Das große Thema bei den Niederlanden vor diesem Spiel war das Knuffeln. Das kam so: Auf einer Pressekonferenz stellte ein junger senegalesischer Journalist Louis van Gaal keine Frage, sondern drückte nur seine Bewunderung für den Bondscoach aus. Van Gaal, Bewunderungsbekundungen nicht abgeneigt, versprach dem jungen Mann für seine netten Worte "een big Knuffel", eine große Umarmung. Und wenn ein Louis van Gaal einen Knuffel verspricht, dann knuffelt ein Louis van Gaal auch. Er drückte den Lobenden nach der Fragerunde herzlich.
Seine Mannschaft knuffelte dann im zweiten Gruppenspiel gegen Ecuador schon nach sechs Minuten. Daley Blind, Steven Bergwijn und noch ein paar andere im orangefarbenen Hemd herzten Cody Gakpo, der gerade sein zweites Turniertor geschossen hatte. Der Ex-Bremer Davy Klaassen, von van Gaal wieder in die Startelf befördert, gewann den Ball vor dem ecuadorianischen Strafraum, legte ihn auf Gakpo auf, der drosch ins kurze Eck.
Fußball-WM:Am Ende jubelt van Gaal
In einem engen Spiel setzt sich die Niederlande erst spät gegen Senegal durch. Torwart Édouard Mendy sieht bei den beiden Toren unglücklich aus - aber auch eine spezielle Idee des Bondscoachs zahlt sich aus.
Was da noch keiner wissen konnte: Es sollte nach sechs Minuten auch die nahezu einzige gute Offensivaktion der Niederlande bleiben. Am Ende stand ein aus Oranje-Sicht sehr glückliches 1:1 gegen die Südamerikaner. Damit verpasst van Gaal den vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale, auch wenn ein Vorrunden-Aus nur bei einer Niederlage gegen den durch das Remis sicher ausgeschiedenen Gastgeber Katar möglich ist. Ecuador spielt am Dienstag gegen Senegal ums Weiterkommen, ein Remis reicht dafür, allerdings zittert das Land erneut um seinen Rekordtorschützen Enner Valencia. Nachdem er den Ausgleich mit seinem 38. Länderspieltor erzielt hatte, wurde er in der 90. Minute mit der Trage vom Platz befördert. Eine Hand hielt er sich vor das Gesicht, zuvor griff er sich an das bereits lädierte rechte Knie.
"Das war kein gutes Spiel von uns", sagte van Gaal nach dem Spiel: "Ecuador hätte gewinnen können." Kapitän Vigil van Dijk meinte: "Wir haben den Ball zu schnell verloren und zu langsam gespielt. Sie waren deutlich aggressiver. Aber am Ende haben wir immerhin einen Punkt geholt."
Dass es nicht kurz darauf 1:2 stand, war aus Oranje-Sicht nur der Querlatte zu verdanken
Das Spiel nahm auch diesen Verlauf, weil van Gaal wieder den Fußball spielten lässt, der ihn bei der WM 2014 bis auf Platz drei brachte. Er setzt auf eine Fünferkette (diesmal ohne den Münchner Matthijs de Ligt) und auf defensive Disziplin bei eigener Führung. Nach Gakpos Tor zog sich seine Mannschaft zurück, baute zwei Abwehrketten wie Deiche auf, die Ecuador überspielen sollte. Den Südamerikanern gelang das erst gar nicht - und dann immer besser.
Van Dijk rettete in der 24. und in der 25. Minute gleich zweimal als letzte Instanz im eigenen Strafraum, ein Querpass von Valencia, Doppeltorschütze im Eröffnungsspiel gegen Katar, flog scharf, aber ohne Adressaten durch den niederländischen Strafraum. Torhüter Andries Noppert parierte kurze Zeit später einen mächtigen Schuss Valencias, und als ein Versuch von Pervis Estupiñán dann kurz vor der Pause in seinem Tor einschlug, rettete ihn die Tatsache, dass Jackson Porozo vor Noppert im aktiven Abseits stand.
Van Gaal, auf der Auswechselbank ausgerüstet mit Stift und Papier, durfte bereits eine glückliche Halbzeitführung in einem Spiel auf mäßigem Niveau notieren. Nach dem Sieg gegen Senegal hatte er das Ballbesitzspiel seiner Mannschaft moniert, das müsse sich verbessern. Auch das dürfte die Beförderung des Ballbesitzspielers Klaassen erklären, allerdings kritisierte van Gaal nach dem Spiel erneut diese Teildisziplin des Spiels.
Während vor der Pause noch die Abseitslinie Oranje rettete, versagte dieser Sicherungsmechanismus der Niederländer direkt nach Wiederanpfiff. Nachdem Ecuador die Elftal im eigenen Ballbesitz unter Druck gesetzte hatte, spielte Frenkie de Jong einen riskanten Ball auf Denzel Dumfries. Der verlor ihn prompt, Estupiñáns folgenden Schuss konnte Noppert noch abwehren, den Abstauber von Valencia nicht mehr. Und obwohl sich Noppert sicher gab, dass der nun dreimalige WM-Torschütze im Abseits stand, war dem nicht so. 1:1. Und dass es nicht kurz darauf 1:2 stand, war aus Oranje-Sicht nur der Querlatte zu verdanken. Gonzalo Plata traf diesen soliden Teil des Tores mit einem Gewaltschuss. Am Ende standen 15:2-Torschüssen zugunsten Ecuadors in der Statistik. Knuffel müssen van Gaals Spieler erstmal nicht von ihrem General erwarten.