Niko Kovac:Frankfurt feiert seinen Aushilfs-Mourinho

Eintracht Frankfurt v Borussia Dortmund - Bundesliga

Rettet er die Eintracht? Trainer Niko Kovac.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Es sieht so aus, als würde Trainer Niko Kovac die Eintracht vor dem Abstieg retten. Und offenbar ist auch der Mann gefunden, der den Verein künftig lenken soll.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Christoph Daum, ausgerechnet. Es ist ulkig, wie oft und mit welcher Wertschätzung in diesen bedrohlichen Tagen rund um Eintracht Frankfurt dieser Name zu hören ist. Wenn etwa Coach Niko Kovac darüber spricht, welche Trainer ihn in seiner Zeit als Spieler beeindruckt hätten, sagt er: Daum, der sei "ein Vorreiter" gewesen. Wer sich wiederum im Verein nach den Vorzügen von Niko Kovac erkundigt, bekommt zur Antwort, dass der genau so akribisch und ausdauernd arbeite wie früher Christoph Daum. Dass Kovac morgens als Erster komme, um die Kaffeemaschine eigenhändig mit Wasser zu füllen, und abends als Letzter das Gelände wieder verlasse; und dass er über Daums Siegeswillen verfüge, wobei sich in dieser Kategorie der Schüler Kovac dem Lehrer sogar überlegen fühlen darf. Er lässt nämlich nicht mal die Tochter beim "Mensch ärgere dich nicht" gewinnen, tat er soeben kund.

Daum, das ist der Mann, den Frankfurt 2011 verpflichtete, um den Abstieg abzuwenden - und der nichts dagegen tun konnte. Kovac, das ist der Mann, den Frankfurt im März 2016 verpflichtete, um den Abstieg abzuwenden - und der auf dem besten Weg ist, diesen Auftrag zu erfüllen. Drei Mal in Serie gewann sein Team zuletzt, schaffte den Sprung auf Platz 15 und kann sich im Abstiegs-Endspiel in Bremen den direkten Klassenerhalt sichern.

Gemäß allen amtlichen Mitteilungen ist Niko Kovac seit 8. März Trainer der Eintracht, aber wahrscheinlich entspricht das nicht der ganzen Wahrheit. Es heißt, dass der 44-Jährige durchaus schon etwas früher das Signal empfangen hat, sich im Falle des Falles, also dem Ende des Wirkens von Armin Veh, Hoffnungen auf dessen Nachfolge machen zu dürfen. Und als Vehs Frankfurter Zeit tatsächlich beendet war und sich die Klubgranden mit Kandidaten zu Gesprächen trafen, waren sie offenkundig beeindruckt, wie tief sich Kovac schon in die Mannschaft und mögliche Problemlösungen hineingedacht hatte.

Eine typische Fußball-Geschichte

Seine Wahl war dennoch überraschend, weil es in Frankfurt über die Jahre üblich war, routinierte Trainer zu verpflichten: Funkel, Skibbe, Daum, Veh, Schaaf, Veh - so liest sich die Besetzungsliste der vergangenen Dekade. Und nun also Kovac, einer ohne Bundesliga-Erfahrung, vorher nur Jugend- und Co-Trainer bei Salzburg sowie Coach von Kroatiens Nationalelf.

Inzwischen findet sich in Frankfurt kaum noch ein Zweifler, stattdessen darf der gebürtige Berliner und frühere Bundesliga-Profi (Hertha, Leverkusen, Hamburg, FC Bayern) täglich schöne Girlanden über sich vernehmen. Vom Retter aus dem Wedding ist die Rede, vom Aushilfs-Mourinho oder vom Kovac-Code, und irgendwie ist das nun auch schon wieder verblüffend.

Erstens hat Kovac ja noch gar nichts erreicht, wie er selbst klarer betont als so mancher Lobredner. Zweitens ist das mal wieder eine typische Fußball-Geschichte.

Kovac gibt den Mahner

Natürlich lassen sich ein paar handwerkliche Dinge finden, die Kovac verändert hat. Er hat dem Team mehr Kompaktheit und Siegeswillen verpasst, zumindest auf dem Platz, von gemeinsamen Brettspiel-Abenden ist nichts bekannt. Die Mannschaft läuft und kämpft auch mehr als früher. Und Kovac hat sie psychologisch gepackt, indem er mit ihr im Vereinsmuseum war, wo es unter anderem die Bilder von jenem Klassenerhalt anno 1999 zu bestaunen gab, als der Eintracht in ähnlich aussichtsloser Lage wie diesmal an den letzten vier Spieltagen vier Siege gelangen.

Das ist durchaus viel, aber dennoch ist Frankfurts Umschwung nicht denkbar ohne ein Phänomen, das der Fußball manchmal erlebt, wenn ein einziges Spiel, ein einziger Moment eine Kettenreaktion ins Gute wie ins Schlechte auslösen kann. Denn auch unter Kovac lief lange kaum etwas zusammen - bis unlängst beim Derby gegen Mainz beim Stand von 0:1 erst Marco Russ ein glückliches Tor erzielte und kurz vor Schluss Änis Ben-Hatira den Rücken eines Gegenspielers anschoss. Dann stand's 2:1. Eine Woche später hieß es gegen Darmstadt nicht minder glücklich und ebenfalls nach 0:1-Rückstand wieder 2:1 - und gegen Dortmund in der Vorwoche 1:0.

Kommt nun auch Fredi Bobic?

Kovac ist das bewusst, er gibt daher den Mahner: "Wir sind die ganze Zeit hinterhergelaufen und dürfen nicht den Fehler machen, wo wir zum ersten Mal über dem Strich stehen, das Glas wieder umzuwerfen. Wir wollen das Glas sicher nach Hause bringen mit dem Inhalt, der drinnen ist."

Sollte es gelingen, steht ihm direkt die nächste schwere Aufgabe bevor. Umfeld und Teile der Führungsetage in Frankfurt sind traditionell anspruchsvoll, der jetzige Kader ist für größere Träume aber nicht gemacht. Und weil selbst zeitiges Kaffee-Kochen auf dem Vereinsgelände, Siegeswille und Museumsbesuche auf Dauer nicht reichen, müsste Kovac die Elf an einigen Stellen verändern. Das würde er wohl gemeinsam mit Fredi Bobic tun, den sich der Aufsichtsrat dem Vernehmen nach als Nachfolger des scheidenden Vorstandschefs Heribert Bruchhagen ausgeguckt hat. Gelingt der Klassenerhalt, soll der frühere Stuttgarter Manager nächste Woche einen Drei-Jahres-Vertrag unterzeichnen.

Kovac weiß aber auch: Es kann ihm immer noch so gehen wie damals Daum.

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