Katharina Althaus bei der Nordischen Ski-WM:Nebenbei Weltmeisterin werden

Katharina Althaus bei der Nordischen Ski-WM: Bergauf: Katharina Althaus auf dem Weg zum Training in Planica für die erste Entscheidung der WM.

Bergauf: Katharina Althaus auf dem Weg zum Training in Planica für die erste Entscheidung der WM.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Die Skispringerinnen eröffnen die Nordische WM in Planica. Mit dabei: Favoritin Katharina Althaus, die die Kunst beherrschen muss, mit Leichtigkeit endlich mal Gold bei einem Großereignis zu gewinnen.

Von Volker Kreisl, Planica/München

Da waren sie wieder, die beiden Seiten der Katharina Althaus. Die Stimme brüchig und leise, die Gedanken grau. Nur Platz 22 in Rasnov in Rumänien, der sie geschätzt 50 Weltcuppunkte gekostet hat. "War halt Pech", klagte Althaus, es habe lange gedauert, "bis wir springen konnten, und plötzlich ging's dann schnell, dann kam Pech dazu, und du wirst durchgereicht." Passiert war das Malheur Althaus auch noch bei der Generalprobe für die Weltmeisterschaft, was soll nun werden?

Aber sogleich kam die andere Seite der Katharina Althaus zum Vorschein, denn zum Abschluss ihrer Klage wechselte sie plötzlich in den Optimismus: "Naja" sagte sie, "jetzt habe ich das ganze Windpech hoffentlich weg, jetzt kann die WM losgehen."

Einen Weltcupsieg einen Tag zuvor - und Platz 22 gleich am nächsten Tag: Althaus hat ihr Karriere-Leitmotiv kurz vor dem Höhepunkt der Saison in zwei Finalsprüngen dokumentiert. Denn das Tief und das Hoch sind ihre Begleiter seit vielen Jahren, entsprechend auch der Frust und die Zuversicht. Die Oberstdorferin stellt aber mehr dar als nur eine innerlich bewegte Athletin. Denn sie steht stellvertretend für den ganzen Sprungsport.

Althaus hatte, wenn auch als Schülerin, sowohl die Früh-Phase des Frauenspringens mit den Pionierinnen Carina Vogt und Daniela Iraschko-Stolz erlebt, wie auch den heutigen Entwicklungsstand. Seit elf Jahren ist sie dabei, hat aber womöglich noch dieselbe Zeitspanne vor sich, weil sie erst 26 Jahre alt ist. Und wenn Typen wie sie nicht gewesen wären, dann hätte vielleicht auch das Männerspringen heute ein Image-Problem, wie es die Nordischen Kombinierer gerade plagt, die zu spät das Frauen-Kombinieren erfanden, um zeitgemäß zu sein. In Planica werden an Kombiniererinnen WM-Medaillen erst zum zweiten Mal vergeben.

Die Liste der Medaillenkandidatinnen im Skispringen ist stark angewachsen - die Kombiniererinnen müssen nun nachziehen

Auch für diese jüngste Sparte könnte am Auftakt-Donnerstag ein weiteres interessantes WM-Springen einen Anreiz darstellen. Denn die Springerinnen präsentieren das, was die Kombiniererinnen noch brauchen - Vielfalt im Programm. Die Top Ten des Frauenspringens sehen nicht anders aus als die der Männer. Auch da bildet sich im Laufe der Saison ein Spitzenduell und dahinter eine Gruppe von etwa sieben Springerinnen aus etwa fünf Nationen, die es aufs Podest schaffen können. Mit anderen Worten - Spannung ist möglich. In Planica stellen die überragende Österreicherin Eva Pinkelnig (280 Punkte Vorsprung) und Althaus das Spitzenduell, weitere Medaillenkandidatinnen sind zwei Norwegerinnen sowie die japanische Weltcup-Rekordhalterin Sara Takanashi (63 Siege), die sich zuletzt wieder gesteigert hat.

Interessant sind diesmal auch die beiden Sloweninnen Ema Klimec und Nika Kriznar, nicht nur wegen ihrer Vita, sondern auch wegen ihres Einflusses auf die Stimmung im sogenannten Tal der Schanzen von Planica. Die beiden Springerinnen kennen diese natürlich so gut wie ihre Materialtasche, wobei Klimec, die Gold- und Bronzegewinnerin bei Olympia in Peking 2022, zuletzt im Formtief hing, sich dem Vernehmen nach aber wieder erholt haben soll.

Katharina Althaus bei der Nordischen Ski-WM: Soll sich keinen Druck machen: Katharina Althaus bei einem der letzten Testsprünge vor dem Start der WM.

Soll sich keinen Druck machen: Katharina Althaus bei einem der letzten Testsprünge vor dem Start der WM.

(Foto: Georg Hochmuth/dpa)

Für solches Ab und Auf steht auch die Karriere der aktuellen Goldkandidatin Althaus. Sie hatte zuletzt bei der Premiere der Silvestertournee eine klassische Althaus-Serie gezeigt, mit den Plätzen neun, zwei, drei und 14. Hier kam die Enttäuschung am Ende, bei Olympia in Peking vor einem Jahr mittendrin: Von der Großdisqualifikation mehrerer Top-Springerinnen, eine allgemein umstrittene Jury-Entscheidung, war auch Althaus betroffen. Ihre Anzüge waren zuvor schon einmal als korrekt durchgewunken worden, aber jeder Einwand von Trainern und Springern quer durch viele Nationen half nichts. Es verhielt sich wie mit Wind oder Sichtverhältnissen, wie mit höherer Gewalt.

Althaus ist eine Instanz im Skispringen, und doch schleppt sie diesen Makel in ihrer Vita mit sich

Wer sich im Skispringen von solchen Rückschlägen nicht aus der Flugbahn bringen lässt, der schafft über sämtliche Höhepunkte die ganze Distanz bis zum Saisonende. Der nächste Höhepunkt des Winters 22/23, das WM-Kleinschanzenspringen am Donnerstag, bedeutet für Althaus wieder mal alles. Zwar sollte man niemals im Skispringen etwas erzwingen, nie mit aller Kraft den Sieg wollen, denn dann springen die Athletin und ihr Unterbewusstsein nicht befreit hinauf in die Luft.

Jedoch, dass Althaus diesen einen Makel noch in ihrer Vita mitschleppt, ist nicht von der Hand zu weisen: Althaus ist eine Instanz im Weltcup, aber sie hat noch keinen Titel bei einem Großereignis gewonnen, der besonders leuchtet, bei keiner der WM- oder Olympia-Springen, die sie schon mitgemacht hat. Auch jetzt wird sie in Interviews danach gefragt, ob es diesmal klappt, ob sie eine Schwäche der favorisierten Eva Pinkelnig vielleicht nutzen könnte; ob sie nicht endlich dran sei, im entscheidenden Zeitraum von einer halben Minute gute Sicht, Vertrauen in den Absprung und ein stabiles Luftpolster unter ihre Tragflächen zu bekommen?

Trainer raten, solche Fragen zu überhören oder inhaltlos zu beantworten und ans eigene Gefühl keinen Zweifel heranzulassen. Sie weisen Althaus vielleicht darauf hin, dass sie mit Mitte 20 noch keineswegs unter Druck stehe bei den vielen Großereignissen, die noch vor ihr liegen. Sie erklären, dass in diesem Sport nie der Athlet allein schuld sei, sondern immer auch die Umstände.

Aber Althaus selber hat ja die bessere psychologische Idee, um den Pessimismus zu besiegen, nachdem sie im verwehten Rasnov nur auf den enttäuschenden 22. Platz kam - was gar nicht so schlecht ist, weil sie damit ja alles Pech für die anstehende WM schon verbraucht hat. Es kann also losgehen. Supertrick eigentlich.

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