Nico Schulz:Der verkehrte Huf

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Er passt ins Team, obwohl er anders ist: Der Hoffenheimer, Matchwinner der Partie gegen die Niederlande, drängt sich als Linksverteidiger in der Nationalelf auf.

Von Christof Kneer

Als Nico Schulz noch ein richtig junger Fußballer war, hätten seine Trainer ihm so was bestimmt nicht durchgehen lassen. Ein Linksverteidiger, der einfach macht, was er will? Der seine ihm zu treuen Füßen anvertraute Seitenlinie verlässt und ins Zentrum rennt oder gar in den gegnerischen Strafraum? Unmöglich, so was, ein Disziplinarverfahren hätte so einer gekriegt.

Als Schulz nach dem Spiel in Amsterdam vor die Mikrofone trat, sah er allerdings nicht sehr schuldbewusst aus. Er grinste recht lausbubenhaft und sagte, sorry, da könne er ja nichts dafür, "frag mal Marco, wenn der auf meine Position geht, muss ich ja irgendwo anders hin". Der Marco, das war Marco Reus, den ein überraschender Laufweg auf die linke Seite geführt hatte, wo ihn ein überraschender Pass von Ilkay Gündogan fand. Und Reus' Pass nach innen fand dort einen Mitspieler, der offenbar gleich mehrere Dinge verwechselt hatte. Nicht nur, dass der Linksverteidiger Schulz plötzlich zentral unterwegs war; er hatte auch vergessen, dass er mit rechts ja gar nicht schießen kann.

Er habe "alles in seinen rechten Huf gelegt", sagte Schulz und grinste erneut (oder immer noch), "ich wollte ihn sogar in diese Ecke spielen, mit dem rechten ist das nicht so selbstverständlich".

Der Bundestrainer Löw sagt zurzeit ja gerne, dass er sich von seiner neuen Elf "Tempo, Dynamik und Zielstrebigkeit" wünsche, und natürlich könnte er stattdessen auch sagen, er wünsche sich die Qualitäten von Sané, Gnabry oder Werner. Er könnte aber auch sagen, er wünsche sich Schulz. Der Linksverteidiger aus Hoffenheim wird meist unterschlagen, wenn die Next Generation durchdekliniert wird, er trägt keine Felljacken, er führt keine Popstar-Frisur mit sich, er ist ein Spätentdeckter, der bald 26 wird. Und natürlich hat er auch nicht dieses schrille Talent, das ihn mal zu Manchester City oder wenigstens zum FC Bayern führen wird. Und klar: Er ist halt Linksverteidiger.

Schulz war ein Gewinner des Spiels in Amsterdam, das 3:2 schoss er selbst, und Sanés 1:0 bereitete er auf eine Art vor, die Löw zur Hymne animierte. "Die Vorlage war überragend, flach, so wie wir das auch besprochen hatten", sagte Löw. Das mag er besonders: Wenn die Jungs das so machen, wie das im Dränning (Löw-Deutsch für: Übungseinheit) einstudiert wurde.

Nico Schulz schafft es, ein stellvertretender Spieler dieser neuen Elf und gleichzeitig ein Außenseiter zu sein. Mit seiner Dynamik passt er tadellos ins neue Leitbild, aber seine grundsätzliche Art des Spiels unterscheidet ihn doch von den vielen trickreichen Füßen um ihn herum. Nichts ist filigran an Schulz' Spiel, es dampft und zischt, wenn er loslegt, und man meint, ihn prusten zu hören. Aber man darf ihn nicht unterschätzen: Natürlich hat er nicht vorne und hinten Augen wie der unerreicht umsichtige Ex-Außenverteidiger Philipp Lahm. Aber wenn Schulz links losmarschiert, kommt oft eine kesse Idee dabei heraus, und auch in der Defensive ist er auf dem Weg zu angemessener Seriosität.

Schulz wird eher kein Linksverteidiger mehr, der eine Epoche prägt, er ist kein Lahm, kein Andy Brehme, kein Bernard Dietz. Aber er hilft dem Team, und nun ist er wohl erst mal die Nummer eins links hinten, mit stabiler Perspektive: Sein Rivale Jonas Hector spielt in Köln jetzt ja auf einer anderen Position.

© SZ vom 26.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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