Olympia ohne Nordkorea:Eine Absage, die Sinn ergibt

Nordkorea verzichtet auf die Sommerspiele in Tokio und ist damit das erste Land, das seine Teilnahme im zweiten Jahr der Pandemie absagt. Weitere Nationen könnten folgen.

Von Thomas Hahn, Seoul

Auch in der Pjöngjanger Online-Zeitung Sport in der Demokratischen Volksrepublik Korea steht nichts, was das Regime der nordkoreanischen Parteidiktatur nicht lesen will. Die Meldung des Portals am Dienstag, dass Nordkorea in diesem Sommer wegen Coronavirus-Ängsten keine Mannschaft zu den Olympischen Spielen in Tokio entsenden wird, war deshalb sicher keine Enthüllung nach journalistischer Untergrundrecherche. Die Webseite ist ein Staatsmedium wie jede andere öffentliche Informationsquelle auch im abgeschlossenen Staat des Machthabers Kim Jong-un.

Das Regime wollte also bekannt geben, was das Nationale Olympische Komitee (NOK) angeblich schon am 25. März auf einer Geheimsitzung beschlossen hatte. "Bei dem Treffen diskutierte das Nordkorea-NOK die Empfehlungen seiner Mitglieder und beschloss, nicht an den 32. Olympischen Spielen teilzunehmen, um Sportler vor der Weltgesundheitskrise durch Covid-19 zu schützen", meldete Sport in der DPRK und zerstörte damit gleich mehrere Hoffnungen.

Nordkorea ist das erste Land, das seine Olympia-Teilnahme im zweiten Jahr der Pandemie absagt. Der Rückzug von den Sommerspielen, die am 23. Juli in Japans Hauptstadt beginnen sollen, dürfte das Olympia-Organisationskomitee Tocog und das Internationale Olympische Komitee (IOC) nicht übermäßig traurig machen. Nordkorea ist nicht gerade eine Weltmacht des Sports. Das Staatsfernsehen des Landes kann sich keine teuren Olympia-Fernsehrechte leisten. Und je weniger Menschen teilnehmen, desto sicherer werden die Spiele. "Wir werden uns weiterhin auf die Spiele vorbereiten, indem wir eng mit den anderen Organisationen zusammenarbeiten, damit die Athleten aus jedem Land und jeder Region ihre besten Leistungen zeigen können", teilte das Olympia-Organisationskomitee mit.

Nordkorea bekämpft Infektionskrankheiten traditionell mit strengem Abstand

Trotzdem war die Nachricht aus Pjöngjang ein weiterer Schlag gegen den Wert Olympias als Anlass internationaler Begegnung. Südkoreas Regierung hatte gehofft, die Spiele zum Austausch im eingefrorenen Friedensprozess auf der geteilten Koreanischen Halbinsel nutzen zu können. Vor drei Jahren bei den Heim-Winterspielen in Pyeongchang hatte das ganz gut geklappt. Diesmal wird daraus nichts. Und man kann nicht einmal sagen, dass es sich bei der Entscheidung um die Überreaktion eines durchgeknallten Autokraten handelt.

Im Gegenteil, sie ergibt Sinn. Nordkorea bekämpft Infektionskrankheiten traditionell mit strengem Abstand zu jeder potenziellen Infektionsquelle. Das Gesundheitssystem dort ist zu schwach, um mit großen Krankheitsausbrüchen fertigzuwerden. Seit einem Jahr schottet sich das Regime deshalb konsequenter denn je ab. Es verzichtet sogar auf die Lebensmittellieferungen internationaler Hilfsorganisationen, damit niemand das Coronavirus einschleppt.

Viele Diplomaten sind abgereist, weil das Leben in Pjöngjang mit den vielen Einschränkungen gerade schwer erträglich ist. Der Erfolg? Nordkoreas Regierung behauptet vor der Weltgesundheitsorganisation WHO weiterhin, es habe noch keinen Covid-19-Fall im Land gehabt. Und weil das so bleiben soll, muss die Olympiamannschaft daheimbleiben. Denn bei allen Beteuerungen der japanischen Regierung und des IOC, dass Sicherheit und Hygiene die wichtigsten Themen bei der Vorbereitung des Riesenereignisses seien - hundertprozentig sicher kann niemand sein, dass die Olympia-Anlagen nicht doch zum Viruscluster werden.

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Bleiben auch zuhause: Anders als bei den Spielen 2018 werden in Tokio Nordkoreas Cheerleaderinnen fehlen.

(Foto: Jorge Silva/Reuters)

Nach den aktuellen Playbooks der Organisatoren sieht das Hygienekonzept der Spiele vor, internationale Aktive, Medienschaffende und Funktionäre von der japanischen Bevölkerung fernzuhalten, damit diese geschützt sei. In Nordkorea könnte man das so verstehen, dass der Infektionsschutz innerhalb der Olympia-Anlagen weniger streng ist. Aber Risiken kann sich Nordkorea nicht erlauben. Wenn die Olympiamannschaft das Virus einschleppen würde, könnte das Land in eine tödliche Krise geraten, die Kim Jong-un auch mit geschliffenster Propaganda nicht mehr schönreden könnte. Also müssen Nordkoreas Sportlerinnen und Sportler ihren Traum aufgeben, in die weite Welt des Sports hinaustreten zu dürfen.

Vor der Logik der Diktatoren gibt es keine Kompromisse. Wenn etwas nicht passt, fällen diese schmerzvolle Entscheidungen. Insofern ist der Beschluss aus Pjöngjang entlarvend für das Olympia-Vorhaben in Tokio. Weitere Nationen könnten folgen. IOC-Präsident Thomas Bach hat mit der chinesischen Regierung zwar ausgehandelt, dass diese Impfstoff für Athleten liefert. Aber Chinas Vakzine sind nicht überall zugelassen. Vor allem ärmere Länder mit schlechtem Gesundheitssystem dürften Angst davor haben, dass Olympia mit rund 11 000 Sportlern aus aller Welt die Pandemie anfacht.

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