MeinungSkispringen:Norwegen hat seiner WM mit dem Anzugskandal einen massiven Imageschaden beschert

Kommentar von Barbara Klimke, Trondheim

Lesezeit: 2 Min.

Im Zwielicht: Marius Lindvik bei der Nordischen Ski-WM in Norwegen. (Foto: Memmler/Eibner/Imago)

Die Titelkämpfe in Trondheim sind seit Sonntag beendet, doch der Skandal um manipulierte Anzüge bei Norwegens Skispringern steht erst am Anfang der Aufarbeitung. Vom Skiweltverband Fis wird nun Klärung erwartet.

Die Nordischen Skiweltmeisterschaften in Trondheim sind seit Sonntag beendet, aber nicht abgeschlossen. Im Gegenteil, die Validierung der Ergebnisse fängt gerade erst an.

Der Österreichische Skiverband besteht unverändert darauf, den Norwegern alle Resultate bei den Schanzenwettbewerben abzuerkennen, im Skispringen ebenso wie in der Nordischen Kombination: überall dort, wo jene Sprunganzüge zum Einsatz kamen, an denen – mindestens bei zwei Exemplaren – in betrügerischer Absicht herumgeschneidert worden ist.

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Im Deutschen Skiverband (DSV) verlangt Sportdirektor Horst Hüttel vom Weltverband Fis die Vorlage einer lückenlosen Liste mit Angaben, wann welcher Anzug verwendet wurde. Zu irgendetwas müssen die Chips im Stoff ja nützlich sein, um die herum Norwegens Schneider im Beisein von Sprung-Cheftrainer Magnus Brevig mit der Schere so kunstvoll geschnippelt haben. An der Authentizität der heimlich aufgenommenen Filmaufnahmen aus Norwegens nordischer Nähstube besteht kein Zweifel: Der norwegische Verband hat die Manipulation der Outfits von Marius Lindvik und Johann Andre Forfang zum Zwecke aerodynamischer Vorteilsbeschaffung inzwischen kleinlaut zugegeben.

<strong>Welche Demütigung wäre es, wenn die Fis – wie von Österreich gefordert – alle sieben norwegischen WM-Titel einkassiert?</strong>

In den Hügeln am Fjord von Trondheim haben Norwegens Skiathleten in den vergangenen beiden Wochen vor einem begeisterten Publikum 32 Medaillen gewonnen, davon 13 goldene. Niemand war annähernd so erfolgreich wie dieses skandinavische Land, für das Laufen durch den Schnee auf langen Brettern, auch im Dauerregen, zum Lebensgefühl gehört. Hunderttausend zogen am Samstag in den Wald an den Rand der Loipe des 50-Kilometer-Laufs mit Kindern, Schlitten, Ski, Tröten und Tubas, mit Holz für Lagerfeuer und Würstchen für das Winter-Barbecue. Manche übernachteten sogar im Schnee.

Welche Demütigung, welch Blamage für die sportbegeisterten Landsleute, würden, wie von Österreich gefordert, nun die sieben norwegischen WM-Titel im Skisprung und in der Kombination einkassiert. Es blieben nur jene bemerkenswerten sechs Titel übrig, die Johannes Hoesflot Klaebo im Langlauf gewann – ein einzelner Mann, nicht die Auswahl einer ganzen skisportbegeisterten Nation. Das ist mehr als ein numerischer Unterschied.

In Erklärungsnot: Norwegens Skisprung-Cheftrainer Magnus Brevig (vorne) und Sportdirektor Jan-Erik Aalbu. (Foto: Terje Pedersen/Reuters)

Aus Norwegens Nähmaschinenskandal lässt sich einmal mehr die These ableiten – diesmal auf durchaus originelle Weise –, dass dieses hoch kompetitive Milieu keine Wunder liefert, weder im Winter- noch im Sommersport. Es gibt nur Leistungen und Erklärungsmuster. Das Erarbeiten eines Wettbewerbsvorteils gehört zum Wesen des Leistungssports, auch das hat DSV-Sportdirektor Hüttel in Trondheim unter den Schanzen eingeräumt: Im Wettbewerb der Kräfte wird jedes Team versuchen, aus schärferem Schliff, schnelleren Ski, besseren Anzügen oder einem effektiveren Fördersystem einen Vorteil zu schöpfen. Aber Vergleichbarkeit – Fairness – entsteht nur, wenn dies im Rahmen der Regeln bleibt.

Vom Skiweltverband Fis wird nun Klärung erwartet, wie mit Norwegens Sprungmedaillen zu verfahren ist. Norwegens Skiverband muss den Landsleuten einen Betrug erklären. Mit dieser Selbstdestruktion müssen sie im Norden allein fertigwerden.

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