Süddeutsche Zeitung

Ex-Bayern-Trainer Niko Kovac:Neuer Job im Zirkus

Lesezeit: 4 min

Nach dem Abschied vom FC Bayern lauert das nächste Abenteuer auf Niko Kovac: Er trainiert den AS Monaco, ein Klub, bei dem es bisweilen verrückt zugeht.

Von Oliver Meiler

Kann man die Côte d'Azur ausschlagen? Als Arbeitsplatz sogar? Nein, befand Niko Kovac, der bei der Association Sportive Monaco unterschrieben hat, wie der russisch finanzierte Verein aus dem Fürstentum am Sonntagabend verkündete. Der einstige Bayern-Trainer signierte einen Vertrag über drei Jahre - üppig bemessen, zumal dabei auch das Mittun seines Betreuerteams samt Bruder Robert berücksichtigt ist. Sie sollen auf dem "Rocher", dem Felsen, wie die Monegassen ihr kleines Stück dicht bebauter Scholle im Süden Frankreichs nennen, ein nachhaltiges Modell begründen.

Doch was ist bei diesem rotationsverrückten, dauerwirbligen Klub schon nachhaltig? Wahrscheinlich dachte auch der Spanier Robert Moreno, der bisherige Coach, er baue an der Zukunft, als er seine Spieler am vergangenen Samstag auf dem Trainingsgelände hoch über dem Mittelmeer versammelte. Drei Wochen waren sie schon wieder im Übungseinsatz, die letzten Wettkämpfe sind lange her. Die Ligue 1 ist ja von allen großen europäischen Meisterschaften die einzige, die den Betrieb im März wegen Corona einstellte und auf Geheiß der Regierung nicht mehr wiederaufnahm. Um ein bisschen in Form zu bleiben, absolvieren die Teams jetzt Freundschaftsspiele, manche sogar mit einigen Tausend, nicht immer disziplinierten Zuschauern, was natürlich ein Widersinn in sich ist. Aber zumindest die, die noch in europäischen Wettbewerben mitmachen, zum Beispiel Paris St. Germain und Olympique Lyon, können es sich leidlich leisten, nach fünf Monaten ganz ohne Elf gegen Elf wieder auf die große Bühne zurückzukehren.

Beim AS Monaco haben sie dieses Problem nicht, der Verein dümpelt nun schon eine Weile in niedereren Gefilden, man bereitete sich auf die neue Saison vor. Moreno schloss also gerade die Trainingseinheit, da rief ihn der Sportdirektor zu sich. Paul Mitchell, der früher bei RB Leipzig, Southampton und Tottenham Hotspur tätig war, hatte erst vor einem Monat übernommen, und nun: Entließ er Moreno. Nach nur 13 Spielen und ausgeglichener Bilanz: fünf Siege, drei Remis, fünf Niederlagen, die letzte davon im Derby, 1:2 gegen Nizza, neunter Platz. Vom Katalanen, der mal kurz Trainer von Spaniens Nationalteam war und dann recht rüde von seinem ewigen Vorgesetzten und Mentor Luis Enrique weggeschickt wurde, hatte man in Monaco das Maximum erwartet: Fußball nach Barça-Stil, Ballbesitz, Dominanz. Einfach so, aus dem Nichts. Das konnte nicht gut gehen, und es ging auch nicht gut: Monaco hatte unter Moreno im Schnitt weniger als 50 Prozent Ballbesitz.

Kylian Mbappé war plötzlich 180 Millionen Euro wert

Das Missverständnis steht stellvertretend fürs Ganze, für den "Zirkus" bei Monaco, in dem sich auch Niko Kovac erst einmal zurechtfinden müsste. Die Sportzeitung L'Équipe nannte es jetzt auf der ersten Seite "Die permanente Revolution", es ist eine nette Deutung der Zustände. Eine kurze Rückblende: Als der russische Multimilliardär Dmitrij Rybolowlew aus Perm, reich geworden mit einer Düngefirma, 2010 nach Monaco zog - in sein Penthouse im Palais "La Belle Epoque", mit 220 Millionen Euro angeblich die teuerste Wohnung der Welt -, da dachte noch niemand, dass der Mann sich für Fußball interessieren würde. Eishockey war ihm näher, in Perm ist Eishockey wichtiger als Fußball.

AS Monaco lag damals am Boden, Ligue 2 und abstiegsgefährdet. Rybolowlew bot dem Fürsten an, für einen symbolischen Euro zwei Drittel am Verein zu übernehmen und viel Geld zu investieren. Es hieß auch, der schillernde Oligarch und Kunsthändler mit den vielen Immobilien in der ganzen Welt habe die Investition vor allem deshalb getätigt, weil er sich davon den monegassischen Pass versprach, der ihm offenbar dabei helfen sollte, sich den Fängen der russischen Justiz zu entziehen. Rybolowlew hatte sich mit Wladimir Putin überworfen.

Er investierte also viel Geld, tat sich mit dem portugiesischen Spielervermittler Jorge Mendes zusammen, holte große Namen aus dessen Kartei, der Verein stieg auf, alle waren zufrieden. Richtig spannend aber war das Modell, das in der zweiten Phase seiner Regentschaft versucht wurde - und auch das war fragwürdig. Monaco setzte auf die Ausbildung junger Talente, verpflichtete sie im Dutzend, ließ sie auch international auflaufen, und da manche von ihnen ihre Chance ergriffen, konnten sie am Ende mit gigantischem Gewinn weiterverkauft werden. Ein Beispiel für alle: Kylian Mbappé, heute 21 und in Paris, war plötzlich 180 Millionen Euro wert.

Als Fußballlehrer hatten diese jungen Spieler zunächst einen Portugiesen vorgesetzt bekommen, der zwar lange nur mäßig Französisch sprach, seine Vorstellung vom Spiel aber recht verständlich weitergeben konnte: Leonardo Jardim. Monacos bestes Jahr war 2017, da gewann man die französische Meisterschaft, obschon PSG haushoher Favorit gewesen war. In der Champions League kam Monaco gar so weit, wie es die Pariser seit der Geldzufuhr aus Katar noch nie waren: ins Halbfinale.

Danach ging es aber stetig abwärts, das "Modell Monaco" verlor an Glanz. Es kamen auch immer mehr unbequeme Fragen auf über die Kauf- und Verkaufspolitik des Besitzers, seine Connections zu Mendes, über seinen Leumund insgesamt. Auch der Fürst verlor seine Freude am russischen Investor, es wäre Albert II. heute offenbar lieb, wenn Rybolowlew seine Anteile verkaufen würde.

Im Herbst 2018 wurde Jardim entlassen. Monaco holte Thierry Henry, den großen "Titi", Stolz der prä-russischen Ära, Kind des monegassischen Nachwuchses. Der hatte zwar noch nie als Chefcoach gearbeitet, aber auf dem "Rocher" dachte man: "Titi" und AS, das muss passen. Nach drei Monaten und elf Tagen war er wieder weg, von 20 Spielen hatte sein Team elf verloren. In seiner Verzweiflung rief Monaco bei Jardim an, den man eben erst mit acht Millionen Euro Entschädigung weggeschickt hatte. Doch Aufgewärmtes mag daheim in der Hausküche gut sein, im Fußball ist es keine Garantie. Jardim gelang es nach seinem Comeback gerade so knapp, Monaco vor der Relegation zu bewahren, viel mehr war nicht mehr drin.

Nach Weihnachten 2019 verpflichtete der Verein dann Moreno, der sich vor allem mit Videoanalyse auskennt; er war Enriques Nummer zwei in allen Klubs gewesen, die dieser trainiert hatte, auch bei Barça. Mit dem Führen eines Teams aber, der Psychologie einer Gruppe, war er überfordert.

Von Kovac erwartet man nun, dass er den wankenden Laden schnell in den Griff bekommt: gerne auch etwas autoritär, jedenfalls pragmatisch, weg vom Barça-Stil hin zu Pressing und Power. Ziel ist die schnelle Rückkehr in die Champions League. Vor allem die Zeit bei Eintracht Frankfurt soll die Vereinsoberen überzeugt haben, wie Kovac es da schaffte, mit Spielern wie Ante Rebic und Luka Jovic umzugehen. Die Frage ist nur, wie das neue Monaco nach dem Sommer aussehen wird, nachdem Paul Mitchell mal Hand an den Kader gelegt haben wird und damit die nächste Revolution anwirft.

Leonardo Jardim postete am Wochenende ein neues Profilbild auf Twitter: Es zeigt ihn in der Natur, gut erholt, die Daumen nach oben, dazu ein höhnisches Lächeln. Der Zirkus geht weiter.

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Quelle:
SZ vom 20.07.2020
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