Niederländische Nationalmannschaft:Erinnerungen an Duitsland

Niederländische Nationalmannschaft: Ronald Koeman im Trainingszentrum in Zeist.

Ronald Koeman im Trainingszentrum in Zeist.

(Foto: Maurice van Steen/AFP)

Als die Niederländer bei der EM 1988 ihren bisher einzigen Titel gewannen, fiel Kapitän Ronald Koeman mit einer unflätigen Geste auf. Jetzt ist er zum zweiten Mal Nationaltrainer - und will schon in diesem Jahr um einen Pokal spielen.

Von Ulrich Hartmann

Am Dienstag ist Ronald Koeman 60 Jahre alt geworden. Trotzdem durfte er nicht in einer goldenen Kutsche durch Amsterdam fahren und dem Volk winken. Stattdessen hat er im nationalen Fußballzentrum in Zeist nahe Utrecht im tiefen Gras gestanden und die niederländische Mannschaft trainiert. Koeman ist Staatsdiener bei König Fußball. Für den Königlich-Niederländischen Fußball-Bund (KNVB) besitzt er aufgrund seiner Verdienste um den Oranje-Fußball allerdings durchaus eine aristokratische Anmutung.

Für Groningen, Ajax, Eindhoven und Feyenoord Rotterdam hatte der frühere Nationalverteidiger in der Eredivisie gespielt. Später war er Trainer von fünf niederländischen Traditionsklubs, in den 1990er-Jahren Assistent von Nationaltrainer Guus Hiddink und von 2018 bis 2020 erstmals selbst Bondscoach. In jenen zweieinhalb Jahren hatte Koeman allerdings Pech, denn die Qualifikation für die WM 2018 hatten die Niederlande verpasst, und die EM 2020 wurde wegen Corona um ein Jahr verschoben. Im August 2020 wechselte Koeman dann, ohne mit Oranje ein einziges Turnier gespielt zu haben, zum FC Barcelona. Dort wurde er allerdings nicht glücklich. Und jetzt kehrt er also zurück zu jener Elftal, die unter Vorgänger Louis van Gaal neulich im WM-Viertelfinale in Katar erst im Elfmeterschießen am späteren Weltmeister Argentinien scheiterte.

An diesem Freitag (20.45 Uhr) beginnt für die Niederländer mit dem Topspiel beim WM-Zweiten Frankreich in Paris-St. Denis die Qualifikation zur EM 2024 in Deutschland. Und wenn in den Niederlanden jemand ruft: "Europees Kampioenschap in Duitsland!", dann klingelt's sofort bei jedem Fan. Denn 1988 haben die Niederländer bei der EM in Deutschland ihren einzigen Titel gewonnen. Beim 2:0-Finalsieg gegen die Sowjetunion in München war Ronald Koeman Libero und Kapitän. Nach dem 2:1 im Halbfinale gegen Deutschland in Hamburg hatte er auf dem Rasen so getan, als wische er sich aus Schadenfreude mit dem ertauschten Trikot von Olaf Thon den Hintern ab. Vielleicht durfte er auch deshalb an runden Geburtstagen nie in einer royalen Kutsche fahren. Sollte er freilich 2024 auch als Bondscoach in Deutschland den Titel gewinnen, dann kann eine Adelung nicht mehr ausgeschlossen werden.

Für die Qualifikation, die mit den Gruppengegnern Frankreich, Irland, Griechenland und Gibraltar angesichts zwei verfügbarer Tickets anspruchsvoll, aber machbar erscheint, setzt Koeman unter anderem auf Bundesliga-Spieler wie den Freiburger Torwart Mark Flekken, den FC-Bayern-Ergänzungsverteidiger Daley Blind und den Dortmunder Angreifer Donyell Malen, 24, der sein bisher letztes Länderspiel vor einem Jahr gegen Deutschland bestritten hat. Der Münchner Innenverteidiger Matthijs de Ligt fällt für die Partie in Paris neben vier weiteren Spielern wegen einer Virusinfektion kurzfristig aus, dafür wurde unter anderem ein weiterer Bayern-Profi, Ryan Gravenberch, nachnominiert.

Die Chance auf einen, nun ja, Titel besitzen die Niederländer aber bereits in diesem Sommer, denn Mitte Juni sind sie Gastgeber und einer von vier Teilnehmern des Nations-League-Finalturniers. Dort treffen sie im Halbfinale auf Kroatien, den zweiten Finalteilnehmer ermitteln Spanien und Italien. Bis dahin hat Koeman zwar genügend Zeit, dem Nationalteam seinen persönlichen Anstrich zu verpassen, doch schon zum Debüt fehlen ihm prägende Spieler: Frenkie de Jong (FC Barcelona) und Steven Bergwijn (Ajax Amsterdam) sind verletzt, Cody Gakpo (FC Liverpool) ist krank und die Stürmer Luuk de Jong (32, PSV Eindhoven) und Vincent Janssen (28, Royal Antwerpen) haben ihren Rücktritt aus dem Nationalteam erklärt.

Freiwillig verzichtet Koeman auf den bei Bayer Leverkusen derzeit sehr erfolgreichen Flügelspieler Jeremie Frimpong. Der 22-Jährige ist mit sieben Toren und sechs Vorlagen einer der besten Saison-Scorer der Bundesliga. Koeman jedoch sagt über Frimpong: "Mein Rechtsverteidiger sollte in der Lage sein, gut zu verteidigen - und da habe ich bei ihm Zweifel."

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