Süddeutsche Zeitung

Nico Rosberg in der Formel 1:Plötzlich ein gefragter Mann

Er galt schon immer als Talent, nun beweist er auch Härte im Titelkampf: Nico Rosberg und Mercedes bleiben einander treu. Das Team will die Formel 1 dominieren. Auf Jahre.

Von René Hofmann, Fellbach

Zum Abschied noch ein schnelles Selfie. Auch im Leben eines erfolgreichen Formel-1-Fahrers gibt es Erlebnisse, die so ungewöhnlich sind, dass sie mit dem eigenen Handy für einige Zeit dokumentiert werden wollen. Nico Rosberg sammelt gerade eine ganze Menge solcher Momente. Am vergangenen Wochenende hat er geheiratet. Anschließend bejubelte er voller Inbrunst den Sieg der deutschen Fußball-Nationalelf, die er vor der Reise nach Brasilien im Trainingslager in Süd- tirol noch besucht hatte. Am Mittwoch- morgen wurde bekannt: Sein Vertrag als Mercedes-Werksfahrer wird ausgedehnt. Zum Großen Preis von Deutschland an diesem Wochenende auf dem Hockenheimring kommt Rosberg als WM-Führender.

Als Einstimmung darauf steht er nun in einer Halle bei Stuttgart, in der so viele Rennwagen aus der Motorsporthistorie der Marke mit dem Stern aufgereiht sind, dass er sich gar nicht entscheiden kann, welchen Ausschnitt er als Hintergrund für das Selbst-Porträt mit dem Mobiltelefon wählen soll. "Das ist wirklich ein Wahnsinnsmoment, das wir gerade erleben", sagt Nico Rosberg. "Ich denke wirklich nur von Rennen zu Rennen, weil ich weiß: Wenn ich am Samstag eine gute Leistung bringe, stehe ich auf der Pole Position. Und wenn ich am Sonntag eine gute Leistung bringe, gewinne ich. Das macht viel Spaß."

"Genau das, was das Team braucht"

Bis auf den Großen Preis von Kanada, bei dem die Motorentemperaturen in den roten Bereich schnellten, haben Rosberg und sein Teamkollege Lewis Hamilton alle Rennen in diesem Jahr gewonnen. Das ist ein außergewöhnlicher Lauf. So außergewöhnlich, dass die Protagonisten inzwischen offen darüber nachdenken, wie die Serie über das Jahr hinaus gestreckt werden kann. "Ich denke, wir haben die Möglichkeit, über Jahre hinweg dominant zu sein", sagt Rosberg in der Halle mit den vielen Siegerautos. Seine Einschätzung der Kräfteverhältnisse muss für die Konkurrenz wie eine Drohung klingen: "Wir können noch stärker werden. Wir sind nicht zufrieden damit, wo wir jetzt sind."

Toto Wolff, der Motorsportchef der Marke, der zu Saisonbeginn noch ständig mahnte, niemand solle sich blenden lassen: Jeder Sieg sei lediglich als Momentaufnahme zu sehen. Die Haltbarkeit der Autos sei wegen des technisch so anspruchsvollen neuen Reglements immer fraglich. Die Konkurrenz werde den Rückstand sicher irgendwann aufholen. Selbst Wolff konstatiert nun: "Wir haben den Vorsprung in der ersten Saisonhälfte sogar noch leicht ausgebaut."

Auch der Österreicher blickt nun schon über den November hinaus, wenn das Rennjahr in Abu Dhabi endet: "Unser Anspruch ist, über einige Jahre hinweg ganz vorne mitzuspielen, so wie das Red Bull und Ferrari in der Vergangenheit gelungen ist." Die Siegesserie der Bullen hielt vier Jahre, die jüngste Erfolgssträhne der Scuderia aus Maranello sogar fünf. In diesen Dimensionen denken sie nun also in Brackley in England, wo die Mercedes-Formel-1-Autos gebaut werden, und in der Konzernzentrale, wo alle maßgeblichen Entscheidungen reifen.

Rosbergs neuer Kontrakt soll dabei ein wichtiger Baustein sein. Das Vertragswerk umfasst mehrere Dutzend Seiten. Was auf diesen zur Laufzeit vermerkt ist, wird offiziell nicht verraten. Die Rede ist von "mehreren Jahren", was Branchenkenner mit "wohl bis inklusive 2017" übersetzen. Für Wolff, der das Team orchestriert, geht es um "Kontinuität und Nachhaltigkeit - das ist Teil unserer Performance". Rosberg ist für ihn einer "von einer Handvoll Top-Fahrern", hinter denen die Handvoll Top-Teams her sind, die es noch gibt. Ihn längerfristig zu binden, sei deshalb "genau das, was das Team braucht".

Geredet haben die beiden Parteien über den Schritt schon länger. Vor dem Heimspiel in Hockenheim wurde er nun symbolträchtig vollzogen, woran sich zweierlei erkennen lässt: Das Team ist sich inzwischen offenbar bewusst, wie wichtig derlei Symbolpolitik ist; Siege alleine sind schön, sie im richtigen Moment mit schönen Schlagzeilen zu flankieren, steigert ihren Wert aber noch. Und: Rosberg ist in den vergangenen vier Monaten offenbar von einer festen Formel-1-Größe zu einer fürwahr außergewöhnlichen gereift.

Als die Saison Mitte März in Melbourne begann, mutmaßten viele Beobachter noch, der in Monaco aufgewachsene Sohn von Keke Rosberg, des Weltmeisters von 1982, werde im Vergleich mit Lewis Hamilton, dem Weltmeister des Jahres 2008, vermutlich seinen Meister finden. Rosberg junior galt als Talent, das schon. Ob er aber wirklich die Härte haben würde, um in einem Titelkampf mit einem Schwergewicht zu bestehen - daran zweifelten viele. Inzwischen zweifeln daran nur noch wenige.

Nico Rosberg, 29, hat Lewis Hamilton, 29, in der Qualifikation, bei den Starts und in den Rennen nicht nur Paroli geboten, er hat ihn in allen Disziplinen schon mehr als einmal bezwungen und führt das Fahrerklassement trotz seines Ausfalls beim jüngsten Auftritt in Silverstone deshalb alles andere als zufällig an. Nico Rosberg, Weltmeister 2014: Mittlerweile sieht es tatsächlich so aus, als könnte das so kommen. Auch, weil Rosberg bisher auf kein Psycho-Manöver einging.

Vor dem Monaco-Rennen zirkulierten Zitate, in denen Hamilton ausführte, er sei "hungriger", weil er eben nicht in Monaco aufgewachsen sei. Nun, vor dem Deutschland-Grand-Prix, war zu lesen, Hamilton halte Rosberg gar nicht für einen Deutschen, wozu Rosberg nur sagt: "Ich war dabei, als er das gesagt hat. Es begann als Witz und wurde dann aufgebauscht. Aber wenn es seine Meinung ist - ich habe kein Problem damit." Er wisse ja, was in seinem Pass stehe.

Einen echten Formel-1-Wagen, das zur Erklärung des Selfies, hat er übrigens bisher nicht in seiner Garage parken. Die geben die Teams selbst an die Fahrer nur ungern her. "Sich das in den Vertrag schreiben zu lassen, senkt das Gehalt", hat Rosberg inzwischen gelernt.

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Quelle:
SZ vom 17.07.2014
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