Nordische Kombination:Riiber bremst die Deutschen aus

Lesezeit: 3 min

Jarl Magnus Riiber zieht davon und führt Norwegen zum Sieg. (Foto: Joe Klamar/AFP)

Die WM-Kombination auf der Großschanze entwickelt sich zu einem spannenden Rennen - am Ende gewinnt Norwegen. Der Bundestrainer protestiert und kritisiert ein Manöver des norwegischen Schlussläufers.

Von Volker Kreisl, Planica

Einiges stand auf dem Spiel. Die Team-Stimmung etwa, die bei den deutschen Kombinierern latent belastet ist, weil mehr als vier Läufer für die vier Staffelplätze kandidieren. Nicht weniger als Gold war in dieser Staffel ja möglich, zudem ein Fabelrekord, die Ablösung eines der größten Nordisch-Cracks - Björn Dählie - im WM-Medaillen-Ranking. Vor allem aber ging es um diesen Erfolg in diesem Rennen über Großschanze und Großstrecke.

Weil Sportler aber nicht dazu neigen, auf eine Medaille zu verzichten, etwa weil sie schon genug haben, drohte nach einer üblichen normalen Rennaufstellung Ärger, weshalb Hermann Weinbuch, der langgediente Bundestrainer Nordische Kombination, neue Wege ging. Statt seinem Trainergespür vertraute er der Wissenschaft. Von jedem seiner WM-Fahrer ließ er die Stärken in der örtlichen Loipe von Planica und auf der Großschanze überprüfen, viele Statistiken wurden herangezogen, aktuelle Parameter verglichen und formatiert, summiert und in einen Punktewert gegossen. Kurz gesagt, Manuel Faißt (3,1 und 3,7 Zähler) war draußen, Eric Frenzel und Johannes Rydzek kamen auf mehr und waren dabei; Julian Schmid und Vinzenz Geiger waren ohnehin gesetzt.

Am Ende wühlen sie sich durch den Schnee, sind kurz davor, sich gegenseitig umzurennen

Das ist für den Betroffenen unbefriedigend, aber Weinbuch hatte ein gutes Argument: Was sonst konnte man tun? Und schließlich hat das Feingespür der Weinbuchschen Formel das erwünschte Ergebnis gebracht. Die deutsche Staffel gewann am Mittwoch Silber, hinter den Norwegern, deren Topläufer Jarl Magnus Riiber im Spurt an die Grenzen gehe musste, um sich Weinbuchs Schlussmann Julian Schmid vom Leib zu halten. Dritter wurde Johannes Lamparter aus Österreich, insgesamt war es ein Wettkampf, der alles offenbarte, was die Kombination ausmacht: Technische Fertigkeiten in der Luft und in der Loipe, wechselnde Führungen und eine Schlussrunde, die alles bot, provozierendes Spaziertempo und am Schluss einen rasenden Langsprint.

So ein Kombinationstag ist lang, mit Vorbesprechung, Probesprüngen, Wettkampfflügen und dann noch einer Verfolgungsstaffel. Wegen der viel zu spät eingeführten Frauensparte kann dieser Sport jeden spannenden Auftritt als Argument vor dem skeptischen Olympia-Programmgestaltern gebrauchen, und dieser Mittwoch hatte alles parat. Schon im Springen hatte eine Art Aufholjagd eingesetzt. Riiber, der im Februar noch schwer magen-darm-kranke Top-Kombinierer, hatte sich längst wieder erholt, und auch hier war er beim Springen unübertroffen. 139 Meter hatte er hinter sich gebracht, ehe er aufsetzte, alle folgenden Deutschen, Österreicher und Finnen konnten den Rückstand nicht aufholen - bis dann Julian Schmid als letzter Springer am Mittag dran war. Er flog hoch und weit, hatte viel Geschwindigkeit und kam Riibers Marke nahe. Mit 137 Meter hatte er den Rückstand beim Start des Langlaufsverfolgers von 34 auf 23 Sekunden gedrückt.

Ski-Nordisch-WM
:Der lange Lauf

Im Freistilrennen über zehn Kilometer kommen drei deutsche Langläuferinnen unter die besten 15. Das weist auf gute Chancen in der Staffel hin - und auf Arbeit in den kommenden Jahren.

Von Volker Kreisl

Bis dahin hatte die Methode Formel also funktioniert. Aber enthielt sie auch die Berechnung aller Wendungen und gegnerischen Aktionen in einem Rennen? Gold war plötzlich wieder möglich, doch alles kam auf Frenzel und Rydzek an, die noch mal die Kraft aufbringen mussten für ein Fünf-Kilometer-Rennen. Schnell war deutlich: Frenzel hatte noch die Kraft, und Rydzek im dritten Staffel-Durchgang ebenso. Der erste hatte den Start-Abstand zu Norwegen zugelaufen und den Kollegen so einen Neustart serviert, und Rydzek hielt später das Tempo, ehe es in die entscheidende letzte Runde ging.

Ein Spaziergang war das zunächst. Riiber und Schmid, die jeweiligen Schlussläufer, belauerten sich, sie zuckten hier mal und bremsten dort wieder, bis das restliche Feld aufzulaufen drohte, was ihnen vermutlich egal war. Am Ende, als noch ein geschätzt halber Kilometer vor ihnen lag, begann der eigentliche Schlussspurt. Riiber zog an und Schmid hängte sich in seinen Windschatten, die beiden wühlten sich durch den Schnee, und waren kurz davor, sich gegenseitig umzurennen. Grenzwertig war dann schließlich die Situation, in der Schmid in der Innenseite einer Kurve in eine Lücke stieß - und von Riiber ausgebremst wurde.

Der Bundestrainer findet, dass "da eine Grenze überschritten" wurde

"Das war am Rande der Unsportlichkeit, das sollte man untersuchen", sagte Weinbuch später, dessen Protest zu seinem Unverständnis von der Rennleitung abgeschmettert wurde: "Wir wollen einen Fight, aber wir wollen einen fairen Fight, unserer Meinung nach wurde da eine Grenze überschritten."

Danach verlor der Oberstdorfer jedenfalls den Anschluss, Riiber skatete auf und davon, Schmid holte vor dem Österreicher Lamparter Silber, und Schmids Teamkollege Eric Frenzel gewann auch noch etwas. Mit diesem zweiten Platz und seiner 18. Medaille bei einer Weltmeisterschaft löst er tatsächlich Björn Dählie als besten Athlet nach Medaillen bei Nordisch-Weltmeisterschaften ab.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Planica
:Alle Ergebnisse der Nordischen Ski-WM 2023 im Überblick

Die Nordische Ski-WM 2023 in Planica ist vorbei. Norwegen dominierte die Weltmeisterschaft und holte insgesamt 12 Goldmedaillen. Die Ergebnisse im Überblick.

Von Michael Schnippert

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: