Nordische Kombination:Dominanz des Kerlchens

Lesezeit: 3 min

Eric Frenzel, Olympiasieger und dreimaliger Weltmeister, hat auch im Weltcup-Zirkus - hier beim Sieg in Seefeld Ende Januar - eine neue Stufe erreicht. (Foto: imago/Gepa)

38 Weltcupsiege: Eric Frenzel hat in dieser Saison Ronny Ackermann überholt. Er ist der überragende Kombinierer seiner Zeit.

Von Volker Kreisl, München

Kurz könnte man glauben, da stünde immer noch das Manderl. Wenn Eric Frenzel, der Nordische Kombinierer, bei der Siegerehrung dasteht, seinen Blumenstrauß in der Hand hält und friedlich und unschuldig lächelt, dann erinnert das kurz an damals, als er 17 Jahre alt und noch ein schmächtiges "Manderl" war, wie der Bundestrainer und Oberbayer Hermann Weinbuch sagt. Aber der Eindruck täuscht.

Den bislang letzten Blumenstrauß hat Eric Frenzel am letzten Wochenende der Saison in Schonach bekommen. Es war sein 38. erster Platz in der Top-Serie, sieben davon hat er mit der Staffel erreicht. Schon im Februar dieses Jahres hatte erer Ronny Ackermann als bislang besten deutschen Kombinierer überholt. Frenzel ist erst 27 Jahre alt, wenn er weiter so durchhält, dann könnte er irgendwann auch den Finnen Hannu Manninen hinter sich lassen, der bis 2010 sogar 48 Siege errang. Allerdings will Eric Frenzel ja auch mindestens ein zweites Mal Olympiasieger werden, seinen drei WM-Titeln weitere hinzufügen und überhaupt der beste Kombinierer der Welt bleiben. Da muss man sich die Kraft einteilen.

Wenn einem Sportler so etwas gelingen kann, dann wohl Frenzel, der seine körperlichen Nachteile in seine größten Stärken umgewandelt hat. Früh hatte er damit begonnen, zwei Sportarten zu kombinieren, weil er aus dem Erzgebirge stammt, das Skifahren in allen seinen Arten lernte, und zu dem Zeitpunkt, als man sich für eine entscheiden soll, gleich viel Spaß an beidem hatte: am Langlaufen und Springen. Frenzel machte also einfach weiter, auch wenn er nichts gewann. "Erst im letzten Schüler-Cup bin ich mal Dritter geworden", sagt er.

Irgendwie schaffte er es dann als 17 Jahre alter Ersatz-Kombinierer zur WM nach Sapporo in Japan. Bundestrainer Weinbuch erahnte sein Talent und dachte gleichzeitig, viel könne ja nichts passieren: "Ersatzleute kommen eh fast nie zum Einsatz." Dann sprang der schmächtige Frenzel aber im Training Schanzenrekord und verblüffte alle Trainer in der Loipe: "Dass so ein Kerlchen solche Kräfte entfalten kann, war verwunderlich", sagt Weinbuch, "mir blieb gar nichts anderes übrig, ich musste ihn einsetzen."

Das Kerlchen war ja gerade im Begriff, im Schnellverfahren alles aufzuholen - und noch mehr. Mit 15 hatte Frenzel seinen ersten Jugendsieg errungen, mit 17 kam er erstmals zur Weltmeisterschaft, mit 18 kam sein Sohn.

Im Zielsprint ist er chancenlos. Die Arbeit muss er vorher erledigen

Wenn man Vater wird, dann erhält das gesamte Leben eine andere Bedeutung, und in diesem Alter vielleicht noch mehr. "Ich wollte alles besonders genau machen, besonders professionell", sagt Frenzel. Das hing auch damit zusammen, dass er sich seiner Frau gegenüber verpflichtet fühlte. Denn Laura war eine talentierte Langläuferin und musste ihre Karriere aufgeben. Er hatte den Anspruch, dass die Familie durch den Sport nicht litt. "Ich war damals gezwungen, mich mit bestimmten Dingen auseinanderzusetzen", sagt er. Die Zeiteinteilung, die Entspannungsphasen, die Hausarbeit, das Training.

In welche Richtung Letzteres führen musste, war relativ schnell klar, sagt Weinbuch: "Im Zielsprint hat er keine Chance." Damals nicht - und heute auch nicht. Lässt sich Frenzel auf ein Schluss-Duell ein, dann gerät er mit seinen 1,74 Meter und 57 Kilogramm vergleichsweise an rechte Mannsbilder wie den Österreicher Bernhard Gruber, und die lassen ihn mit ihrer Kraft meistens stehen. Frenzel muss die Arbeit schon vorher gemacht haben, das trainiert er ständig, und das ist neben dem Springen längst sein großer Trumpf.

Über die Jahre ist er zum Spezialisten des Langsprints gereift, zu einer Art 800- Meter-Läufer des Wintersports. Beim Weltcup in Seefeld, dem Saisonhöhepunkt der Kombinierer, den er vor zwei Wochen zum dritten Mal nacheinander gewann, ist die Dominanz des Kerlchens gut zu studieren. Da erhöht Frenzel das Tempo schon zwei Kilometer vor dem Ziel, und wenn der Gegner noch nicht blau ist, springt er ihm auf dem Schlussanstieg davon. Dieses Zermürbungsprinzip, sagt Weinbuch, sei weiter ausbaubar. Manchmal steigert Frenzel sein Tempo gar nicht mehr - denn er hält es schon vom Start weg hoch. Ein Gegner nach dem anderen werde dann müde, und ein müdes Mannsbild ist auch für Frenzel im Schlussspurt zu schlagen.

Auch im Gesamtweltcup hat der Kombinierer aus Oberwiesenthal in diesem Winter wieder einen Langsprint hingelegt, er war der Konkurrenz am Ende um 319 Punkte voraus. Er hat viel gelernt in seiner Karriere zwischen Schanze und Loipe, über Kraft und innere Stärken. Wenn man gut laufen und springen muss, dann fordere das Muskeln und Geist, "du lernst viel über deinen Körper", sagt Frenzel.

So etwas wie bei seiner ersten WM in Sapporo passiert ihm also nicht mehr. Damals war er trotz seiner Leistungen disqualifiziert worden. Denn er hatte vor lauter Aufregung zu wenig getrunken und war am nächsten Tag beim Wiegen herausgenommen worden: Da war Eric Frenzel eindeutig zu leicht.

© SZ vom 27.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: