Nordische Kombination:Showdown der Touristen

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Hauchdünn an Gold vorbei: Der Norweger Jarl Magnus Riiber (vorn) ist dem Deutschen Schlussläufer Vinzenz Geiger uneinholbar enteilt. (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Die deutschen Kombinierer gewinnen zum Abschluss der WM Staffel-Silber hinter Norwegen. In der Loipe hatte das Quartett aufgeholt, dann jedoch kurz geschlafen.

Von Volker Kreisl, Seefeld

Zwei Sportarten vereint die nordische Kombination, aber am Samstag kam bei der Weltmeisterschaft eine weitere Disziplin hinzu. Bei Skispringen und Langlaufen blieb es nicht für die deutsche Staffel-Mannschaft, er habe keine andere Wahl, sagte Bundestrainer Hermann Weinbuch: "Wir müssen pokern."

Die Rückstände nach dem Springen in diesem Staffelwettkampf von der Kleinschanze zwangen ihn zu einer Aufstellung nach dem Motto: alles oder nichts. Am Ende ging die Rechnung auf. Obwohl die Deutschen als Vierte und mit einem Rückstand von 41 Sekunden in die Loipe aufgebrochen waren, kam ihr Schlussläufer nach 20 Kilometern nur eine Sekunde hinter Norwegens Jarl Magnus Riiber als Zweiter an. Ein Sieg wäre durchaus drin gewesen, aber am Ende fehlte doch etwas von einer weiteren Disziplin, nämlich Schlitzohrigkeit. Platz drei belegte Österreich, dessen Quartett als erstes in die Loipe gestartet war. Für Riiber ist es die zweite Goldmedaille bei dieser WM.

Der Wettkampf hatte für die Deutschen nicht sonderlich gut angefangen. Weiß ein Sportler, dass ihm eine Schanze nicht liegt, so ist das ärgerlich, hat er aber zuvor Spitzensprünge hingelegt, und fällt dennoch im entscheidenden Moment zurück, ist es frustrierend. Fast allen ging es so, Weinbuch blieb nichts anderes übrig, als die gewohnte Teamabfolge auf den Kopf zu stellen: Die mit der großen Lunge, also Johannes Rydzek, Eric Frenzel und Fabian Rießle, begannen, der weniger tempostarke Vinzenz Geiger aus Oberstdorf sollte für die Vollendung sorgen, weil er über den besten Schlusssprint verfügt.

Es wurde dann ein turbulentes Rennen, überraschend, lustig und spannend bis zur letzten Biegung vor dem Ziel. Der stärkste Läufer Rydzek, der bei dieser WM bei seinen Einzelauftritten schon zweimal einen Rückstand ordentlich verringert, aber keine Podestplätze mehr erreicht hatte, sollte als erster Läufer "möglichst viel gut machen." Schon nach 2,5 Kilometern hatte Rydzek den Anschluss an Japan und Norwegen hergestellt, während Österreichs Bernhard Gruber ganz vorne einteilte. Alles lief also nach Plan, doch dann brach Rydzek unvermittelt ein, in dieser Art wohl das erste Mal bei einer großen Veranstaltung. Später sagte er: "Ich hab erst alles probiert, am letzten Anstieg hat es mir dann den Stecker gezogen." Auf 59 Sekunden wuchs der Rückstand zur Spitze, die Loipe war tief, die Ski womöglich mäßig gewachst, die Zwischendiagnose lautete: verpokert.

Neuneinhalb Kilometer vor Schluss waren alle drei Favoriten beisammen

In der zweiten Runde aber nahm Frenzel die Verfolgung auf, der einen besseren Tag erwischte, die Sache aber auch langsamer anging. Im Schnitt fünf Sekunden pro Zwischenzeit machte er in seiner ersten 2,5-km-Runde gut, dann wurde er immer schneller - und den Führenden Mario Seidl aus St. Veit im Pongau verließen die Kräfte. Als Frenzel an Rießle übergab, lagen nur noch Norwegens zweiter Läufer und 14 Sekunden zwischen den Deutschen und der Führung.

Nach 500 Metern hatte er bereits aufgeschlossen, alle Rückstände waren nun aufgeholt und die drei Favoriten beisammen. Eigentlich brauchte es jetzt nur noch einen Schlusssprint, und alle hätten weiterziehen können zur Siegerzeremonie. Das Problem für alle drei Beteiligten: Es waren noch neuneinhalb Kilometer zu laufen.

Auf denen spielte sich eine gefühlt doppelt so lange, teils nervende, teils wiederum amüsante gemeinsame Langlauftour ab, in der sich das jeweilige Trio belauerte, die Läufer Ausbrüche antäuschten und abbrachen, fast wieder stehen blieben und sogar selber ins Grinsen kamen. Aus der Ferne wirkten sie wie ein Touristengrüppchen beim Nachmittagslanglauf, das immer wieder in seltsame Zuckungen verfiel.

Unspannend war's indes nicht, die Zuschauer wussten ja: Auch diese Strecke hat irgendwann ein Ende und die Drei trödeln auf einen Showdown zu. Der baute sich dann endlich auf wie eine Brandungswelle. In der letzten langen Anfahrt auf den kleinen Hügel vor dem Ziel nahmen alle plötzlich Tempo auf, stampften den letzten Anstieg hinauf, und dann gewann eben der beste Pokerspieler, und das war nicht Geiger sondern Riiber.

Er verzögerte auf der Kuppe ganz kurz, Geiger wollte seine Lauerstellung halten, nahm ebenfalls das Tempo heraus, worauf der Norweger mit zwei flinken Schritten davon hüpfte. "Da hab ich ein biss'l geschlafen", sagte Geiger später. Auf den letzten Metern ließ sich Riiber nicht mehr einholen. Für das Quartett von Trainer Weinbuch war Silber dennoch eine stimmige Farbe, zu weit war es heute schon weg gewesen, zu viel war an diesem Tag passiert.

© SZ vom 03.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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