Nordische Ski-WM:Gold aus dem Windschatten 

Nordische Ski-WM Lahti

Überglücklich: Carina Vogt gewinnt in Lahti, Finnland, den Weltmeistertitel im Skispringen von der Normalschanze.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Die Schwäbin Carina Vogt gewinnt das Skispringen der Frauen und damit den vierten großen Titel ihrer Karriere.

Von Volker Kreisl, Lahti

Sara Takanashi saß regungslos auf dem Podium und sprach in das Mikrofon. Sie lächelte und bedankte sich mechanisch. Sie erklärte, sie freue sich sehr über Bronze, sie sei "very happy", und sie versuche auch beim nächsten Mal, im Mixed-Wettbewerb am Sonntag, alles zu geben. Very happy also. Vielleicht ahnte sie, dass ihr das keiner abnahm, vielleicht brach die Wahrheit dann auch einfach so in ihr durch, jedenfalls beendete die japanische Ausnahme-Skispringerin ihren Vortrag mit den Worten, dass ihr Ziel hier natürlich Gold war: "Ich habe jetzt schon gemischte Gefühle."

Es ging ihr nicht gut, das war klar, auch wenn es ihr vielleicht die Höflichkeit und die Sitte noch so verbietet, dies zu zeigen. Takanashi hatte geweint, als sie nach ihrem letzten Sprung die Zahl 251,1 und dahinter die "3" aufleuchten sah, und als im selben Augenblick nebenan in der Leader Box wieder mal die Schwäbin Carina Vogt mit Freudentränen in die Knie ging. Wieder dieselbe Szene, wieder lag Vogt vor Takanashi, und weil auch der Norwegerin Maren Lundby als Schlussspringerin des Finales die Konzentration abhandenkam, wurde Vogt dann auch noch Weltmeisterin und ging richtig in die Knie.

2014 wurde sie die erste Olympiasiegerin im Skispringen

Vogt, 25, hat am Freitag in Lahti also ihren vierten großen Titel gewonnen nach Gold bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi, Gold bei der Weltmeisterschaft in Falun 2015 und Gold in der Mixedstaffel in Falun. Gold, Gold, Gold und Gold also, wobei noch zu erwähnen wäre, dass mit dem ersten großen Titel ein zweiter verbunden ist, quasi Doppelgold, denn die ganze Disziplin wurde ja 2014 erst ins olympische Programm aufgenommen, Vogt ist also auch für immer die erste Olympiasiegerin im Skispringen. Im Weltcup, in dem Takanashi mit 53 Siegen auf Jahre hinaus uneinholbar ist, gewann Vogt bislang zweimal.

Wie jeweils im Februar der Vorjahre, war Vogt auch diesmal sozusagen aus dem Windschatten gesprungen. Eine Saison lang hatte sie nicht gerade überragt, im Gegenteil, sie war von sich selber enttäuscht. Sie hatte schon eine verkorkste Saison 2015/2016 hinter sich, hatte sich gerade wieder herangearbeitet, nachdem sie, wie sie sagt, "den Hunger auf den Erfolg" wieder gespürt hatte. Dann war der Hunger wieder voll da, doch der Erfolg blieb in der ersten Saisonhälfte aus.

Es ist wohl das Schema der Carina Vogt: Sie arbeitet im Stillen, wirkt lange in Schwierigkeiten und auf der Suche, aber wenn es darauf ankommt, dann ist sie wieder da. Beim Weltcup in Hinzenbach am 4. Februar hatte Vogt die Schwachstelle in ihrem System gefunden und behoben: Der Schuhwechsel, den sie im Herbst vorgenommen hatte, war die Ursache. So eine Materialentscheidung nimmt man ja nicht ohne weiteres wieder zurück, beim Weltcupspringen in Österreich versuchte sie es dann aber doch, und das Ergebnis war eindeutig.

Der Keil im Schuh war ihr ein paar Millimeter zu hoch

Vogt sprang seitdem viel weiter, dreimal auch wieder auf das Podest. In Lahti hatte sie zu Beginn dieser Woche zunächst wieder Schwierigkeiten, die richtige Flugkurve zu finden, doch auch dieses Rätsel ließ sich lösen. Bei Springern geht es ja um kleinste Details, und bei Vogt gewissermaßen um die Höhe ihres Absatzes. Ein Keil im Schuh lässt die Springer etwas nach vorne kippen, womit sie offensiver abspringen, doch für Vogt war dieser Winkel zu groß. "Ich habe es mit ein paar Millimetern weniger versucht", sagte sie, "und das war die Lösung."

Die Kurve stimmte, die Höhe auch und erst recht die Weite. Und während alle anderen Springerinnen kämpften, einen guten und einen schlechten Sprung zeigten, sprang Vogt zwar keine spektakuläre Rekordweite, zeigte aber zwei verlässliche sichere Flüge auf höchstem Niveau. Sie ließ Takanashi hinter sich, zudem deren Landsfrau Yuki Ito, die Silber holte, sie war rechtzeitig in ihrer Top-Form - wie immer zum Höhepunkt der Saison.

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