Süddeutsche Zeitung

Niklas Stark beim DFB-Team:Der ewig Verhinderte

  • Der Verteidiger Niklas Stark hofft auf sein Debüt in der deutschen Nationalelf - wieder einmal.
  • Acht Länderspiele hat er seit seiner ersten Berufung in den Nationalkader verpasst.
  • Kein nominierter Feldspieler hat unter Bundestrainer Löw so lange auf den ersten Einsatz warten müssen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Niklas Stark, 24, ist am Dienstag pünktlich am vereinbarten Treffpunkt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Düsseldorf eingetroffen. Dass es angebracht ist, dies in dieser Deutlichkeit festzuhalten, hat damit zu tun, dass man zuletzt meinen musste, der Verteidiger von Hertha BSC sei das Opfer eines Schamanen geworden - dazu verdammt, den inoffiziellen Titel des "ewig verhinderten Nationalspielers" tragen zu müssen.

Acht Länderspiele hat Stark seit seiner ersten Nominierung verpasst, ein Rekordwert. Kein Feldspieler hat unter Bundestrainer Joachim Löw so lange auf seinen ersten Einsatz warten müssen, obwohl er immer im Kader stand. Nun sollte es so weit sein: Laut kicker hat Löw dem Hertha-Verteidiger eine Einsatzgarantie gegeben, am Samstag in Mönchengladbach gegen Weißrussland oder drei Tage später in Frankfurt/Main gegen Nordirland (jeweils 20.45 Uhr/RTL) soll er auf jeden Fall auflaufen. Ob es wirklich dazu kommt, wird von der Musterung durch die Mediziner des DFB abhängen. Denn Starks Nasenbein wurde erst am Sonntag im Berliner Virchow-Klinikum operativ gerichtet, nachdem er sich bei Herthas 2:4-Pleite gegem RB Leipzig eine Fraktur zugezogen hatte.

Von der Verletzung kündeten am Dienstag in Düsseldorf eine Plastikschiene auf der Nase, vor allem aber die massiven Blutergüsse unter den Augen, die so farbintensiv waren, dass sie keine Beauty-Wunderwaffe der Welt hätte kaschieren können. Starks lächelnd vorgetragene Beschwichtigung - "es ist nicht so schlimm, wie's aussieht" - war absolut angebracht.

"Ganz Deutschland hat meine Aktion mitbekommen"

Mit der Fraktur hat sich die Liste der tragischen Umstände von Starks Nicht-Einsätzen erweitert. Zur Erinnerung: Nachdem Löw den Verteidiger bei sechs Spielen nur auf der Ersatzbank platzierte, musste Stark im Oktober vor dem versprochenen Startelf-Einsatz gegen Argentinien wegen einer Gastroenteritis passen, einer Schleimhaut-Entzündung von Magen und Darm. Vor dem Tage später angesetzten Spiel in Estland lief Stark nachts im Hotelzimmer gegen eine Tischkante, "es war einfach dunkel". Die Wunde am Schienbein wurde genäht, an Fußball war nicht zu denken. Doch die Resonanz war groß: "Ganz Deutschland hat meine Aktion mitbekommen", sagte Stark - wissend, dass er die Geschichte der kuriosen Verletzungen des Fußballs um ein Kapitel bereichert hatte.

Weniger amüsant war dafür der aktuelle Nasenbeinbruch - zumal ihm das Schiedsrichterteam unterstellte, auch für diese Verletzung alleinverantwortlich gewesen zu sein. Denn der Referee quittierte die blutende Nase Starks mit der Bemerkung, der Videoschiedsrichter sei der Überzeugung, Stark sei im Strafraum in den Ellbogen von RB-Spieler Konrad Laimer gerannt. Doppelt bitter für Hertha: Beim Stand von 1:2 hätte es Elfmeter und eine rote Karte für Laimer geben können. Losgelöst davon biss Stark nun auf die Zähne. "Wenn der Bundestrainer anruft und sagt, er will mich dabei haben, dann komme ich - sofern ich laufen kann", versicherte er. Denn: Er wolle sich "einen großen Traum erfüllen". So schnell wie möglich.

Dabei ist so viel Eile vielleicht gar nicht nötig. Stark scheint es zwar in dieser Saison darauf angelegt zu haben, Fußballreportern die Verlockung einer Wortdopplung ("Stark spielt stark") auszutreiben - er spielt eher mittel. Die Konkurrenz auf den Verteidigerposten ist jedoch seit der Verletzung von Niklas Süle und der Ausbootung von Jérôme Boateng und Mats Hummels überschaubar. Zudem kann Stark auf die Sympathien von U 21-Nationalcoach Stefan Kuntz zählen. Der schwärmte, Stark sei "ein natürlicher Anführer".

Kuntz selbst übrigens war so etwas wie der Prototyp des verhinderten Nationalspielers. Der einstige Stürmer des 1. FC Kaiserslautern war 1986 erstmals von Teamchef Franz Beckenbauer berufen worden. Als es 1991 endlich zur Premiere kommen sollte, zog er sich beim Verlassen des Teambusses einen Bänderriss zu. Erst 1993 war es so weit: Kuntz durfte in den USA für die DFB-Elf spielen, in dem für Debütanten biblischen Alter von 31 Jahren. Und siehe, es schützte ihn nicht vor Erfolg: 1996 wurde er Europameister.

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Quelle:
SZ vom 13.11.2019
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