet: "Du solltest stolz darauf sein, diesen historischen Meilenstein erreicht zu haben."

Djokovic hat nun seine Flagge auf den 13 höchsten Gipfeln dieses Sports aufgestellt, er wollte das unbedingt als Erster schaffen, weil es dann eine objektive Maßeinheit bei der Suche nach dem besten Spieler dieser Generation oder womöglich der Geschichte sein könnte. "Es hat mich unglaublich angestachelt, diese Trophäe zu gewinnen und diesen Meilenstein zu erreichen", sagte er nach dem Finale: "Daran werde ich mich ein Leben lang erinnern."

Was kommt nun?

Die Frage lautet allerdings: Was kommt nun? Genau das war ja das Problem von Djokovic im Frühjahr 2016, als er sämtliche Grand-Slam-Trophäen besaß und für die Konkurrenz so unerreichbar schien wie der Gipfel der Annapurna für einen Hobby-Bergsteiger. Es ist diese Geschichte, die gerade in amerikanischen Sportfilmen immer wieder thematisiert wird: Der Held hat die bedeutsamsten Berge erklommen, nun sitzt er alleine da oben, blickt gelangweilt über die Welt und erkennt, dass es kaum noch etwas gibt, das ihn anspornen könnte, auch weiterhin so hart zu trainieren und so entbehrungsreich zu leben - er stürzt ab. Bei Djokovic kamen zur fehlenden Motivation noch private Probleme und ein schmerzender Ellbogen, den er erst spät und widerwillig operieren ließ.

Eine Trainer-Odyssee

Djokovic trennte sich Ende 2016 von Boris Becker und ein paar Monate später von Marian Vajda, der ihn seit 2006 trainiert hatte. Er vertraute sich dem selbst ernannten Guru Pepe Imaz an, der ihm zwar Ausgeglichenheit und Zufriedenheit beibrachte, aber eben nicht den Biss, den man braucht, um wichtige Turniere zu gewinnen. Sportlich probierte er es mit den ehemaligen Profis Andre Agassi und Radek Stepanek, ebenfalls erfolglos, also kehrte er im Frühjahr dieses Jahres zurück zum hemdsärmeligen Vajda, ein knuffiges Kerlchen mit raumfüllendem Lachen, der einem auch ehrlich mitteilen kann, dass es für einen mit derart außerordentlichem Talent gesegneten Typen wie Djokovic nicht angehen könne, ausgeglichen und zufrieden im Tal rumzusitzen.

Djokovic plagte sich wieder, mit dem ebenfalls zurückgeholten Fitnesstrainer Gebhard Gritsch. Freilich half, dass laut Djokovic nun auch privat alles wieder in Ordnung sei und der Ellbogen wieder kräftigere Aufschläge zulasse. "Es läuft mal besser und mal schlechter, gerade beim zweiten Aufschlag", sagt Djokovic: "Ich kann eben nicht mehr so hart servieren, ich muss es über die Präzision regeln."

Was genau das bedeutet, war in Cincinnati zu bestaunen: Beim Halbfinale gegen Marin Cilic (Kroatien) schlug Djokovic gar schrecklich auf, er gewann gerade mal 43 Prozent aller zweiten Aufschlagpunkte. Er rettete sich über die bereits beschriebenen anderen Fähigkeiten ins Finale. Djokovic fährt nun als Favorit zu den US Open, wo er aufgrund seiner Weltranglistenposition nur an Rang sechs gesetzt sein dürfte. Er hat dort schon zwei Mal gewonnen, 2011 und 2015, doch sollte er sich über mangelnde Motivation beklagen, dann dürfte ihm Vajda mitteilen: Federer und Nadal dürften in Bestform antreten, die aufgrund von Verletzungen nicht gesetzten Veteranen Andy Murray und Stan Wawrinka könnten in den ersten Runden als Gegner warten. Dieses Tennisturnier in New York dürfte in dieser Saison der am kniffligsten zu erklimmende Gipfel dieses Sport sein.

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