Süddeutsche Zeitung

Niko Kovac nach München:Bayern muss kein Lob erwarten

Müssen Münchens Verantwortliche ihre Frankfurter Kollegen davon unterrichten, wenn sie deren Trainer Kovac wegkaufen? Nein. Aber wundern darf man sich schon über manches.

Kommentar von Claudio Catuogno

Im Fußballkosmos, das hat man gerade an der Personalie Niko Kovac wieder erkennen können, sind dieselben Wege manchmal sehr lang und sehr kurz zugleich. Zum Beispiel ist der Weg von Frankfurt nach München sehr kurz, wenn der kroatische Fahrdienstleiter des FC Bayern seinen 60. Geburtstag feiert. Dann rauscht der Trainer Kovac schnell mal über die Autobahn herbei, als Kroate und ehemaliger Bayern-Spieler ist das Ehrensache. Man spricht dann immer über dies und das bei derlei informellen Familientreffen, und sicher hat Uli Hoeneß recht mit dem Hinweis, dass man in so einem Ambiente "keine Vertragsgespräche" führt. Aber der Rest ist, wie so oft in der Branche, Definitionssache.

Ab wann ist ein "Kontakt" ein "Kontakt", wenn man sich eh ständig sieht? Es sind in erster Linie die Medien, die von Trainern und Spielern Woche für Woche die Versicherung hören wollen, dass sie mit keinem anderen was am Laufen haben. Dass sie sich mit Gerüchten über ihre Zukunft "nicht beschäftigen" - obwohl es ja fahrlässig wäre, hätte man nicht schon ein paar Eckpunkte vorbereitet für den Fall, dass aus einem Gerücht ein Anruf von Salihamidzic wird. Oder dass dieser oder jener Karriereschritt "definitiv kein Thema" sei, obwohl man ihn am Küchentisch permanent thematisiert. Bekenntnisse sind im Fußball selten wahr, aber die kleinen Notlügen werden halt auch eingefordert; wenn sie ausbleiben, ist immer gleich Unruhe im Verein.

Interessanter ist deshalb dies: Wie weit plötzlich der Weg von München nach Frankfurt ist, wenn es darum geht, als FC Bayern mal den Frankfurter Manager zu informieren, dass man ihm in Kürze den Trainer wegkauft. Zumindest, bevor man eine diesbezügliche Pressemitteilung herausgibt ("Niko Kovac wird neuer Trainer des FC Bayern"), wäre so ein Anruf doch guter Stil, oder nicht?

Kaum eine große Entscheidung, die nicht bei "Bild" gelandet wäre

"Vom FC Bayern hat sich bis zum heutigen Tag in dieser Angelegenheit kein Offizieller gemeldet" - das beklagte Borussia Dortmund im April 2013, als der baldige Wechsel des damals sehr begehrten Talents Mario Götze vom BVB zu den Bayern durchgesickert war, just am Tag vor Dortmunds Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid. Man kann da durchaus ein Muster erkennen. Dass man die Frankfurter ja zeitnah informieren wollte, als "großzügige Geste", wie Uli Hoeneß es am Samstag formulierte, und damit nur gewartet habe, um Kovac einen Vorsprung zu geben: Das ergibt ja nur Sinn, wenn nicht noch am Abend der Einigung die Bild-Zeitung davon erfährt. Von wem? Nicht von uns!, versichern die Bayern. Doch auch da gibt es ein Muster: Kaum eine große Entscheidung der letzten Jahre, die nicht ziemlich unmittelbar zur Bild durchgesteckt worden wäre.

Die Bayern verpflichten also den Frankfurter Trainer, ohne in Frankfurt Bescheid zu sagen, schließlich hat der eine Ausstiegsklausel - und irgendwann überweisen sie dann das Geld, Fall erledigt. Vielleicht wundert einen diese doch sehr förmliche Sicht auf das Abwerben von Spitzenpersonal auch nur deshalb, weil es ansonsten so formlos zugeht in der Branche. Die Bayern dürfen das so machen. Sie sollten jetzt aber nicht auch noch dafür gelobt werden wollen.

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SZ vom 16.04.2018/schma
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