Niederlage bei Real Madrid:Guardiolas Plan bringt Bayern in Bedrängnis

Real Madrid - FC Bayern München

Glücklos in Madrid: Pep Guardiola (links) und Arjen Robben.

(Foto: dpa)

Viel, viel, viel Ballbesitz, aber die erste gute Torchance nach 84 Minuten: Der FC Bayern verliert das Hinspiel im Champions-League-Halbfinale bei Real Madrid 0:1. Trainer Pep Guardiola scheitert mit seinem Plan, den Gegner festzuzurren - weil Real sich immer wieder mit schnellen Kontern befreit.

Irgendwann passierte das Unerhörte: Pep Guardiola kickte eine Wasserflasche weg. Es war eine unüberlegte Handlung, sie folgte keiner Strategie, keiner höheren Eingebung. Der Mann, der die Wasserflasche wegkickte, war einfach nur ein wütender Mann. Ein ratloser Mann.

Der fuchtelnde Pep Guardiola an der Seitenlinie, das ist eines der Bilder des FC Bayern in dieser Saison, das Bild von einem Trainer, der auch noch das kleinste Detail korrigieren will. Der fuchtelnde Guardiola am Mittwochabend war jedoch ein Trainer, der fürchten musste, dass sein detaillierter Plan nicht aufgehen könnte.

Es war ein intensiver Abend, Guardiola musste oft schimpfen, musste oft nachdenklich an den Lippen kneten. Es war ein Abend, der für ihn mit lauten Pfiffen begonnen hatte. Guardiola war in Madrid zu Gast als Trainer des FC Bayern, empfangen wurde er als ehemaliger Trainer des FC Barcelona. Als ein Trainer, der noch nie im Estadio Santiago Bernabéu verloren hatte. Als ein Mann, der den stolzen Königlichen in Madrid das Fürchten gelehrt hatte.

Pep Guardiola wusste also, wie ein Spiel in Madrid gewonnen werden kann, daher ließ er seine Mannschaft so spielen wie damals den FC Barcelona, als er in Madrid gewonnen hatte: Er verkleinerte das Spielfeld. Es war ein mutiger Plan. Ein sehr mutiger Plan.

Es war ein zu mutiger Plan.

Guardiola hatte auf Javier Martínez verzichtet, auf seinen besten Abfangjäger, den Spieler, der bei schnellen Gegenangriffen so souverän im Weg zu stehen versteht. Kein Martínez also, stattdessen spielte Philipp Lahm im Mittelfeld, ein wendiger Mann für das Spiel auf engem Raum. Ballbesitz in der gegnerischen Spielfeldhälfte, das wollte Guardiola sehen. Er sah: sehr viel eigenen Ballbesitz in der gegnerischen Spielfeldhälfte. Und er sah einige gefährliche Torchancen. Es waren aber lange nur Torchancen des Gegners.

Real Madrid gewann das Hinspiel im Champions-League-Halbfinale 1:0 (1:0). Weil die Mannschaft zumindest eine Gelegenheit nutzte. Und weil der FC Bayern seine erste richtig gute Gelegenheit erst in der 84. Minute hatte. Eine Auswärtspartie ohne eigenen Treffer, das hatte der Titelverteidiger zuletzt beim FC Basel erlebt. Das war im Februar 2012.

"Wir waren klar überlegen, hatten aber nicht alle Konter verhindern können", sagte Lahm, "wir wollten es besser machen, aber wir sind noch nicht raus." Auch Pep Guardiola wollte nicht nach der Partie nicht mehr schimpfen, er war jetzt wieder ausgesprochen selbstbeherrscht. "Ich bin sehr stolz auf die Mannschaft. Sie hat einen starken Gegner gut im Griff gehabt", lobte er. "Ich gehe davon aus, dass wir uns nächste Woche noch steigern können." Er sah so aus, als ob er bereits an seinem Plan für das Rückspiel am Dienstag im eigenen Stadion tüfelte.

Carlo Ancelotti, Reals Trainer, hatte im Hinspiel ebenfalls einen Plan: schnell kontern. Dafür konnte er zumindest einen seiner beiden flinken Flügelstürmer einsetzen, Cristiano Ronaldo; Gareth Bale saß nach einer Erkältung und wegen Magenproblemen die ersten 73 Minuten auf der Bank. Dies hatten die Ärzte auch Cristiano Ronaldo geraten, doch der Portugiese wollte spielen. Natürlich war er dann auch an der spielentscheidenden Szene beteiligt.

Eine Viertelstunde lang hatte Guardiolas mutiger Plan funktioniert, der FC Bayern drängte Real in deren Spielfeldhälfte zurück, was nicht allzu aufwendig war, zog sich Real auch freiwillig weit zurück. Phasenweise waren alle Feldspieler der Gäste vor der Mittellinie, sie hatten viel, viel, viel Ballbesitz, und wenn sie einmal den Ball verloren, eroberten sie ihn oft sofort wieder zurück. Die spanischen Fans reagierten auf diese Fremdherrschaft mit lauten Pfiffen.

Reals schnelle Konter

Es dauerte, bis sich der FC Bayern auch dem Strafraum näherte, einen Drehschuss von Arjen Robben fälschte Sergio Ramos zur Ecke ab (13.), einen Schuss von Toni Kroos blockte Pepe (18.).

Dann konterte Real Madrid. Schnell. Sehr schnell. So schnell wie eine hungrige Schlange, die erkannt hat, dass da leichte Beute zu holen ist.

Karim Benzema gewann in der eigenen Hälfte einen Zweikampf gegen Lahm, Cristiano Ronaldo hatte an der Außenlinie den Ball, Jérôme Boateng konzentrierte sich auf den Portugiesen. Schlimmer Fehler. Ronaldo passte zu Fabio Coentrão, Boateng kam nicht hinterher, Dante musste rausrücken, David Alaba kam nicht an den Ball. Und auf einmal stand Benzema frei vor Bayern-Torwart Manuel Neuer. Er verwandelte eiskalt (19.), nicht einmal eine halbe Minute nach Kroos' geblocktem Schuss.

Es blieb lange bei dieser Dramaturgie der Partie: Der FC Bayern hatte viel Ballbesitz. Und Real Madrid konterte. Sehr schnell. Und sehr gefährlich. Nach einem Pass von Benzema stand Ronaldo frei an der Strafraumgrenze, er schoss vorbei (26.). Nach einer Flanke von Isco stand Ángel di María alleine vor Neuer, auch sein Schuss ging über das Tor (41.

). Die beste Möglichkeit des FC Bayern im ersten Durchgang: ein Schuss von Philipp Lahm ans Außennetz, aus sehr spitzem Winkel (40.).

Auch in der zweiten Hälfte änderte sich nichts an der Dramaturgie, die Gäste hatten meistens den Ball, aber vor dem gegnerischen Strafraum blieben sie so gefährlich wie eine Schlange nach einer ausgiebigen Mahlzeit.

Der Ballbesitz führte daher lediglich zu vielen, vielen Ecken, 15:3 führte der FC Bayern am Ende in dieser Statistik. Guardiola korrigierte schließlich seinen Plan, Martínez kam für Rechtsverteidiger Rafinha, auf dessen Position Lahm rückte. In der Offensive wurde der FC Bayern jedoch erst nach zwei weiteren Einwechslungen gefährlich, Mario Götze kam für den enttäuschenden Franck Ribéry, Thomas Müller für Bastian Schweinsteiger. Die beiden hatten dann auch die besten Gelegenheiten der gesamten Partie. In der 81. Minute schoss Müller am Tor vorbei, drei Minuten später spielte er zu Götze, der so frei stand wie keiner seiner Mitspieler zuvor. Doch Real-Torwart Iker Casillas reagierte schnell. Sehr schnell.

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