WM-Qualifikation in der Türkei:Holland hat Blei in den Beinen

WM-Qualifikation 2021: Memphis Depay beim Spiel Niederlande gegen Türkei

Memphis Depay konnte es auch nicht ändern: Die Niederlande erlebte einen Fehlstart in der WM-Qualifikation.

(Foto: Tolga Bozoglu/AFP)

Ein 35-jähriger Stürmer-Oldie der Türkei beutelt die Niederlande auf dem Weg zur WM 2022 derart, dass Oranje in Aufruhr ist. Bondscoach de Boer bemüht sich um Beschwichtigung.

Von Jonas Beckenkamp

Kann man Trägheit im Fußball messen? Dafür bräuchte es die Wissenschaft oder zumindest ein paar Schlaufüchse mit digitalen Geräten. Wer beides nicht zur Hand hat, könnte sich aber einfach auch ein Video des WM-Qualifikationsspiels der niederländischen Nationalmannschaft in der Türkei besorgen. Wie mit Blei in den Beinen liefen die Niederländer beim 2:4 (0:2) in Istanbul über den Platz - diese unfreiwillige Entdeckung der Langsamkeit muss der niederländische Fußball jetzt erst einmal verarbeiten.

Der Start Richtung WM 2022 ist für die Elf von Trainer Frank de Boer derart misslungen, dass schon von "Alarmstufe 1 für Oranje" die Rede ist. So zumindest nannte es die Zeitung De Telegraaf, die das Aufwachen am Tag danach von einem mächtigen "Kater" begleitet sah. Selbst bei einer etwas nüchterneren Betrachtung bleibt hängen, dass die Elftal gleich zu Beginn der Qualifikation mitten rein ins Schlamassel trudelt. Denn das schockierende an ihrem Auftritt war nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Art der Teilnahmslosigkeit, die sie vor allem in den ersten 60 Minuten der Partie offenbarte.

Burak Yilmaz erledigt die Niederlande fast ganz alleine

In dieser Phase (aber auch danach) wurde vor allem ein Türke zum niederländischen Albtraum: Der Stürmer-Oldie Burak Yilmaz vom OSC Lille, der gleich dreimal traf (15./34./Foulelfmeter/81.). Ein Mann, der nach zwei Jahren in China nach einer wochenlangen Wadenverletzung in Lille langsam wieder in Tritt kommt, treibt die Niederländer zu schlimmen Abwehrfehlern - soweit ist es gekommen. "Sehr enttäuschend" sei das Auftreten seiner Mannschaft gewesen, fand Coach de Boer, was noch freundlich ausgedrückt war, wenn man sich anschaut, wie unbehelligt Yilmaz etwa beim 1:0 mit einem Kullerball die gute alte Pike aufleben lassen durfte. Matijs de Ligt agierte viel zu zögerlich und fälschte den Ball schließlich ab.

Oder beim 3:0, als der frühere HSV-Profi Hakan Calhanoglu aus großer Distanz Hollands Ersatzkeeper Tim Krul (Stammkeeper Jasper Cillessen musste kurzfristig passen) überrumpelte (46.). Krul selbst musste hinterher einräumen: "Ich hätte mehr tun können." So aber reichte es für ihn und seine Kollegen bei weitem nicht. Insgesamt wirkten die Niederländer - mit dabei waren neben de Ligt immerhin Größen wie Daley Blind, Gigi Wijnaldum, Frenkie de Jong oder Memphis Depay - eine Stunde lang wie Urlauber am Bosporus.

Erst dann begannen sie, ein wenig Fußball zu spielen, gestalteten ihren Ballbesitz effektiver und kamen zum 2:3 heran. Nach den Toren des ehemaligen Bremers Davy Klaassen (75.) und von Luuk de Jong (76.) bestand sogar kurzfristig die Hoffnung auf das Schicksalsgeschenk eines Punktgewinns. Doch dann beutelte wieder Yilmaz die Oranje, diesmal mit einem sehenswerten Freistoß in den Winkel (81.). Depays verschossener Elfer in der Nachspielzeit besiegelte die Enttäuschung der Niederländer.

Burak Yilmaz of Turkey during the World Cup 2022 Qualifaction group G match between Turkey and Holland at Ataturk Olymp

Perfekte Schusstechnik: Burak Yilmaz schickt den Ball beim Freistoß unhaltbar in Richtung Winkel.

(Foto: Seskim Photo/Imago)

Wie schwer diese wiegt, darüber herrschten hinterher geteilte Meinungen. "Wir finden das schrecklich, aber wir müssen doch hier nicht mit Tränen stehen", fand zum Beispiel Bondscoach de Boer. "Natürlich ist das ein Schlag. Wir wissen schon, dass wir den Schalter schnell umlegen müssen." Es sei aber auch nur ein Spiel gewesen, also kein Grund zur Panik, es stehen schließlich gleich die nächsten Partien an, am Samstag in Amsterdam gegen Lettland (vor immerhin 5000 Zuschauern) - und am Dienstag beim absoluten Außenseiter Gibraltar. Das sollten sechs sichere Punkte sein.

"Wir müssen eine Reaktion zeigen. Wir haben in dieser internationalen Phase noch zwei Spiele, und die müssen wir mit Siegen abschließen", forderte Wijnaldum, den die schwere Zeit in Liverpool ebenso zu ermüden schien wie den Kollegen de Ligt, der wiederum mit Juventus Turin durch die Saison strauchelt. "Das gute Gefühl muss schnell zurückkommen", beschrieb de Ligt die Situation - das trifft sowohl für ihn selbst, als auch für die ganze Mannschaft zu. Aber wie kriegt man so schnell die Schwere aus den Füßen?

Zur SZ-Startseite
Thomas MUELLER l Müller GER mit Joachim Jogi LOEW LÖW Trainer Bundestrainer GER Einwechslu; JOachim Löw Thomas Müller

Mittelfeld der Nationalmannschaft
:Wohin mit Müller?

Ob die Nationalelf bei der EM funktioniert, wird vor allem davon abhängen, wie Joachim Löw den Luxus im Mittelfeld ordnet. Es gibt fünf Spieler, die eigentlich spielen müssen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: