NHL-Rückkehrer Christian Ehrhoff:Beichte des Schlaflosen

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Wohnt in Krefeld, arbeitet aber lieber in Köln: Weil Eishockey-Profi Christian Ehrhoff seine Karriere mit einem Titel abrunden will, schließt er sich dem in seiner Heimatstadt ungeliebten Konkurrenten an.

(Foto: imago/ActionPictures)

Der Ex-NHL-Profi Christian Ehrhoff geht noch mal ein brisantes Engagement ein. Jeder hat erwartet, dass er für seinen Krefelder Heimatklub aufläuft, doch der 34-Jährige bevorzugt den Rivalen aus Köln - denn der hat bessere Aussichten.

Von Ulrich Hartmann, Köln

Die Kulturgeschichte der unmöglichen Liebe beginnt irgendwo bei Romeo und Julia und gelangt irgendwann auch in den Sport, weil Rivalitäten dort besonders ausgeprägt sind. Um zu ahnen, wie es dem Eishockeyspieler Christian Ehrhoff in diesen Tagen in seinem Wohnort Krefeld geht, muss man sich bloß vorstellen, ein populärer Fußballer, der einst bei Borussia Dortmund groß und erfolgreich geworden war, kehrte nach einem langen Auslandsengagement in sein Haus nach Dortmund zurück, spielte aber fortan für Schalke.

Ungefähr so freundlich sind die Menschen in Krefeld am Niederrhein momentan auf Ehrhoff, 34, zu sprechen, der nach 13 Jahren Eishockey bei sechs Teams in der nordamerikanischen Profiliga NHL gerade nach Krefeld zurückgekehrt ist, um fortan für die Kölner Haie zu spielen. Krefeld und Köln liegen 60 Autobahnkilometer auseinander, die Rivalität ist vielleicht nicht ganz so ausgeprägt wie jene zwischen Schalker und Dortmunder Fußballfans, und doch reagierten die Menschen in Krefeld zwischen pikiert und entsetzt, als sie am Dienstag erfahren haben, dass ihr verlorener Sohn zwar nach Krefeld zurückkehrt, um hier zu wohnen und seine Töchter zur Schule zu schicken, dass er aber von diesem Freitag an für jene Haie spielt, die im mondänen Köln schon immer etwas größer, wohlhabender und erfolgreicher waren als die Pinguine im beschaulichen Krefeld.

2003 verhalf Ehrhoff den Pinguinen zum Titelgewinn: Gegner im Finale waren die Haie

2003, unmittelbar bevor er nach Amerika wechselte, hat Ehrhoff in seinem letzten Spiel für Krefeld geholfen, die Meisterschaft zu holen: Die Pinguine haben damals das fünfte und letzte Spiel der Finalserie in Köln gewonnen und waren erstmals nach einem halben Jahrhundert wieder Meister. Dieser 21. April 2003 ist bis heute der größte Tag in der jüngeren Historie des leidensfähigen Krefelder Eishockeys. Ehrhoff war die Leitfigur auf diesem Passionsweg, und sein Stellenwert in der Stadt stieg noch, als er 2012 ohne Honorar 32 Mal für Krefeld auflief, weil drüben in Amerika wegen eines Tarifstreits nicht gespielt wurde. Ganz Krefeld vertraute darauf: Wenn Ehrhoff seine Zeit in Amerika eines Tages beenden sollte, würde er zu den Pinguinen zurückkehren. Als er am vergangenen Sonntag im Büro des Aufsichtsratsbosses Wolfgang Schulz vorstellig wurde, hatte dieser bereits ein Trikot vorbereitet, das er Ehrhoff fürs gemeinsame Foto überstreifen wollte. Doch dann legte der 34-Jährige zügig die Beichte ab: Er werde aus ausschließlich sportlichen Gründen nach Köln gehen.

"Ich habe einige schlaflose Nächte hinter mir", sagte Ehrhoff am Mittwoch, als er bei den Haien vorgestellt wurde. Man hatte ihm ein Trikot vorbereitet mit seinem Namen auf den Schultern. "Es war keine leichte Entscheidung, und ich kann die Enttäuschung der Krefelder verstehen", sagte er, "aber ich habe mit offenen Karten gespielt und niemandem etwas vorgemacht." Ehrhoff hat mit 862 Partien die zweitmeisten NHL-Einsätze eines deutschen Profis hinter Marco Sturm (1006), zuletzt lehnte er bei den Boston Bruins einen Vertrag ab, weil man ihm keine permanente Eiszeit versprach. In seinen besten Jahren verdiente er vier Millionen Dollar per anno, und in den vergangenen zwei Wochen erhielt er Angebote aus ganz Europa. Gegen Krefeld und für Köln entschied er sich, weil er mit den Haien bessere Chancen sieht, seine Karriere mit einem Titel abzurunden. Seit er 2003 mit Krefeld Meister geworden war, hat er ja nichts mehr gewonnen. Mit Vancouver hat er 2011 die NHL-Finalserie um den Stanley Cup verloren, und mit der deutschen Nationalmannschaft hat er 2010 den Einzug ins WM-Finale (in Köln!) verpasst. Ehrhoff ist reich an Erfahrungen und Dollars - aber er will mit seinen 34 Jahren fortan nicht mehr nur um Krefelder Ehren spielen, sondern um nationale. "Ich will noch eine deutsche Meisterschaft gewinnen und sehe mit Köln gute Chancen", sagt er.

Dass die Kölner Haie seit 14 Jahren nicht mehr deutscher Meister waren, ist unter anderem Ehrhoffs Schuld, weil er 2003 deren Triumph ja vereiteln half. 13 Jahre später avanciert er nun zum Hoffnungsträger, weil ein Verteidiger seiner Qualität in einer ohnehin gut besetzten Mannschaft den entscheidenden Unterschied ausmachen kann. "Er ist ein Difference-Maker", sagt entsprechend der kanadischstämmige Haie-Sportchef Mark Mahon über Ehrhoff. "Er ist eine Marke", sagt der Manager Peter Schönberger. Ehrhoff selbst ist immer noch der zurückhaltende Typ, als der er einst in die USA gegangen ist. "Ich bin nicht der Messias, der die Haie allein zum Meister macht", sagt er vorsichtshalber, bevor er am Freitag in Schwenningen erstmals für die Kölner aufläuft. Einen Tag vor Heiligabend wird er mit Köln in Krefeld spielen. Bis dahin wird er unbedingt vermeiden, sich mit plakativen Sprüchen zum Messias von Köln erheben zu lassen.

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