Niederlage von 1860 München:In die Realität gestolpert

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Yussuf Poulsen (li.): Kaum aufzuhalten in München (Foto: Bongarts/Getty Images)

Vorletzter Platz statt Meisterkurs: 1860 München ist im ersten Heimspiel der Saison gegen Aufsteiger RB Leipzig weit von den eigenen Ansprüchen entfernt. Die Zugänge enttäuschen - und werden von einem jungen Dänen vorgeführt.

Aus dem Stadion von Andreas Babst

Stollen prüfen, kurz in die Hände klatschen und das Haarband zurechtzupfen - Ordnung muss sein, auch auf dem Kopf. Es ist Spieltag in der 2. Bundesliga und zwei Fußballer auf dem Platz gehen sicher, dass sich die langen Haare nicht in die Stirn verirren. Einer ist Münchens Verteidiger Gary Kagelmacher, der andere Leipzigs Stürmer Yussuf Poulsen. Die Frisuren bleiben allerdings die einzige Gemeinsamkeit der beiden während der folgenden 90 Minuten - zum Leidwesen der Münchner.

Das erste Heimspiel der Münchner in der neuen Saison sollte ein Fingerzeig für die neuen Energien und hohen Ziele der Sechziger sein - doch am Ende stand es 3:0 für Leipzig. Es war eine Vorstellung, die Trainer Ricardo Moniz in der Analyse direkt nach dem Spiel mit einem Wort zusammenfasste: "Peinlich." Und mit ein wenig Abstand sagte er im Bayerischen Fernsehen: "Letzte Woche waren wir tot. Jetzt ist es noch schlimmer. Da schämst du dich kaputt." Gegen Kaiserslautern hatte das Team nach 2:0-Führung noch das 2:3 erhalten.

Moniz hatte vor der Saison vollmundig den Meistertitel prophezeit, jetzt hat seine Mannschaft in zwei Spielen schon sechs Gegentore kassiert und steht auf dem vorletzten Tabellenplatz. Anspruch und Realität scheinen auch in der neuen Saison weit auseinanderzuklaffen bei 1860.

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In dieser Verfassung kann sich 1860 München mit RB Leipzig nicht vergleichen: Der TSV verliert 0:3. Mit Pressing und Tempo zeigt die Elf aus Leipzig, wie ihre schöne neue Fußball-Welt funktioniert.

Aus dem Stadion von Markus Schäflein

Was die Stimmung des Trainers nicht aufhellen dürfte: Auch die Sommer-Zugänge geben nicht gerade Anlass zu Optimismus. Gegen das zackig spielende Leipzig war keiner eine Verstärkung für die Münchner. Das Duell Kagelmacher versus Poulsen hatte große Symbolkraft.

Poulsen, Angreifer, und Kagelmacher, Verteidiger, trafen sich naturgemäß ziemlich oft auf dem Feld. Dabei hatte Kagelmacher fast immer das Nachsehen. Der Uruguayer war dem schnellen Leipziger Stürmer nicht gewachsen. Er ließ ihn beim Tor zum 1:0 gewähren (39.) und wurde im Laufduell mit dem 20-jährigen Dänen ein ums andere Mal düpiert. Besonders deutlich zeigte sich der Unterschied zwischen den Frisuren-Zwillingen, als Poulson mit dem Ball am Fuß über das halbe Feld sprinten konnte, ohne dass ihn Kagelmacher im Zweikampf dabei entscheidend störte - es folgte der Querpass zu Matthias Morys und dessen Tor zum 2:0 für Leipzig (68.).

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Julian Weigl ist mit 18 Jahren der jüngste Kapitän in der Geschichte des TSV 1860 München - und einer der jüngsten im Profi-Fußball. Trainer Moniz verfolgt mit der Vergabe der Binde vor allem eine steile These.

Kommentar von Markus Schäflein

Poulsen kam diesen Sommer mit Leipzig aus der dritten Liga, zuvor spielte er bei Lyngby BK in Dänemarks höchster Spielklasse. Der Sohn eines Tansaniers und einer Dänin durchlief seit der U16 alle dänischen Nationalmannschaften, Markenzeichen: schnell, wendig, kreativ. Nach nur einem Jahr in Deutschland stieg er mit RB Leipzig in die 2. Bundesliga auf, als Leistungsträger und Antreiber. "Man merkt schon, dass das hier eine andere Liga ist", sagt Poulsen, "die Qualität der einzelnen Spieler ist höher, auch das Tempo und die Zweikämpfe sind intensiver". Beeinträchtigen tut ihn das bisher kaum.

Kagelmacher, 26, kam diesen Sommer zu den Löwen, er hat klangvolle Vereine wie AS Monaco und Real Madrid in seiner Vita stehen, faktisch aber nur eine Partie für die Madrilenen absolviert. Die letzte Zeit vertrieb er sich beim mittlerweile zweitklassigen französischen Klub FC Valeniennes. München-Trainer Moniz hatte Großes mit ihm vor, er sollte Abwehrchef in der Innenverteidigung bei 1860 sein. Besonders chefig war sein Auftritt am Sonntag nicht. Es kam ihm wohl gelegen, als ihn Trainer Moniz in der zweiten Hälfte auf rechts beorderte, wo er sich nicht ständig mit Poulsen duellieren musste.

Auch die anderen Zugänge überzeugten nicht: Ilie Sánchez von Barcelonas Reserve war kein Taktgeber im defensiven Mittelfeld, in der zweiten Halbzeit ersetzte er dann Kagelmacher in der Innenverteidigung. Edu Bedia, ebenfalls von Barcelona als Spielmacher verpflichtet, fand nicht in die Partie und war weit von seinem versprochenen "schönen Fußball" entfernt.

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Von Markus Schäflein

Rubin Okotie, der mit seinen zwei Toren gegen Kaiserslautern die Verpflichtung eines weiteren Stürmers obsolet zu machen schien, agierte bei den wenigen Zuspielen, die bei ihm ankamen, glücklos. Und der aus Budapest verpflichtete Leonardo war zwar überall auf dem Feld anzutreffen; auf der ihm zugedachten Position in der Offensive blieb er aber wirkungslos.

"Wir werden wieder in die Spur zurückkommen", sagte Torwart Gábor Király nach dem Spiel. Er, der in der 13. Minute einen miserabel geschossenen Elfmeter festhielt und sah, wie seine Kammeraden trotzdem fortan nicht wacher verteidigten. Er, der nach dem zweiten Gegentor derart wütend auf seine Vorderleute war, dass erst eine gelbe Karte ihn wieder beruhigen konnte. Er beschwichtigte nun die Öffentlichkeit. Vielleicht, weil Király schon lange in München ist - der Ungar kennt sich aus mit vollmundigen Ankündigungen und enttäuschten Erwartungen.

Der Torwart war der einzige Münchner, der nach dem Spiel mit der Presse reden wollte. Er sah erschöpft aus, abgekämpft bereits nach zwei Saisonspielen. Anders der lachende Yussuf Poulsen. "Heute ist mir fast alles gelungen. Jetzt bin ich schön müde", sagte der. Er wirkte nicht so. Die Haare waren keinen Zentimeter verrutscht.

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