Ski-Nordisch-WM:Der lange Lauf

Lesezeit: 3 Min.

Etwas überraschend beste deutsche Skilangläuferin am Dienstag in Planica: Pia Fink wird über zehn Kilometer Freistil Siebte. (Foto: Maja Hitij/Getty Images)

Im Freistilrennen über zehn Kilometer kommen drei deutsche Langläuferinnen unter die besten 15. Das weist auf gute Chancen in der Staffel hin - und auf Arbeit in den kommenden Jahren.

Von Volker Kreisl, Planica

Regelmäßig wird gerade zurückgeblickt im deutschen Langlauf. Das Jahr 2011 entwickelt sich im Nachhinein für Ski-nordisch-Anhänger vom Erfolgsjahr zu einem Anlass, die Augen zu schließen und den Kopf zu schütteln. Es war 2011, als die bislang letzte deutsche Langlauf-Medaille bei einer Nordisch-WM für den Deutschen Skiverband (DSV) errungen wurde. Und geht es aktuell so weiter, dann wird den Langläuferinnen und Langläufern auch nach dieser Weltmeisterschaft in Planica mindestens ein weiteres Jahr lang vorgehalten, dass nun ihre Misserfolgsserie weitergeht. 2011 - schon 12 Jahre her!

Doch der Langlauf mit seinen verschiedenen Techniken und seinen Wettkampfformaten ist vielfältig, man kann das finale Erblühen eines Athleten nicht vorbestimmen. Und die Auswahl von Teamchef Peter Schlickenrieder wird wohl auch in diesem Winter kleinere Fortschritte schaffen, wenn auch keinen großen Durchbruch. Auch am Dienstag nach dem Zehn-Kilometer-Rennen, diesmal im Freistil, kamen ordentliche Ergebnisse heraus, drei Läuferinnen - Pia Fink, Katharina Hennig und Victoria Carl - schafften es unter die besten 15. Vorneweg liefen jedoch andere. Am Ende gewann die US-Amerikanerin Jessie Diggins vor den Schwedinnen Frida Carlsson und Ebba Andersson. Fink, 27 Jahre alt, wurde dank einer guten Renneinteilung mit Platz sieben beste Deutsche. Teamchef Peter Schlickenrieder lobte den Gesamtauftritt eher sachlich, merkte aber an, dass das Ergebnis "Energie für die Staffel" freisetzen werde.

Nathalie Armbruster bei der Nordischen Ski-WM
:Im Zwischenzeugnis eine glatte Eins

Nathalie Armbruster ist erst 17 Jahre alt, aber mit zwei WM-Silbermedaillen hat sie den Spezialauftrag angenommen, der Nordischen Kombination neue Popularität zu bescheren. Aber erst nach der Klassenfahrt.

Von Volker Kreisl

So wird es noch eine Weile dauern, bis wieder ein deutsches Langlauf-Talent zu einem Siegläufer bei Großereignissen heranwächst. Dabei hatte Katharina Hennig, derzeit die reifste und schnellste Läuferin in Schlickenrieders Team, schon länger gezeigt, dass sie dem Ziel zumindest näherkommt: In dieser Saison hatte sie einen Weltcup gewonnen, und zum Auftaktrennen der WM, dem Skiathlon, fehlten ihr nur 5,3 Sekunden nach 15 Kilometer zu Bronze. Ein solcher Einzelerfolg wäre wichtig gewesen, nicht nur, weil er die Jahreszahl 2011 endlich vergessen gelassen hätte, sondern weil er auch bei den anderen deutschen Teamkollegen und den Talenten in den Skiklubs weitere Kräfte hätte freisetzen können. Wenn auch nicht so plötzlich wie vor einem Jahr in Peking - bei den Olympischen Spielen.

Da hatten sich Hennig und Carl, die ursprünglich gar nicht in dieser Besetzung vorgesehen waren, im Teamsprintrennen gegenseitig in ihren Ambitionen und in ihrer Zuversicht hochgeschaukelt, was zusätzliche Kräfte freisetzte. Sie kämpften sich in diesem speziellen Format immer weiter von den Ausscheidungsrennen über Viertel- und Halbfinale vor, bis in den letzten entscheidenden Kampf. Nicht wenige jüngere Zuschauer, die dies live gesehen hatten, fragten danach ihre Eltern, ob sie bitte auch Langlaufskier bekommen dürfen. Denn die beiden hatten gegen alle Langlaufländer dieser Welt am Ende Gold geholt. Und das in einem Finish, das nun selbst ein Renner ist, im Internet.

In den zwei Jahren seit dem Olympiasieg seien "so viele Langlaufskier verkauft worden wie noch nie"

Andreas Schlütter, Sportlicher Leiter Langlauf im Deutschen Skiverband, ist sich sicher, dass dieses Ereignis insgesamt seinem Sport einen Schub gegeben hat. "Grundsätzlich war da etwas, das so auch nicht mehr so schnell passieren wird", sagt Schlütter. Es ist vielleicht ungerecht, aber diese Sekunden von Peking haben wohl mehr Werbung unter den Talenten ausgelöst als manche Vereinsarbeit. "Das hat mit der Mannschaft etwas gemacht", sagt Schlütter. Nicht nur Hennig und Carl, sondern das ganze Team bekam einen Schub an Selbstbewusstsein. Und auch viele junge Langläufer, so Schlütter, sagten: "Hoppla, es geht ja doch was, das merkt man noch jetzt klar im Training."

Denn um die Basis musste in dieser Zeit nicht geworben werden. Es war die Corona-Zeit, Sport war nur eingeschränkt und unter freiem Himmel möglich, und doch oder gerade deshalb sehnten sich viele nach Bewegung im Freien. "In den zwei Jahren sind so viele Langlaufskier verkauft worden wie noch nie", sagt Schlütter, "denn die Alpinhänge waren alle geschlossen." In der Kombination mit den Olympia-Erfolgen habe dies einen Push gegeben, "alle wollten sich draußen bewegen, und: Zum Glück war die Schneelage gut."

Dann kam noch der Olympia-Effekt hinzu. Womöglich profitieren zurzeit also nicht nur die Talente, sondern auch die deutsche Nordisch-Elite selbst, also Carl, Hennig und die beiden Jüngeren Fink und Sophie Krehl von diesem Ereignis. So etwas wirkt oft länger nach, und Carl und Hennig könnten nun einen verspäteten Motivationsschub vom eigenen Olympia-Anstoß vor einem Jahr erfahren.

Sie haben in dieser Woche zumindest noch Chancen auf einen Podestplatz in Planica. In der Staffel am Donnerstag stehen diese grundsätzlich gut. Im langen Einzelrennen am Samstag geht es dann noch über 30 Kilometer, und wenn Victoria Carl und Katharina Hennig dabei noch einmal alle Kräfte mobilisieren und einen Podestplatz erlaufen, dann könnte die deutsche Langlaufszene das Jahr 2011 endgültig vergessen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Planica
:Alle Ergebnisse der Nordischen Ski-WM 2023 im Überblick

Die Nordische Ski-WM 2023 in Planica ist vorbei. Norwegen dominierte die Weltmeisterschaft und holte insgesamt 12 Goldmedaillen. Die Ergebnisse im Überblick.

Von Michael Schnippert

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: