Nordische Ski-WM:Attacke zum richtigen Zeitpunkt

Nordische Ski-WM Lahti

Freut sich über sein drittes Gold bei der WM in Lahti: Kombinierer Johannes Rydzek.

(Foto: dpa)
  • Was für ein überragender Wettkampf von Johannes Rydzek bei der Nordischen Ski-WM in Lahti.
  • Der Kombinierer holt Gold, weil er im Langlauf eine besondere Qualität an den Tag legte.
  • Mit der Rolle als "Jäger" kommt er diesmal bestens klar.

Von Volker Kreisl, Lahti

Am letzten Anstieg, kurz vor der Stadioneinfahrt und rund 500 Meter vor dem Ziel, war Johannes Rydzek dann nicht mehr zu halten. Er legte sich noch etwas weiter nach vorne als in den zurückliegenden 9,5 Kilometern, stemmte die Stöcke in den Schnee und hüpfte mit zwei, drei schnellen Schritten auf und davon in Richtung dritte Goldmedaille.

Akito Watabe versuchte, mit ein paar Gegenhüpfern zu kontern, François Braud kämpfte auch noch kurz mit, aber es half letztlich nichts. Rydzek hängte die beiden an der entscheidenden Stelle dieses Rennens ab und verteidigte den Vorsprung von fünf Sekunden bis ins Ziel. Wieder war es der Oberstdorfer, der die Fäuste hoch riss, er gewann auch den dritten Wettkampf der Kombination bei dieser WM. Nur diesmal schien es so zu sein, als zeige er beim Jubeln seine Zähne noch stärker als sonst. Für ihn war es ja ein taktisch perfektes Rennen, durch das er nun vorläufig der beste Athlet dieser WM und zudem mit zehn Medaillen der beste WM-Kombinierer überhaupt ist.

"Der Glaube war immer da, zum Schluss habe ich die Attacke zum richtigen Zeitpunkt gesetzt", sagte Rydzek. Dabei hatte bei diesem Kombinationslauf nicht nur Rydzek gewonnen. Es gab mehrere Sieger, mindestens auch der Zweite Watabe und der Bronze-Gewinner Braud, die im Ziel genauso triumphal gestikulierten. Zudem gewann noch die Sportart Nordische Kombination als Ganzes. Denn nachdem das deutsche Team in Lahti bisher alle möglichen Medaillen allzu überlegen errungen hatte, brachte dieses Rennen den Fans wieder die eigentliche Intention eines Wettkampfs: Spannung.

Mit einer Minute Rückstand geht Rydzek in den Langlauf

Das lag insbesondere an den mäßigen Leistungen der Deutschen auf der Großschanze. Während sie, die ohnehin besten Langläufer der Branche, am vergangenen Wochenende auf der Kleinschanze äußerst komfortable Vorsprünge herausgeflogen hatten, zeigte sich am Großbakken ein anderes Bild. Bester Deutscher war Rydzek mit einer Minute Rückstand für den anschließenden Lauf. Eric Frenzel (Oberwiesenthal) hatte sogar 1:29 Minuten, Fabian Rießle und Björn Kircheisen lagen grob weitere zehn Sekunden dahinter.

"Ich bin eigentlich zufrieden mit meinem Sprung, aber ich hatte heute nicht die Unterstützung von unten", sagte Frenzel danach. "Das Laufen wird zäh", sagte Rießle. "Du brauchst einfach im unteren Teil Aufwind", sagte Kircheisen, der aber durch das Staffelgold sein WM-Ziel schon vorher erreicht hatte: endlich mal ein Sieg bei einem Großereignis. Nach elf Silbermedaillen in 16 Jahren hatte Kircheisen mit seiner Karriere schon Frieden geschlossen.

Nur noch "volle Attacke" nach dem Springen

Die Drei hatten also nur sehr geringe Medaillenaussichten und kamen am Ende auf den Plätzen sechs (Rießle), sieben (Frenzel) und 16 (Kircheisen) an. Rydzek dagegen erklärte nach dem Springen, seine Ausgangsposition sei doch recht gut und kündigte an: "Volle Attacke." Nach dem Springen hatte er zwar diese 60 Sekunden Rückstand auf den führenden Österreicher Mario Seidl, aber Seidl war nicht das Problem.

Der Österreicher ist ein starker Springer und ein mittelmäßiger Läufer, der mit guter Krafteinteilung locker einzuholen ist. Unberechenbarer waren die Stärken von Rydzeks anderen Kontrahenten, die er auch noch überholen musste. Zudem hatte er schon zwei Wettbewerbe binnen drei Tagen in den Knochen - als Schlussläufer der Staffel und als Gewinner des ersten WM-Einzelrennens. Und schließlich war nicht absehbar, ob Rydzek nicht wieder ein Fehler im eigenen Kräfte-Management unterlief, so wie kürzlich beim Weltcup-Höhepunkt in Seefeld.

Doch diesmal war er nicht der Gejagte, sondern der Verfolger, ein Jäger, der mehrere Ziele im Auge haben musste: den jungen Seidl und die drei Mitverfolger, die er schon nach wenigen Metern eingeholt hatte. Es ging darum, Seidl nicht zu schnell einzuholen und sich womöglich im weichen Schnee als Zugpferd der anderen zu verausgaben, die ihn dann locker abhängen konnten. Zumindest diese Befürchtung, das zeigte sich schon nach anderthalb Runden, war unbegründet.

Am letzten Anstieg vollendet Rydzek seinen Plan

Rydzek, der den Weltcupstatistiken zufolge der beste Läufer seiner Gruppe war, jagte gedrosselt. Am schweren Anstieg im Wald westlich des Stadions machte die Gruppe - meist unter seiner Führung - jeweils zirka 15 Sekunden gut, in der Abfahrt danach erholte man sich. Nach 7,5 Kilometern war Mario Seidl überholt, wenig später musste der zweite Österreicher abreißen lassen, Wilhelm Denifl; und schließlich bewegte sich die Gruppe auf den letzten kurzen Anstieg zu, an dem Rydzek seinen Plan vollendete.

Er beherrscht die beiden nordischen Hauptdisziplinen als verbundene Sportart zurzeit am besten, Bundestrainer Hermann Weinbuch sagte nach Rydzeks Sieg: "Er ist der kompletteste Kombinierer."

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