Ein Tabellenplatz nur trennt Willem II Tilburg und den FC Utrecht in der Eredivisie. Fünfter sind die einen, Sechster die anderen. Nah zusammen - doch in ihrer Meinung zum Vorgehen des niederländischen Fußallverbandes rund um den Saison-Abbruch liegen die Klubs weit auseinander. So lobte Tilburgs Geschäftsführer Martin van Geel den Verband dafür, dass er den Richtlinien der Uefa gefolgt sei, Videos zeigten am Freitag gar, wie Fans per Autokorso feierten. Frans van Seumeren, der Besitzer des FC Utrecht, dagegen: drohte im niederländischen Fernsehen mit rechtlichen Schritten gegen die Entscheidung.
Tilburg, das zur Einordnung, hatte am Freitag erfahren, dass der Klub nächste Saison in der Europa-League-Qualifikation antritt. Utrecht hatte erfahren, dass es für den internationalen Wettbewerb nicht reichen wird.
Die Saison in den Niederlanden ist nun also vorbei, abgebrochen nach 26 Spieltagen. Der niederländische Fußball-Verband KNVB reagierte am Freitag auf den Beschluss der Regierung, dass bis zum 1. September keine Großveranstaltungen stattfinden dürfen. Die Eredivisie ist damit die erste größere Liga, in der wegen der Corona-Pandemie offiziell Saisonschluss ist. Doch das vorzeitige Saisonende brachte auch mit sich, dass der Verband Entscheidungen treffen musste, die sich in einer gewöhnlichen Spielzeit von selbst ergeben: Wer wird Meister? Wer spielt international? Wer steigt ab, wer steigt auf?
Dass jede Entscheidung "irgendwo wehtun würde", unabhängig von ihrer Form - das schrieb der Verband in seinem Statement vom Freitag selbst. Seine Beschlüsse fielen dann so aus: Ein Meister wird in dieser Saison nicht gekürt. Die derzeitige Tabelle bestimmt, wer nächste Saison international spielt (dies stehe in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Uefa, wonach die Europapokalteilnehmer im Falle eines Saisonabbruchs auf Grundlage "sportlichen Erfolgs" bestimmt werden müssen). Auf- und Absteiger gibt es nicht. Und das Pokalfinale fällt aus. Zudem schrieb der Verband, es sei die moralische Verpflichtung der Europapokal-Teilnehmer, einen Teil ihres Startgeldes den Organisationen des bezahlten Fußballs zur Umverteilung bereitzustellen.
Utrecht ist außen vor - trotz Pokalfinale und einem Spiel weniger
Kritik folgte bald: Sie betrifft vor allem die Vergabe der Europapokal-Plätze und die Regelung zu Auf- und Abstieg. Zudem wird dem Verband vorgeworfen, er habe bei den verschiedenen Beschlüssen unterschiedliche Maßstäbe angelegt.
Einer der Klubs, der besonders betroffen ist, ist der Tabellensechste FC Utrecht. Das Team sollte eigentlich im Pokalfinale gegen Feyenoord Rotterdam antreten, hätte sich also ein Europa-League-Ticket erspielen können. In der Liga war der Klub überdies mit einem Spiel weniger Sechster, bei einem (nicht ganz leicht zu bewerkstelligenden) Sieg im Nachholspiel gegen Tabellenführer Ajax Amsterdam hätte er noch den Fünften Willem II überholen können. Das hätte zumindest für die Qualifikation zur Europa League gereicht. So aber spielen nun, in dieser Reihenfolge, Ajax, AZ Alkmaar, Feyenoord Rotterdam, PSV Eindhoven und Willem II international. Der FC Utrecht bleibt außen vor.
Der Klub ist angesichts des Saisonverlaufs überzeugt, dass er ein Europapokal-Ticket verdient gehabt hätte. Es sei "inakzeptabel", dass das Erreichen des Pokalfinales bei der Abwägung über die Vergabe der Europa-League-Tickets nicht berücksichtig worden sei, hieß es in einem Statement. Überdies kritisierte der Klub fehlende Transparenz und Objektivität in der Beschlussfassung des Verbandes.
Auch AZ Alkmaar ist laut Geschäftsführer Robert Eenhoorn "nicht einverstanden" mit der Art und Weise, wie die Tickets für den Europapokal verteilt wurden. Der Klub ist Tabellenzweiter, punktgleich mit dem Ersten Ajax. Die Tabellensituation hat Folgen: Ajax wird in der Qualifikation zur Champions League auf eins gesetzt und darf auf das direkte Erreichen der Gruppenphase hoffen - Alkmaar dagegen muss in einer frühen Phase der Qualifikation zur Königsklasse ran.
Spitzenreiter Ajax Amsterdam dagegen zeigte sich verständnisvoller. "Als Spieler und Klub willst du natürlich immer Meister werden", sagte Geschäftsführer Edwin van der Sar. Allerdings gebe es im Moment wichtigere Dinge als Fußball.
Im Fall Auf- und Abstieg entscheidet der Verband anders als bei den Europapokalplätzen
Für emotionale Wortbeiträge sorgten auch die Regelungen zu Auf- und Abstieg. Der Verband hatte hier ursprügnlich drei Wege identifiziert: Ausgeschieden sei jener, wonach es nur Aufsteiger gegeben hätte, die Eredivisie in der kommenden Saison also gewachsen wäre. Denn dadurch hätte es mehr Spiele gegeben und auch solche während der Woche, also unter Flutlicht. Es wäre zu einer Mehrbelastung für Klubs, Gemeinden und Polizei gekommen.
Unter den Klubs gab es nun jedoch eine Mehrheit für eine andere Option: Bei einer Befragung stimmten 16 von ihnen für eine Regelung mit Auf- und Abstieg, neun dagegen, und weitere neun enthielten sich. Der Verband nahm dieses Stimmenverhältnis von 16 zu 9 aber nicht als "deutliche Präferenz" wahr und entschied selbst. Auf- und Abstieg hielt man für nicht anwendbar, seien doch noch zu viele Spieltage zu absolvieren. Folglich lautete die Entscheidung: Auf- und Abstieg soll es nicht geben. Anders als im Fall der Europapokalplätze zählten hier also keine tabellarischen Kriterien, die Zeitung NRC beschrieb das Vorgehen daher als "nicht konsequent und diffus".
Am Tabellenende der Eredivisie profitieren nun ADO Den Haag und RKC Waalwijk - letzteres Team hatte einen Rückstand von elf Punkten auf einen Nicht-Abstiegsplatz. Die Tabelle der zweiten Liga führten der SC Cambuur und De Graafschap an. Entsprechend fiel die Stimmung aus angesichts der Entscheidung. "Das fühlt sich an wie die größte Schande im niederländischen Sport jemals", sagte Cambuur-Trainer Henk de Jong dem TV-Sender NOS. Mit Blick auf die Uefa-Richtlinien für die Vergabe der internationalen Plätze fragte Geschäftsführer Ard de Graaf: "Warum legt man die Möglichkeit, die die Uefa bietet, nicht über den gesamten Wettbewerb? Da wird mit zwei Maßen gemessen."