Deutschlands 2:0 in Nordirland:Noch mal davongekommen

Northern Ireland v Germany - UEFA Euro 2020 Qualifier

Serge Gnabry bei seinem Treffer zum 2:0.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gewinnt in der EM-Qualifikation mühevoll in Nordirland.
  • Marcel Halstenberg und Serge Gnabry erzielen die beiden Treffer beim 2:0-Sieg.

Von Philipp Selldorf, Belfast

Es war schon spät geworden im Windsor Park zu Belfast, aber die einheimischen Zuschauer hatten im Gegensatz zu ihren deutschen Gästen noch nicht genug von diesem Schauspiel. Nordirland gegen Deutschland, das sollte nach Meinung der Fachwelt eine klare Sache sein, die der Favorit lange vor Abpfiff zu seinen Gunsten geregelt haben würde. Aber so war es nicht an diesem Montag, den die Nordiren trotz des 0:2 (0:0) in bester Erinnerung behalten werden. Sie hatten die Deutschen bedroht und bedrängt, bis zum Schluss. Erst Serge Gnabrys Tor in der Nachspielzeit beendete ihre Hoffnungen auf einen Punkt. Der Favorit hat gelitten, aber er hat sich gewehrt und ist noch mal davongekommen. Löw räumte ein, dass seine Elf "nicht so gut ins Spiel gekommen" war: "Die Nordiren waren mutig und haben uns früh attackiert.

Es war ein bisschen viel Durcheinander." Der Bundestrainer hatte erstklassige Fußball-Atmosphäre im Windsor Park prophezeit, und seine Vorhersage sollte sich als wahr erweisen. Das begann beim Vortrag der britischen Nationalhymne - "God save the Queen" -, die von den knapp 20 000 Besuchern so frenetisch bejubelt wurde, als würde die Königin gleich mitspielen. Und es setzte sich während der ersten Minuten bei jedem erfolgreichen Tackling und hart erkämpften Einwurf der Nordiren fort. Wenn die Deutschen an den Ball kamen, wurde der Lärm zwar gelegentlich durch ein Raunen unterbrochen, doch geschah das nicht aus Ehrfurcht über die Spielzüge, sondern aus Verblüffung über dilettantische Einlagen der hochgeschätzten Gäste. Innenverteidiger Matthias Ginter war der Erste, der nervliche Nachwirkungen vom 2:4 gegen die Niederlande am vorigen Freitag zeigte. Schon nach zwei Minuten prüfte er, durch sein Zögern in Bedrängnis geraten, mit einem denkbar knappen Rückpass Manuel Neuers Geistesgegenwart. Das sah nicht souverän und auch nicht furchtlos aus.

Der Freitag in Hamburg hatte vielerlei Spuren hinterlassen und veranlasste Löw überdies zu Umbauten. Nico Schulz fiel verletzt, Ilkay Gündogan erkrankt aus, für den Einsatz eines dritten Innenverteidigers sah der Coach keinen Grund, weil die Nordiren angeblich mit bloß einer Sturmspitze spielten - was sich zumindest bis zur Pause als kühne Expertenmeinung erweisen sollte. Die stürmischen Nordiren besetzten das Angriffsdrittel regelmäßig mit mehreren Einsatzkräften. Marcel Halstenberg, der links anstelle von Schulz spielte, erlebte einige Male, wie ihm die Männer in Grün davonrannten.

Den Platz des überzähligen Jonathan Tah erhielt Julian Brandt, für den allseits erwarteten Kai Havertz war somit kein Posten mehr frei. Womöglich hat Löw geglaubt, dass Brandt auf dem linken Flügel mehr Kampfgeist garantieren würde als sein früherer Leverkusener Kollege. Das Niveau des nordirischen Kampfgeists erreichte zunächst allerdings keiner der zehn deutschen Feldspieler. Die Gastgeber machten Druck, als wären sie doppelt so viele. Die Deutschen ließen sich nicht nur einschüchtern, sondern auch manchen Ball abjagen. Als selbst dem Routinier Toni Kroos ein Fauxpax unterlief, stand Mittelstürmer Conor Washington auf einmal allein vor Manuel Neuer - der dem 0:1 aber effektvoll den Weg versperrte (8. Minute).

Halstenbergs künstlerisch wertvolles Tor zum 1:0

Nach einer Weile schafften es die Deutschen, sich spielerisch etwas zu befreien. Mit standesgemäßer Überlegenheit hatte das zwar nichts zu tun, immerhin näherten sie sich aber dem Ziel. Einen verheißungsvollen Schuss von Timo Werner wehrte Cathcart mit der Hand ab, die berechtigten Forderungen nach einem Strafstoß wies Schiedsrichter Orsato zurück (27.).

Der Stress war aber noch nicht vorbei, es entstand neuerlich Aufregung auf der deutschen Trainerbank, als Ginter wegen einer Verletzung den Platz verlassen und der eigentlich ruhebedürftige Tah kurzfristig einspringen musste. Doch der Leverkusener Verteidiger machte sich prompt nützlich, als er einen Fehler von Neuer reparierte. Washington wollte den Ball gerade über die Linie drücken, als sich Tah dazwischenwarf. Im Gegenzug verpasste Werner die große Chance zur Führung, und so endete eine aufregende Halbzeit in angemessenen Turbulenzen.

Mit dem 1:0, das Halstenberg künstlerisch wertvoll und mehr oder weniger gleich nach dem Wiederanpfiff erzielte, schien sich die Partie dann doch in die erwartete Richtung zu wenden. Für ein paar Minuten spielten die Deutschen, wie der Bundestrainer es sich wünscht: schnell, präzise, phantasievoll. Für einen spielöffnenden Hackentrick erhielt Brandt Beifall von den Einheimischen, verdienter Künstlerlohn für eine auch sonst inspirierte Leistung des Neu-Dortmunders.

Eine deutsche Chance folgte nun auf die nächste, und eine nach der anderen brachte nicht das beruhigende 2:0. Reus, Klostermann, Gnabry, Werner, Tah - jeder hätte den Abend für Löw friedlicher gestalten können, doch weil das Knockout-Tor nicht fiel, meldeten sich die eben noch beeindruckten Nordiren zurück. Als Whyte den verzweifelt nach ihm klammernden Joshua Kimmich abschüttelte und den Kollegen Dallas bediente, wär's um die deutsche Führung beinahe schon geschehen gewesen (63.), aber der Ball zischte knapp vorbei. Es war die letzte große Chance für Nordirland, aber nicht der letzte Versuch, Neuer zu bezwingen. Für dieses Zu-Null hatte der Torwart hart arbeiten müssen.

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