Nike Oregon Project:Just do it dämonisch

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Im Zentrum des Doping-Skandals: Nike-CEO Mark Parker (Archivaufnahme März 2016). (Foto: AP)

Solange keiner den Schuh baut, der von selbst Tore schießt, dreht sich bei Sportmarken alles ums Image. Bei Nike kollidieren nun zwei Bilder: Das der "Dream"-Fabrik - und das der sektenartigen Experimentierhöhle.

Kommentar von Thomas Kistner

Lance Armstrong dürfte sauer sein. Der abgestürzte Rad-Held speist immer noch gern mit seinem Freund Phil Knight. Doch nicht mal der greise Nike-Gründer konnte helfen, als 2012 das Management des Sportartikelriesen Armstrong feuerte: Kein Pardon für Doper!

Jetzt kann Armstrong im Urteil zum Nike Oregon Project (NOP) nachlesen, dass Konzernchef Mark Parker schon vor seinem Rauswurf von anrüchigen Praktiken des NOP-Cheftrainers Alberto Salazar wusste, von literweise Infusionen bis zur Applikation von Testosteronsalben. Aber damals sah die Sache so aus: Lance wurde erwischt - das NOP war nur umraunt. Und es war dabei, endlich neue Olympiasieger und Weltmeister auszuspucken.

Jetzt hat Salazar eine vierjährige Dopingsperre kassiert, das erschüttert das Prestigeprojekt, das er seit 2001 beaufsichtigt hat. Damals beschloss Nike, den drögen Langlaufmarkt anzuheizen. Bald fand sich ein Kreis talentierter Läufer in einem Campus wieder, genauer: in einer Experimentierhöhle mit Körperelektroden, Unterwasserlaufbändern und futuristischen Hypoxiehäusern, in denen die Blutproduktion manipuliert wird. Insider berichten von sektenähnlichen Zuständen, über die Abhängigkeit von Salazar. Der Guru entschied per Daumenzeichen über Karrieren und Lebensträume.

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Sektiererisches lag Nike ja nie fern. Früh ließen sich Mitarbeiter den Swoosh, das Firmenlogo, auf den Fuß tätowieren. Auch das NOP hat einen artgerechten Vorläufer. In den Neunzigern enthüllte eine ehemalige Mitarbeiterin Nikes Innenleben und das Verhältnis zum Doping: Wie Sportler in einem am Firmensitz ansässigen Leichtathletikverein mit Steroiden hantierten; gefördert von Kluboberen.

Ein Konzern mit dämonischer Ader, mit verblendeten Betreuern und Athleten? Das ist sehr weit weg von der lässig-coolen Selbstvermarktung. Und die ist just in diesem Industriesegment das Maß aller Dinge. Wo es kaum Qualitätsunterschiede gibt, muss das Marketing die Käufer überzeugen. Nike, Adidas, Puma und Co. - alle fertigen bei denselben Herstellern in Vietnam, Bangladesch, Pakistan, Osteuropa. Und solange es keiner schafft, einen Schuh zu entwickeln, der von allein Tore schießt oder Rekorde läuft, dreht sich fast alles nur um Image und Markenkerne. Um Siege, Helden. Um das Destillat aus Bildern und einer Werbephraseologie rund um die Zauberformel "Träume".

Nike ist nicht allein

Nike und Adidas sind dabei die Vorträumer, und in der Sportfamilie sind sie die Ernährer. Ihre Prämien bilden den Großteil des Sportlersalärs; übers Geld bestrafen sie auch, wenn der Erfolg ausbleibt. Im Mai machten Topläuferinnen publik, wie sie von Nike für Schwangerschaften sanktioniert würden - sogar Superstar Allyson Felix, die 2018 Mutter wurde. Sie erklärte, Nike habe ihr einen 70 Prozent geringer dotierten Vertrag offeriert. Ein Sturm hob an, der Konzern lenkte ein. Jetzt gibt es Schutzklauseln.

Doch Nike ist es nicht allein. Die Firma ließ seit jeher eng am Athleten operieren, während die deutschen Erzrivalen um Adidas eher auf die Funktionäre blickten. Jüngst trat diese dunkle Seite wieder zutage. Alasdair Bell, der Vizegeneralsekretär des Fußballweltverbandes Fifa, hatte Ende 2018 ranghohen Kollegen per Mail angeblich langjährige Korruptionsbande mit Adidas vorgehalten und daran die Frage geknüpft, warum die Fifa immer noch üppige Langzeitverträge mit diesem Konzern mache. Erstaunlicherweise rückten Bell und Fifa davon nicht mal ab, als das publik wurde. Und Adidas? Schweigt bis heute dazu. Korruption, Betrug: Was in Wirtschaft und Politik so sehr die Gemüter erhitzt, schieben die Fans im Sport gerne von sich. Der soll die Leute ja nicht ins Brüten bringen, sondern zum Träumen. Dabei ist nichts trügerischer als ein Traum.

Aber halt auch nichts profitabler.

© SZ vom 05.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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