Nordische Kombination bei Olympia:Geiger, der schnellste Langsame

Nordische Kombination bei Olympia: Der Retter an diesem Tag: Vinzenz Geiger übernimmt in der Staffel von Eric Frenzel

Der Retter an diesem Tag: Vinzenz Geiger übernimmt in der Staffel von Eric Frenzel

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Gold für Norwegen, Silber für Deutschland: Der Team-Wettkampf der Kombinierer verläuft überwiegend rasant. Doch dann bremsen die Besten plötzlich - und es wird richtig spannend.

Von Volker Kreisl

Nordische Kombinierer kann man in verschiedenen Aktionen sehen. Etwa wie sie auf dem Startbalken der Schanze sitzen, oder wie sie im Telemarkschritt landen. Sie wandeln sich dann zum frisch antretenden Langläufer, oder auch zum auf die Zähne beißenden Zielsprinter. Relativ neu wirkte aber die Rolle, in welche die drei Platz-eins-Verfolger nun im olympischen Teamwettkampf zwischendurch schlüpften, nämlich als aufrecht fahrende, sich umschauende, leicht wankende Ü-50-Loiper.

Dabei befanden sich der Deutsche Vinzenz Geiger, der Japaner Ryota Yamamoto und der Österreicher Martin Fritz bei diesen Brems-Aktionen im weitesten Sinne gesehen voll im Schlussspurt. Die ganz heiße Zeit des letzten Kombinationsrennens bei diesen Spielen, des Teamwettkampfs, war eingeläutet, die Phase, in der sonst über die letzten Steigungen gebolzt und die richtige Position gesucht wird.

Jedoch, dass am Ende das Quartett des deutschen Skiverbandes Silber hinter Sieger Norwegen und vor Bronzegewinner Japan gewann, hatte wohl auch damit zu tun, dass Schlussläufer Geiger nicht nur effizient sehr schnell, sondern auch klug langsam fahren kann.

Eric Frenzel holte der Trainingsrückstand ein - nach seinem Schwächeeinbruch musste er behandelt werden

Was war passiert? Die Ausscheidung an der Schanze hatte ein in etwa gleich starkes Nationenquartett an die Spitze des Langlaufrennens befördert; neben den Medaillengewinnern war bis fast zum Schluss auch Österreich noch dabei. Über sieben von acht Schleifen hatten sich zuvor die besten vier NoKo-Teams gemessen, die mit einem Vorsprung so breit wie ein Canyon vor dem Rest des Feldes nach dem Springen in die Spur gegangen waren.

Nordische Kombination bei Olympia: Siegerehrung ohne Eric Frenzel: Also jubeln Manuel Faißt, Julian Schmid und Vinzenz Geiger (von links) alleine.

Siegerehrung ohne Eric Frenzel: Also jubeln Manuel Faißt, Julian Schmid und Vinzenz Geiger (von links) alleine.

(Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Mit dabei bei den Deutschen war auch der aus der Corona-Isolation pünktlich entlassene Eric Frenzel, der sich in der Isolation fit gehalten hatte, und mit seinem Sprung auf 132 Meter mitgeholfen hatte, die Deutschen in Position zu bringen. Jedoch, das Rennen brachte zunächst Höhen und Tiefen hervor für das Team von Bundestrainer Hermann Weinbuch. Die ersten beiden Läufer, Manuel Faißt und Julian Schmid, hatten ihre Aufgabe erfüllt und hielten die Position an der Vierer-Spitze. Dann kam Frenzel, der bald doch noch zum Opfer seiner Isolation wurde, und zweimal abreißen lassen musste.

Und weil in der Zwischenzeit nicht nur nach hinten eine gewaltige Lücke geblieben, sondern auch nach vorne entstanden war, wo der Norweger Joergen Graabak nach siebeneinhalb Runden einsam dem Sieg entgegen skatete, richtete sich das Trio plötzlich auf - und spazierte nur noch auf Skiern.

Erst Geiger, der Platz zwei gerade mühsam nach einer Aufholjagd zurückerobert hatte, dann Yamamoto und auch Fritz. Nach vorne bestand keine Chance mehr, nach hinten keine Gefahr - die drei skateten im Niemandsland. Fest stand: Nur zwei von ihnen würden eine Medaille bekommen, Tempobolzen half nichts, also war nun ruhiges Nachdenken angesagt, jeder musste eine neue Taktik finden.

So entstand etwas nonverbale Langlaufkommunikation. Arme machten Zeichen, Blicke suchten in anderen Augen nach Absichten. Geiger war klar der beste Läufer und überragende Sprinter, weshalb Fritz und Yamamoto natürlich davon absahen, ihm auch noch auf der letzten Runde Windschatten zu spenden. Geiger wiederum kalkulierte wohl durch, ob man in diesem Schneckentempo rechtzeitig zum Zielsprint kommen - oder am Ende noch vom Verliererfeld geschluckt werden würde.

Joergen Graabak, der Norweger, hat nun seinen Rekord: vier Mal Gold bei Olympischen Spielen

Also: Stop and Go. Verzögern und Beschleunigen. Die drei machten erstmal so weiter, was dann irgendwann auch dem Führenden Graabak übermittelt wurde, weshalb auch dieser im gemütlicheren Stil zu seiner zweiten Goldmedaille spazierte, und nun die meisten Olympiasiege in diesem eigentlich so raffinierten und in seinen Zielsprints so spannenden Sport errungen hat: Zum vierten Mal stand er ganz oben.

Aber natürlich kann auch Langsamfahren eine Kunst sein und spannend werden. Graabak war schon im Ziel, da näherte sich das Trödeltrio, das in Wirklichkeit höchst wachsam auf jede Zuckung des anderen lauerte und schon eine knappe Minute zurückgefallen war, der Senke vor der letzten Steigung. Und dann war Schluss mit Zeitlupe.

Geiger riskierte jetzt quasi einen Rennend-Start, er wusste ja, dass er diesen erforderlichen langen Sprint am ehesten beherrschte. Yamamoto reagierte schnell und heftete sich an seine Fersen, Fritz blieb zurück, und Geiger machte das, was er bei diesen Spielen schon einmal gezeigt hatte. Der Oberstdorfer hatte noch genügend Kraft, um seinen Gegner zu kontrollieren, und seinen Vorsprung vor dem Dritten ins Ziel zu bringen.

Eric Frenzel hatte davon zunächst gar nichts mitbekommen. Der 33-Jährige, kurz zuvor aus der Quarantäne entlassene Kombinierer, sonst eigentlich der Teamleader, war nach einer Minute im Schnee liegend derart unterkühlt, dass er schon wieder unter kontrollierte Beobachtung genommen werden musste. Der Rennausgang war an ihm vorbeigegangen. Dass es schließlich Silber wurde, das erzählten ihm dann die anderen Drei dieser deutschen Kombinierer-Staffel.

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