Eine Begegnung im Schnee, noch nicht alltäglich am Rand einer WM-Loipe. Kathrin Marchand aus Köln, 34 Jahre alt, hatte ihren Para-Qualifikationslauf gerade beendet, als eine junge Gegnerin, ebenfalls noch mit der Startnummer auf dem Trikot, auf sie zukam. „Hey, gutes Rennen!“, sagte die Schwedin, die eine ähnliche Einschränkung hat. Dann plauderten beide ein paar Minuten angeregt darüber, dass die schnellere Marchand in der Spur nicht einzuholen war. „Man spricht bei uns im Parasport miteinander“, sagte Marchand anschließend amüsiert: Das sei durchaus „anders im olympischen Bereich“.
Sie beginnen gerade erst, einander besser kennenzulernen, die Para-Skilangläufer und die olympischen Skilangläufer. Bei den Nordischen Weltmeisterschaften in Trondheim teilen sie sich an zwei Tagen die Bühne. Sie laufen sogar in derselben Loipe – nacheinander natürlich, und noch ist für die Para-Athleten nur eine Wettkampfdisziplin, der Sprint in der klassischen Technik, vorgesehen. Aber ein Anfang ist gemacht. Es gehe auch darum, „Kontaktängste abzubauen“, sagt Marchand, die als olympische Ruderin, als Para-Ruderin und nun auch als Para-Langläuferin beide Welten kennt.

Kathrin Marchand im Interview:„Bei den Paralympics ist es herzlicher, Olympia ist strenger“
Zum Abschluss der Paralympics spricht Ruderin Kathrin Marchand, die in London 2012 und Rio 2016 vor einem Schlaganfall noch Olympia-Athletin war, über den Vergleich zwischen beiden Sportfesten.
Es ist tatsächlich ein Novum, dass die Organisatoren in Norwegen die Para-Langläufer zu ihrem Schneefest eingeladen haben. Der Impuls kam vom Veranstalter, sagt Bundestrainer Ralf Rombach: „Die WM in Trondheim wollte den Para-Wettbewerb einbinden“, der Weltverband Fis habe zugestimmt. „Die wollten hier auch ein Zeichen setzen. Inklusiv und nachhaltig zu sein, das passt wohl gut ins Konzept.“ Den Skiathleten mit Einschränkungen, die in Deutschland nicht im DSV, sondern im Deutschen Behindertensportverband (DBS) beheimatet sind, bietet sich damit ein gewaltiges neues Forum. „Es wird ein unglaubliches Highlight für uns alle“, sagte Anja Wicker, 33, aus Stuttgart, die in der Klasse sitzend im Schlitten startet, vorige Woche bei einer Pressekonferenz. „Ich finde es einfach toll, dass wir uns und unseren Sport mal auf so einer Bühne präsentieren dürfen.“ Es sei auch an der Zeit. Bei den Paralympics in Sotschi 2014 hat sie einmal 8000 Zuschauer im Stadion erlebt: „Seitdem waren es leider nicht mehr so viele.“
Am Dienstagvormittag beim Prolog, der Qualifikation für die WM-Rennen, als dicke, nasse Flocken durch die Arena stoben, waren erst einige Hundert Besucher zugegen. Weil alle Athleten dieselbe strapazierte Loipe nutzen, wurde der Para-Wettbewerb auf zwei Tage gestreckt. Wenn es an diesem Mittwoch in die Goldspur geht, könnten es durchaus wie üblich Zehntausende auf den Tribünen sein; sechs WM-Titel in drei Klassen (stehend, sitzend, mit Sehbehinderung) sind zu gewinnen. Von den elf deutschen Athleten haben es am Dienstag neun in die Hauptrunde geschafft, auch Anja Wicker. Überraschenderweise kamen allerdings Marco Maier, Titelverteidiger bei den Männern stehend, und Nico Messinger mit Guide Christian Winker nicht weiter. Der Neuschnee war schuld, glaubt Bundestrainer Rombach: Beide Athleten „leben von der Kraft“ – in der weichen Spur konnten sie die Energie nicht umsetzen.
Nur der WM-Sprint, besonders fernsehtauglich, wird also in Trondheim einem großen Publikum vorgeführt. Die Para-WM ist diesmal zweigeteilt, die anderen Wettbewerbe hatte die Fis vor zwei Wochen in Toblach ausgerichtet. Ein Teil des deutschen Teams ist am Montag per Sonderzug aus dem norwegischen Steinkjer ins rund zwei Stunden entfernte Trondheim gekommen. In Steinkjer hätte am Sonntag eigentlich der Weltcup-Saisonabschluss stattfinden sollen. Dauerregen machte die Pläne zunichte. Die Fis-Jury sagte den abschließenden Wettkampf über fünf Kilometer in der klassischen Technik ab, für Rombach „die einzige richtige Entscheidung“, weil die Loipe „nicht mehr laufbar“ war. Am Freitag, ebenfalls in Steinkjer, hatte sich Leonie Walter mit einem zweiten Platz über zehn Kilometer bei den Frauen mit Sehbeeinträchtigung mit ihrem Guide den Gesamtweltcup gesichert; Wicker wurde Gesamtweltcup-Zweite.
Noch ein Novum: gleiches Preisgeld für die Langläufer und Langläuferinnen
In Trondheim angekommen, geht es den Para-Athleten nicht nur um den Sport. Sondern auch um Teilhabe, Sichtbarkeit, Gleichberechtigung. Sie erhalten für einen WM-Sieg 60 000 norwegische Kronen (rund 5100 Euro), ein Rekordpreisgeld, wie der Skiweltverband Fis erklärt. Der Bundestrainer würdigt diese Anstrengungen. Die Verbände und die Fis, sagte er, „sind sehr bemüht“, für den Parasport werde viel unternommen, es gebe hauptamtliche Mitarbeiter für die Sparte. Aber er sieht auch die Schwierigkeiten: Derzeit könne der Parasport „nicht für so viele Rückflüsse sorgen“, weil die mediale Präsenz überschaubar sei. Und man merke, „dass die Fis ein Supertanker ist, dessen Manövrierfähigkeit sich in Grenzen hält. Das ist einfach ein Multi-Schneesportverband“. Im Biathlonverband habe er das Gefühl, dass „dort die Dinge schneller aufs Gleis gestellt werden“.
Ähnlich sieht es Kathrin Marchand, die ehemalige Olympiaruderin, die sich nach einem Schlaganfall als Ruderin für die Paralympics in Paris qualifizierte und erst im Herbst ernsthaft mit dem Langlauftraining begann. Im Rudern, sagt sie, bestreiten die Athleten, Para oder nicht, schon seit Jahren alle Wettkämpfe gemeinsam, auch die WM. Im Kanu gibt es diese Inklusion ebenso. „Für mich“, sagt Marchand, „ist es nur neu, dass das im Skifahren neu ist.“
Wie es bei der nächsten Nordischen Ski-WM 2027 in Falun weitergeht, hängt wohl auch vom Beispiel Trondheim ab. Eine Idee hätte Kathrin Marchand noch: Es wäre schön, sagt sie, wenn im WM-Athletenhotel alle bei den Mahlzeiten zusammenträfen. Noch gebe es getrennte Essenssäle.